reich gestört werden. "Mais ce ne serait plus une indiscretion, ce serait une trahision," unterbrach er mich etwas beunruhigt. "Vous vous embourberiez!" fuhr ich fort.
Der Kaiser fand diesen Ausdruck schlagend und anschaulich und wiederholte ihn. Die Unterredung schloß damit, daß er mir für diese Offenheit seinen Dank aussprach und ich ihm Schweigen über seine Eröffnung zusagte.
II.
In demselben Jahre benutzte ich die Ferien des Bundestages zu einem Jagdausfluge nach Dänemark und Schweden1). In Kopen¬ hagen hatte ich am 6. August eine Audienz bei dem Könige Friedrich VII. Er empfing mich in Uniform, den Helm auf dem Kopfe, und unterhielt mich mit übertriebenen Schilderungen seiner Erlebnisse bei verschiedenen Gefechten und Belagerungen, bei denen er garnicht zugegen gewesen war. Auf meine Sondirung, ob er glaube, daß die (zweite gemeinschaftliche vom 2. October 1855 da¬ tirte) Verfassung halten werde, erwiderte er, er habe seinem Vater auf dem Todtenbette zugeschworen, sie zu halten, wobei er vergaß, daß diese Verfassung beim Tode seines Vaters (1848) noch nicht vorhanden war. Während der Unterhaltung sah ich in einer an¬ stoßenden sonnigen Gallerie einen weiblichen Schatten an der Wand; der König hatte nicht für mich, sondern für die Gräfin Danner geredet, über deren Verkehrsformen mit Sr. Majestät ich sonder¬ bare Anekdoten hörte. Auch mit angesehnen Schleswig-Holsteinern hatte ich Gelegenheit, mich zu besprechen. Sie wollten von einem deutschen Kleinstaate nichts wissen; "da sei ihnen das Bischen Europäerthum in Kopenhagen noch lieber".
In Schweden stürzte ich bei der Jagd am 17. August auf eine
1) Vgl. die Briefe vom 6., 9., 16.-19. Aug. in den Bismarckbriefen (7. Aufl.) S. 222 ff.
Unterredung mit Napoleon III. In Kopenhagen.
reich geſtört werden. „Mais ce ne serait plus une indiscrétion, ce serait une trahision,“ unterbrach er mich etwas beunruhigt. „Vous vous embourberiez!“ fuhr ich fort.
Der Kaiſer fand dieſen Ausdruck ſchlagend und anſchaulich und wiederholte ihn. Die Unterredung ſchloß damit, daß er mir für dieſe Offenheit ſeinen Dank ausſprach und ich ihm Schweigen über ſeine Eröffnung zuſagte.
II.
In demſelben Jahre benutzte ich die Ferien des Bundestages zu einem Jagdausfluge nach Dänemark und Schweden1). In Kopen¬ hagen hatte ich am 6. Auguſt eine Audienz bei dem Könige Friedrich VII. Er empfing mich in Uniform, den Helm auf dem Kopfe, und unterhielt mich mit übertriebenen Schilderungen ſeiner Erlebniſſe bei verſchiedenen Gefechten und Belagerungen, bei denen er garnicht zugegen geweſen war. Auf meine Sondirung, ob er glaube, daß die (zweite gemeinſchaftliche vom 2. October 1855 da¬ tirte) Verfaſſung halten werde, erwiderte er, er habe ſeinem Vater auf dem Todtenbette zugeſchworen, ſie zu halten, wobei er vergaß, daß dieſe Verfaſſung beim Tode ſeines Vaters (1848) noch nicht vorhanden war. Während der Unterhaltung ſah ich in einer an¬ ſtoßenden ſonnigen Gallerie einen weiblichen Schatten an der Wand; der König hatte nicht für mich, ſondern für die Gräfin Danner geredet, über deren Verkehrsformen mit Sr. Majeſtät ich ſonder¬ bare Anekdoten hörte. Auch mit angeſehnen Schleswig-Holſteinern hatte ich Gelegenheit, mich zu beſprechen. Sie wollten von einem deutſchen Kleinſtaate nichts wiſſen; „da ſei ihnen das Bischen Europäerthum in Kopenhagen noch lieber“.
In Schweden ſtürzte ich bei der Jagd am 17. Auguſt auf eine
1) Vgl. die Briefe vom 6., 9., 16.–19. Aug. in den Bismarckbriefen (7. Aufl.) S. 222 ff.
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[195/0222]
Unterredung mit Napoleon III. In Kopenhagen.
reich geſtört werden. „Mais ce ne serait plus une indiscrétion,
ce serait une trahision,“ unterbrach er mich etwas beunruhigt.
„Vous vous embourberiez!“ fuhr ich fort.
Der Kaiſer fand dieſen Ausdruck ſchlagend und anſchaulich
und wiederholte ihn. Die Unterredung ſchloß damit, daß er mir
für dieſe Offenheit ſeinen Dank ausſprach und ich ihm Schweigen
über ſeine Eröffnung zuſagte.
II.
In demſelben Jahre benutzte ich die Ferien des Bundestages
zu einem Jagdausfluge nach Dänemark und Schweden 1). In Kopen¬
hagen hatte ich am 6. Auguſt eine Audienz bei dem Könige
Friedrich VII. Er empfing mich in Uniform, den Helm auf dem
Kopfe, und unterhielt mich mit übertriebenen Schilderungen ſeiner
Erlebniſſe bei verſchiedenen Gefechten und Belagerungen, bei denen
er garnicht zugegen geweſen war. Auf meine Sondirung, ob er
glaube, daß die (zweite gemeinſchaftliche vom 2. October 1855 da¬
tirte) Verfaſſung halten werde, erwiderte er, er habe ſeinem Vater
auf dem Todtenbette zugeſchworen, ſie zu halten, wobei er vergaß,
daß dieſe Verfaſſung beim Tode ſeines Vaters (1848) noch nicht
vorhanden war. Während der Unterhaltung ſah ich in einer an¬
ſtoßenden ſonnigen Gallerie einen weiblichen Schatten an der Wand;
der König hatte nicht für mich, ſondern für die Gräfin Danner
geredet, über deren Verkehrsformen mit Sr. Majeſtät ich ſonder¬
bare Anekdoten hörte. Auch mit angeſehnen Schleswig-Holſteinern
hatte ich Gelegenheit, mich zu beſprechen. Sie wollten von einem
deutſchen Kleinſtaate nichts wiſſen; „da ſei ihnen das Bischen
Europäerthum in Kopenhagen noch lieber“.
In Schweden ſtürzte ich bei der Jagd am 17. Auguſt auf eine
1)
Vgl. die Briefe vom 6., 9., 16.–19. Aug. in den Bismarckbriefen
(7. Aufl.) S. 222 ff.
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/222>, abgerufen am 16.02.2025.
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