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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.

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Briefwechsel mit Roon über den Eintritt ins Ministerium.
liche Geschäfte beruhigt die Nerven nicht. Ich ging meiner Ansicht
nach auf 10 bis 14 Tage her, und bin nun 7 Wochen hier, ohne
je zu wissen, ob ich in 24 Stunden noch hier wohne. Ich will mich
dem Könige nicht aufdrängen, indem ich in Berlin vor Anker liege,
und gehe nicht nach Hause, weil ich fürchte, auf der Durchreise
durch Berlin im Gasthof auf unbestimmte Zeit angenagelt zu werden.
Aus Bernstorffs Brief 1)ersehe ich, daß es dem Könige vor der Hand
nicht gefällt, mir das Auswärtige zu übertragen, und daß Se. Ma¬
jestät sich noch nicht über die Frage schlüssig gemacht hat, ob ich
an Hohenlohes Stelle treten soll, diese Frage aber auch nicht durch
Ertheilung eines Urlaubs auf 6 Wochen negativ präjudiciren will.
Der König ist, wie mir Bernstorff schreibt, zweifelhaft, ob ich
während der gegenwärtigen Session nützlich sein könne und ob
nicht meine Berufung, wenn sie überhaupt erfolgt, zum Winter
aufzuschieben sei. Unter diesen Umständen wiederhole ich heut
mein Gesuch um 6 Wochen Urlaub2), was ich mir wie folgt moti¬
vire. Einmal bin ich wirklich einer körperlichen Stärkung durch
Berg- und Seeluft bedürftig; wenn ich in die Galeere eintreten
soll, so muß ich etwas Gesundheitsvorrath sammeln, und Paris ist
mir bis jetzt schlecht bekommen mit dem Hunde-Bummel-Leben als
Garcon. Zweitens muß der König Zeit haben, sich ruhig aus
eigner Bewegung zu entschließen, sonst macht Se. Majestät für die
Folgen die verantwortlich, die ihn drängen. Drittens will Bern¬
storff jetzt nicht abgehn, der König hat ihn wiederholt aufgefordert
zu bleiben, und erklärt, daß er mit mir wegen des Auswärtigen
garnicht gesprochen habe; die Stellung als Minister ohne Porte¬
feuille finde ich aber nicht haltbar. Viertens kann mein Eintritt,
der jetzt zwecklos und beiläufig erscheinen würde, in einem spätern
Moment als eindrucksvolles Manöver verwerthet werden.

Ich denke mir, daß das Ministerium allen Streichungen im

1) Vom 12. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 155 f.
2) Brief an Bernstorff vom 15. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 156 ff.

Briefwechſel mit Roon über den Eintritt ins Miniſterium.
liche Geſchäfte beruhigt die Nerven nicht. Ich ging meiner Anſicht
nach auf 10 bis 14 Tage her, und bin nun 7 Wochen hier, ohne
je zu wiſſen, ob ich in 24 Stunden noch hier wohne. Ich will mich
dem Könige nicht aufdrängen, indem ich in Berlin vor Anker liege,
und gehe nicht nach Hauſe, weil ich fürchte, auf der Durchreiſe
durch Berlin im Gaſthof auf unbeſtimmte Zeit angenagelt zu werden.
Aus Bernſtorffs Brief 1)erſehe ich, daß es dem Könige vor der Hand
nicht gefällt, mir das Auswärtige zu übertragen, und daß Se. Ma¬
jeſtät ſich noch nicht über die Frage ſchlüſſig gemacht hat, ob ich
an Hohenlohes Stelle treten ſoll, dieſe Frage aber auch nicht durch
Ertheilung eines Urlaubs auf 6 Wochen negativ präjudiciren will.
Der König iſt, wie mir Bernſtorff ſchreibt, zweifelhaft, ob ich
während der gegenwärtigen Seſſion nützlich ſein könne und ob
nicht meine Berufung, wenn ſie überhaupt erfolgt, zum Winter
aufzuſchieben ſei. Unter dieſen Umſtänden wiederhole ich heut
mein Geſuch um 6 Wochen Urlaub2), was ich mir wie folgt moti¬
vire. Einmal bin ich wirklich einer körperlichen Stärkung durch
Berg- und Seeluft bedürftig; wenn ich in die Galeere eintreten
ſoll, ſo muß ich etwas Geſundheitsvorrath ſammeln, und Paris iſt
mir bis jetzt ſchlecht bekommen mit dem Hunde-Bummel-Leben als
Garçon. Zweitens muß der König Zeit haben, ſich ruhig aus
eigner Bewegung zu entſchließen, ſonſt macht Se. Majeſtät für die
Folgen die verantwortlich, die ihn drängen. Drittens will Bern¬
ſtorff jetzt nicht abgehn, der König hat ihn wiederholt aufgefordert
zu bleiben, und erklärt, daß er mit mir wegen des Auswärtigen
garnicht geſprochen habe; die Stellung als Miniſter ohne Porte¬
feuille finde ich aber nicht haltbar. Viertens kann mein Eintritt,
der jetzt zwecklos und beiläufig erſcheinen würde, in einem ſpätern
Moment als eindrucksvolles Manöver verwerthet werden.

