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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Zehntes Kapitel: Petersburg.
er, auf die bis dahin von ihm nicht bemerkten, im pas gymnastique
defilirenden chasseurs de Vincennes deutend, sagte: "Eh bien, il
faut enfoncer ca!"
Das Publikum, einschließlich der Mißhandelten,
lachte, die von Thätlichkeiten Verschonten entfernten sich mit einem
dankbaren Gefühl für den decore, dessen Anwesenheit sie ge¬
rettet hatte.

Auch in Petersburg würde ich es für zweckmäßig gehalten
haben, auf der Straße die Andeutung eines höhern russischen
Ordens zu tragen, wenn die großen Entfernungen es nicht mit sich
gebracht hätten, daß man sich in den Straßen mehr zu Wagen
mit Tressenlivree als zu Fuße zeigte. Schon zu Pferde, wenn in
Civil und ohne Reitknecht, lief man Gefahr, von den durch ihr
Costüm kenntlichen Kutschern der höhern Würdenträger wörtlich
und thätlich angefahren zu werden, wenn man mit ihnen in un¬
vermeidliche Berührung gerieth; und wer hinreichend Herr seines
Pferdes war und eine Gerte in der Hand hatte, that wohl, sich
bei solchen Conflicten als gleichberechtigt mit dem Insassen des
Wagens zu legitimiren. Von den wenigen Reitern in der Um¬
gebung von Petersburg konnte man in der Regel annehmen, daß
sie deutsche und englische Kaufleute waren und in dieser ihrer
Stellung ärgerliche Berührungen nach Möglichkeit vermieden und
lieber ertrugen, als sich bei den Behörden zu beschweren. Offiziere
machten nur in ganz geringer Zahl von den guten Reitwegen
auf den Inseln und weiter außerhalb der Stadt Gebrauch, und
die es thaten, waren in der Regel deutschen Herkommens. Das
Bemühn höhern Ortes, den Offizieren mehr Geschmack am Reiten
beizubringen, hatte keinen dauernden Erfolg und bewirkte nur,
daß nach einer jeden Anregung derart die kaiserlichen Equipagen
einige Tage lang mehr Reitern als gewöhnlich begegneten. Eine
Merkwürdigkeit war es, daß als die besten Reiter unter den
Offizieren die beiden Admiräle anerkannt waren, der Großfürst
Constantin und der Fürst Mentschikow.

Auch abgesehn von der Reiterei mußte man wahrnehmen, daß

Zehntes Kapitel: Petersburg.
er, auf die bis dahin von ihm nicht bemerkten, im pas gymnastique
defilirenden chasseurs de Vincennes deutend, ſagte: „Eh bien, il
faut enfoncer ça!“
Das Publikum, einſchließlich der Mißhandelten,
lachte, die von Thätlichkeiten Verſchonten entfernten ſich mit einem
dankbaren Gefühl für den décoré, deſſen Anweſenheit ſie ge¬
rettet hatte.

Auch in Petersburg würde ich es für zweckmäßig gehalten
haben, auf der Straße die Andeutung eines höhern ruſſiſchen
Ordens zu tragen, wenn die großen Entfernungen es nicht mit ſich
gebracht hätten, daß man ſich in den Straßen mehr zu Wagen
mit Treſſenlivree als zu Fuße zeigte. Schon zu Pferde, wenn in
Civil und ohne Reitknecht, lief man Gefahr, von den durch ihr
Coſtüm kenntlichen Kutſchern der höhern Würdenträger wörtlich
und thätlich angefahren zu werden, wenn man mit ihnen in un¬
vermeidliche Berührung gerieth; und wer hinreichend Herr ſeines
Pferdes war und eine Gerte in der Hand hatte, that wohl, ſich
bei ſolchen Conflicten als gleichberechtigt mit dem Inſaſſen des
Wagens zu legitimiren. Von den wenigen Reitern in der Um¬
gebung von Petersburg konnte man in der Regel annehmen, daß
ſie deutſche und engliſche Kaufleute waren und in dieſer ihrer
Stellung ärgerliche Berührungen nach Möglichkeit vermieden und
lieber ertrugen, als ſich bei den Behörden zu beſchweren. Offiziere
machten nur in ganz geringer Zahl von den guten Reitwegen
auf den Inſeln und weiter außerhalb der Stadt Gebrauch, und
die es thaten, waren in der Regel deutſchen Herkommens. Das
Bemühn höhern Ortes, den Offizieren mehr Geſchmack am Reiten
beizubringen, hatte keinen dauernden Erfolg und bewirkte nur,
daß nach einer jeden Anregung derart die kaiſerlichen Equipagen
einige Tage lang mehr Reitern als gewöhnlich begegneten. Eine
Merkwürdigkeit war es, daß als die beſten Reiter unter den
Offizieren die beiden Admiräle anerkannt waren, der Großfürſt
Conſtantin und der Fürſt Mentſchikow.

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[222/0249] Zehntes Kapitel: Petersburg. er, auf die bis dahin von ihm nicht bemerkten, im pas gymnastique defilirenden chasseurs de Vincennes deutend, ſagte: „Eh bien, il faut enfoncer ça!“ Das Publikum, einſchließlich der Mißhandelten, lachte, die von Thätlichkeiten Verſchonten entfernten ſich mit einem dankbaren Gefühl für den décoré, deſſen Anweſenheit ſie ge¬ rettet hatte. Auch in Petersburg würde ich es für zweckmäßig gehalten haben, auf der Straße die Andeutung eines höhern ruſſiſchen Ordens zu tragen, wenn die großen Entfernungen es nicht mit ſich gebracht hätten, daß man ſich in den Straßen mehr zu Wagen mit Treſſenlivree als zu Fuße zeigte. Schon zu Pferde, wenn in Civil und ohne Reitknecht, lief man Gefahr, von den durch ihr Coſtüm kenntlichen Kutſchern der höhern Würdenträger wörtlich und thätlich angefahren zu werden, wenn man mit ihnen in un¬ vermeidliche Berührung gerieth; und wer hinreichend Herr ſeines Pferdes war und eine Gerte in der Hand hatte, that wohl, ſich bei ſolchen Conflicten als gleichberechtigt mit dem Inſaſſen des Wagens zu legitimiren. Von den wenigen Reitern in der Um¬ gebung von Petersburg konnte man in der Regel annehmen, daß ſie deutſche und engliſche Kaufleute waren und in dieſer ihrer Stellung ärgerliche Berührungen nach Möglichkeit vermieden und lieber ertrugen, als ſich bei den Behörden zu beſchweren. Offiziere machten nur in ganz geringer Zahl von den guten Reitwegen auf den Inſeln und weiter außerhalb der Stadt Gebrauch, und die es thaten, waren in der Regel deutſchen Herkommens. Das Bemühn höhern Ortes, den Offizieren mehr Geſchmack am Reiten beizubringen, hatte keinen dauernden Erfolg und bewirkte nur, daß nach einer jeden Anregung derart die kaiſerlichen Equipagen einige Tage lang mehr Reitern als gewöhnlich begegneten. Eine Merkwürdigkeit war es, daß als die beſten Reiter unter den Offizieren die beiden Admiräle anerkannt waren, der Großfürſt Conſtantin und der Fürſt Mentſchikow. Auch abgeſehn von der Reiterei mußte man wahrnehmen, daß

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/249>, abgerufen am 21.11.2024.