Ernennung nach Frankfurt. General v. Peucker. Ordenswesen.
Von Jemand, der zu viele Orden gleichzeitig trug, sagte man "er peuckert".
Bei einem Morgenbesuche fand ich ihn vor einem Tische stehend, auf welchem seine wohlverdienten, zuerst auf dem Schlacht¬ felde gewonnenen Orden ausgebreitet lagen, deren herkömmliche Ordnung auf der Brust durch die eben erfolgte Verleihung eines neuen Sternes gestört war. Nach der Begrüßung sprach er mir nicht etwa von Oestreich und Preußen, sondern verlangte mein Urtheil von dem Standpunkte künstlerischen Geschmacks über die Stelle, wo der neue Stern einzuschieben sei. Die Gefühle anhäng¬ licher Achtung, die ich aus meinen Kinderjahren für den hoch¬ verdienten General überkommen hatte, bestimmten mich, in voller Ernsthaftigkeit auf das Thema einzugehn und seine Erledigung herbeizuführen, ehe wir auf Geschäfte zu sprechen kamen.
Ich gestehe, daß ich mich, als ich (1842) meine erste Auszeich¬ nung, die Rettungsmedaille, erhielt, erfreut und gehoben fühlte, weil ich damals ein in dieser Beziehung nicht blasirter Landjunker war. Im Staatsdienste habe ich diese Ursprünglichkeit der Empfindung schnell verloren; ich erinnere mich nicht, bei spätern Decorirungen ein objectives Vergnügen empfunden zu haben, sondern nur die subjective Freude über die äußerliche Bethätigung des Wohlwollens, mit welchem mein König meine Anhänglichkeit erwiderte, oder andre Monarchen mir den Erfolg meiner politischen Werbung um ihr Vertrauen und ihr Wohlwollen bestätigten. Unser Gesandter von Jordan in Dresden antwortete auf den scherzhaften Vorschlag, eine seiner vielen Decorationen abzutreten: "Je vous les cede toutes, pourvu que vous m'en laisserez une pour couvrir mes nudites diplomatiques." In der That gehört ein grand cordon zur Toilette eines Gesandten, und wenn es nicht der des eignen Hofes ist, so bleibt die Möglichkeit, wechseln zu können, für elegante Diplomaten ebenso erwünscht, wie für Damen bezüglich der Kleider. In Paris habe ich erlebt, daß unverständige Gewaltthaten gegen Menschenmassen plötzlich stockten, weil sie auf "un monsieur decore"
Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 6
Ernennung nach Frankfurt. General v. Peucker. Ordensweſen.
Von Jemand, der zu viele Orden gleichzeitig trug, ſagte man „er peuckert“.
Bei einem Morgenbeſuche fand ich ihn vor einem Tiſche ſtehend, auf welchem ſeine wohlverdienten, zuerſt auf dem Schlacht¬ felde gewonnenen Orden ausgebreitet lagen, deren herkömmliche Ordnung auf der Bruſt durch die eben erfolgte Verleihung eines neuen Sternes geſtört war. Nach der Begrüßung ſprach er mir nicht etwa von Oeſtreich und Preußen, ſondern verlangte mein Urtheil von dem Standpunkte künſtleriſchen Geſchmacks über die Stelle, wo der neue Stern einzuſchieben ſei. Die Gefühle anhäng¬ licher Achtung, die ich aus meinen Kinderjahren für den hoch¬ verdienten General überkommen hatte, beſtimmten mich, in voller Ernſthaftigkeit auf das Thema einzugehn und ſeine Erledigung herbeizuführen, ehe wir auf Geſchäfte zu ſprechen kamen.