Ich denke mir, daß das Miniſterium allen Streichungen im

1) Vom 12. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 155 f.
2) Brief an Bernſtorff vom 15. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 156 ff.
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[259/0286] Briefwechſel mit Roon über den Eintritt ins Miniſterium. liche Geſchäfte beruhigt die Nerven nicht. Ich ging meiner Anſicht nach auf 10 bis 14 Tage her, und bin nun 7 Wochen hier, ohne je zu wiſſen, ob ich in 24 Stunden noch hier wohne. Ich will mich dem Könige nicht aufdrängen, indem ich in Berlin vor Anker liege, und gehe nicht nach Hauſe, weil ich fürchte, auf der Durchreiſe durch Berlin im Gaſthof auf unbeſtimmte Zeit angenagelt zu werden. Aus Bernſtorffs Brief 1)erſehe ich, daß es dem Könige vor der Hand nicht gefällt, mir das Auswärtige zu übertragen, und daß Se. Ma¬ jeſtät ſich noch nicht über die Frage ſchlüſſig gemacht hat, ob ich an Hohenlohes Stelle treten ſoll, dieſe Frage aber auch nicht durch Ertheilung eines Urlaubs auf 6 Wochen negativ präjudiciren will. Der König iſt, wie mir Bernſtorff ſchreibt, zweifelhaft, ob ich während der gegenwärtigen Seſſion nützlich ſein könne und ob nicht meine Berufung, wenn ſie überhaupt erfolgt, zum Winter aufzuſchieben ſei. Unter dieſen Umſtänden wiederhole ich heut mein Geſuch um 6 Wochen Urlaub 2), was ich mir wie folgt moti¬ vire. Einmal bin ich wirklich einer körperlichen Stärkung durch Berg- und Seeluft bedürftig; wenn ich in die Galeere eintreten ſoll, ſo muß ich etwas Geſundheitsvorrath ſammeln, und Paris iſt mir bis jetzt ſchlecht bekommen mit dem Hunde-Bummel-Leben als Garçon. Zweitens muß der König Zeit haben, ſich ruhig aus eigner Bewegung zu entſchließen, ſonſt macht Se. Majeſtät für die Folgen die verantwortlich, die ihn drängen. Drittens will Bern¬ ſtorff jetzt nicht abgehn, der König hat ihn wiederholt aufgefordert zu bleiben, und erklärt, daß er mit mir wegen des Auswärtigen garnicht geſprochen habe; die Stellung als Miniſter ohne Porte¬ feuille finde ich aber nicht haltbar. Viertens kann mein Eintritt, der jetzt zwecklos und beiläufig erſcheinen würde, in einem ſpätern Moment als eindrucksvolles Manöver verwerthet werden. Ich denke mir, daß das Miniſterium allen Streichungen im 1) Vom 12. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 155 f. 2) Brief an Bernſtorff vom 15. Juli, Bismarck-Jahrbuch VI 156 ff.

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen01_1898/286>, abgerufen am 22.11.2024.