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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Das Briefgeheimniß in der Post von Thurn-Taxis. Gewaltthätigkeiten.

Um sich selbst gegen Untreue der Beamten des auswärtigen
Ressorts zu schützen, hat man in Wien zuweilen sehr drastische Mittel
angewandt. Ich habe einmal ein geheimes östreichisches Actenstück
in Händen gehabt, aus dem mir dieser Satz erinnerlich geblieben ist:

"Kaunitz ne sachant pas demeler, lequel de ses quatre
commis l'avait trahi, les fit noyer tous les quatre dans le
Danube moyennant un bateau a soupape."

Vom Ersäufen war auch die Rede in einer scherzenden Unter¬
haltung, die ich 1853 oder 1854 mit dem russischen Gesandten in
Berlin, Baron von Budberg, hatte. Ich erwähnte, daß ich einen
Beamten im Verdacht hätte, bei den ihm aufgetragnen Geschäften
das Interesse eines andern Staates zu vertreten. Budberg sagte:
"Wenn der Mann Ihnen unbequem ist, so schicken Sie ihn nur
einmal bis an das Aegäische Meer, dort haben wir Mittel, ihn
verschwinden zu lassen" -- und fuhr auf meine etwas ängstliche
Frage: "Sie wollen ihn doch nicht ersäufen?" lachend fort: "Nein,
er würde im Innern Rußlands verschwinden, und da er anstellig
zu sein scheint, später als zufriedner russischer Beamter wieder zum
Vorschein kommen."

IV.

In der ersten Hälfte des Juni 1859 machte ich einen kurzen
Ausflug nach Moskau. Bei diesem Besuche der alten Hauptstadt,
der in die Zeit des italienischen Krieges fiel, war ich Zeuge einer
merkwürdigen Probe von dem damaligen Hasse der Russen gegen
Oestreich. Während der Gouverneur Fürst Dolgoruki mich in
einer Bibliothek umherführte, bemerkte ich auf der Brust eines
subalternen Beamten unter vielen militärischen Decorationen auch
das eiserne Kreuz. Auf meine Frage nach dem Erwerb desselben
nannte er die Schlacht von Kulm, nach welcher Friedrich Wilhelm III.
eine Anzahl etwas abweichend gestalteter eiserner Kreuze an russische
Soldaten hatte vertheilen lassen, das sogenannte Kulmer Kreuz.

Das Briefgeheimniß in der Poſt von Thurn-Taxis. Gewaltthätigkeiten.

Um ſich ſelbſt gegen Untreue der Beamten des auswärtigen
Reſſorts zu ſchützen, hat man in Wien zuweilen ſehr draſtiſche Mittel
angewandt. Ich habe einmal ein geheimes öſtreichiſches Actenſtück
in Händen gehabt, aus dem mir dieſer Satz erinnerlich geblieben iſt:

„Kaunitz ne ſachant pas démêler, lequel de ses quatre
commis l'avait trahi, les fit noyer tous les quatre dans le
Danube moyennant un bateau à soupape.“

Vom Erſäufen war auch die Rede in einer ſcherzenden Unter¬
haltung, die ich 1853 oder 1854 mit dem ruſſiſchen Geſandten in
Berlin, Baron von Budberg, hatte. Ich erwähnte, daß ich einen
Beamten im Verdacht hätte, bei den ihm aufgetragnen Geſchäften
das Intereſſe eines andern Staates zu vertreten. Budberg ſagte:
„Wenn der Mann Ihnen unbequem iſt, ſo ſchicken Sie ihn nur
einmal bis an das Aegäiſche Meer, dort haben wir Mittel, ihn
verſchwinden zu laſſen“ — und fuhr auf meine etwas ängſtliche
Frage: „Sie wollen ihn doch nicht erſäufen?“ lachend fort: „Nein,
er würde im Innern Rußlands verſchwinden, und da er anſtellig
zu ſein ſcheint, ſpäter als zufriedner ruſſiſcher Beamter wieder zum
Vorſchein kommen.“

IV.

In der erſten Hälfte des Juni 1859 machte ich einen kurzen
Ausflug nach Moskau. Bei dieſem Beſuche der alten Hauptſtadt,
der in die Zeit des italieniſchen Krieges fiel, war ich Zeuge einer
merkwürdigen Probe von dem damaligen Haſſe der Ruſſen gegen
Oeſtreich. Während der Gouverneur Fürſt Dolgoruki mich in
einer Bibliothek umherführte, bemerkte ich auf der Bruſt eines
ſubalternen Beamten unter vielen militäriſchen Decorationen auch
das eiſerne Kreuz. Auf meine Frage nach dem Erwerb deſſelben
nannte er die Schlacht von Kulm, nach welcher Friedrich Wilhelm III.
eine Anzahl etwas abweichend geſtalteter eiſerner Kreuze an ruſſiſche
Soldaten hatte vertheilen laſſen, das ſogenannte Kulmer Kreuz.

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[231/0258] Das Briefgeheimniß in der Poſt von Thurn-Taxis. Gewaltthätigkeiten. Um ſich ſelbſt gegen Untreue der Beamten des auswärtigen Reſſorts zu ſchützen, hat man in Wien zuweilen ſehr draſtiſche Mittel angewandt. Ich habe einmal ein geheimes öſtreichiſches Actenſtück in Händen gehabt, aus dem mir dieſer Satz erinnerlich geblieben iſt: „Kaunitz ne ſachant pas démêler, lequel de ses quatre commis l'avait trahi, les fit noyer tous les quatre dans le Danube moyennant un bateau à soupape.“ Vom Erſäufen war auch die Rede in einer ſcherzenden Unter¬ haltung, die ich 1853 oder 1854 mit dem ruſſiſchen Geſandten in Berlin, Baron von Budberg, hatte. Ich erwähnte, daß ich einen Beamten im Verdacht hätte, bei den ihm aufgetragnen Geſchäften das Intereſſe eines andern Staates zu vertreten. Budberg ſagte: „Wenn der Mann Ihnen unbequem iſt, ſo ſchicken Sie ihn nur einmal bis an das Aegäiſche Meer, dort haben wir Mittel, ihn verſchwinden zu laſſen“ — und fuhr auf meine etwas ängſtliche Frage: „Sie wollen ihn doch nicht erſäufen?“ lachend fort: „Nein, er würde im Innern Rußlands verſchwinden, und da er anſtellig zu ſein ſcheint, ſpäter als zufriedner ruſſiſcher Beamter wieder zum Vorſchein kommen.“ IV. In der erſten Hälfte des Juni 1859 machte ich einen kurzen Ausflug nach Moskau. Bei dieſem Beſuche der alten Hauptſtadt, der in die Zeit des italieniſchen Krieges fiel, war ich Zeuge einer merkwürdigen Probe von dem damaligen Haſſe der Ruſſen gegen Oeſtreich. Während der Gouverneur Fürſt Dolgoruki mich in einer Bibliothek umherführte, bemerkte ich auf der Bruſt eines ſubalternen Beamten unter vielen militäriſchen Decorationen auch das eiſerne Kreuz. Auf meine Frage nach dem Erwerb deſſelben nannte er die Schlacht von Kulm, nach welcher Friedrich Wilhelm III. eine Anzahl etwas abweichend geſtalteter eiſerner Kreuze an ruſſiſche Soldaten hatte vertheilen laſſen, das ſogenannte Kulmer Kreuz.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/258>, abgerufen am 22.11.2024.