Ich geſtehe, daß ich mich, als ich (1842) meine erſte Auszeich¬ nung, die Rettungsmedaille, erhielt, erfreut und gehoben fühlte, weil ich damals ein in dieſer Beziehung nicht blaſirter Landjunker war. Im Staatsdienſte habe ich dieſe Urſprünglichkeit der Empfindung ſchnell verloren; ich erinnere mich nicht, bei ſpätern Decorirungen ein objectives Vergnügen empfunden zu haben, ſondern nur die ſubjective Freude über die äußerliche Bethätigung des Wohlwollens, mit welchem mein König meine Anhänglichkeit erwiderte, oder andre Monarchen mir den Erfolg meiner politiſchen Werbung um ihr Vertrauen und ihr Wohlwollen beſtätigten. Unſer Geſandter von Jordan in Dresden antwortete auf den ſcherzhaften Vorſchlag, eine ſeiner vielen Decorationen abzutreten: „Je vous les cède toutes, pourvu que vous m'en laisserez une pour couvrir mes nudités diplomatiques.“ In der That gehört ein grand cordon zur Toilette eines Geſandten, und wenn es nicht der des eignen Hofes iſt, ſo bleibt die Möglichkeit, wechſeln zu können, für elegante Diplomaten ebenſo erwünſcht, wie für Damen bezüglich der Kleider. In Paris habe ich erlebt, daß unverſtändige Gewaltthaten gegen Menſchenmaſſen plötzlich ſtockten, weil ſie auf „un monsieur décoré“
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 6
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Ernennung nach Frankfurt. General v. Peucker. Ordensweſen.
Von Jemand, der zu viele Orden gleichzeitig trug, ſagte man „er
peuckert“.
Bei einem Morgenbeſuche fand ich ihn vor einem Tiſche
ſtehend, auf welchem ſeine wohlverdienten, zuerſt auf dem Schlacht¬
felde gewonnenen Orden ausgebreitet lagen, deren herkömmliche
Ordnung auf der Bruſt durch die eben erfolgte Verleihung eines
neuen Sternes geſtört war. Nach der Begrüßung ſprach er mir
nicht etwa von Oeſtreich und Preußen, ſondern verlangte mein
Urtheil von dem Standpunkte künſtleriſchen Geſchmacks über die
Stelle, wo der neue Stern einzuſchieben ſei. Die Gefühle anhäng¬
licher Achtung, die ich aus meinen Kinderjahren für den hoch¬
verdienten General überkommen hatte, beſtimmten mich, in voller
Ernſthaftigkeit auf das Thema einzugehn und ſeine Erledigung
herbeizuführen, ehe wir auf Geſchäfte zu ſprechen kamen.
Ich geſtehe, daß ich mich, als ich (1842) meine erſte Auszeich¬
nung, die Rettungsmedaille, erhielt, erfreut und gehoben fühlte, weil
ich damals ein in dieſer Beziehung nicht blaſirter Landjunker war.
Im Staatsdienſte habe ich dieſe Urſprünglichkeit der Empfindung
ſchnell verloren; ich erinnere mich nicht, bei ſpätern Decorirungen
ein objectives Vergnügen empfunden zu haben, ſondern nur die
ſubjective Freude über die äußerliche Bethätigung des Wohlwollens,
mit welchem mein König meine Anhänglichkeit erwiderte, oder
andre Monarchen mir den Erfolg meiner politiſchen Werbung
um ihr Vertrauen und ihr Wohlwollen beſtätigten. Unſer Geſandter
von Jordan in Dresden antwortete auf den ſcherzhaften Vorſchlag,
eine ſeiner vielen Decorationen abzutreten: „Je vous les cède
toutes, pourvu que vous m'en laisserez une pour couvrir mes
nudités diplomatiques.“ In der That gehört ein grand cordon
zur Toilette eines Geſandten, und wenn es nicht der des eignen
Hofes iſt, ſo bleibt die Möglichkeit, wechſeln zu können, für elegante
Diplomaten ebenſo erwünſcht, wie für Damen bezüglich der Kleider.
In Paris habe ich erlebt, daß unverſtändige Gewaltthaten gegen
Menſchenmaſſen plötzlich ſtockten, weil ſie auf „un monsieur décoré“
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/108>, abgerufen am 23.11.2024.
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