Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Elftes Kapitel: Zwischenzustand. Militäretat ruhig und deutlich opponirt, aber keine Krisis über die¬selben herbeiführt, sondern die Kammer das Budget vollständig durchberathen läßt. Das wird, wie ich annehme, im September geschehn sein. Dann geht das Budget, von dem ich voraussetze, daß es für die Regirung nicht annehmbar ist, an das Herrenhaus, falls man sicher ist, daß die verstümmelte Budget-Vorlage dort abgelehnt wird. Dann, oder andernfalls schon vor der Berathung im Herrenhause, könnte man es, mit einer Königlichen Botschaft, welche mit sachlicher Motivirung die Zustimmung der Krone zu einem derartigen Budgetgesetz verweigert, an die Abgeordneten zurückgeben, mit der Aufforderung zu neuer Berathung. Eine 30tägige Vertagung des Landtages würde vielleicht an diesem Punkte, oder schon früher, einzuschalten sein. Je länger sich die Sache hinzieht, desto mehr sinkt die Kammer in der öffentlichen Achtung, da sie den Fehler begangen hat und noch weiter begehn wird, sich in alberne Kleinigkeiten zu verbeißen, und da sie keinen Redner hat, der nicht die Langeweile des Publikums vermehrte. Kann man sie dahin bringen, daß sie sich in solche Lappalie wie die Continuität des Herrenhauses verbeißt und darüber Krieg an¬ fängt und die Erledigung der eigentlichen Geschäfte verschleppt, so ist es ein großes Glück. Sie wird müde werden, hoffen, daß der Regirung der Athem ausgeht, und die Kreisrichter müssen mit den Kosten ihrer Stellvertretung geängstigt werden. Wenn sie mürbe wird, fühlt, daß sie das Land langweilt, dringend auf Concessionen Seitens der Regirung hofft, um aus der schiefen Stellung erlöst zu werden, dann ist m. E. der Moment gekommen, ihr durch meine Ernennung zu zeigen, daß man weit entfernt ist, den Kampf aufzugeben, sondern ihn mit frischen Kräften aufnimmt. Das Zeigen eines neuen Bataillons in der ministeriellen Schlachtordnung macht dann vielleicht einen Eindruck, der jetzt nicht erreicht würde; besonders wenn vorher etwas mit Redensarten von Octroyiren und Staatsstreicheln gerasselt ist, so hilft mir meine alte Reputation von leichtfertiger Gewaltthätigkeit, und man denkt ,nanu geht's Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand. Militäretat ruhig und deutlich opponirt, aber keine Kriſis über die¬ſelben herbeiführt, ſondern die Kammer das Budget vollſtändig durchberathen läßt. Das wird, wie ich annehme, im September geſchehn ſein. Dann geht das Budget, von dem ich vorausſetze, daß es für die Regirung nicht annehmbar iſt, an das Herrenhaus, falls man ſicher iſt, daß die verſtümmelte Budget-Vorlage dort abgelehnt wird. Dann, oder andernfalls ſchon vor der Berathung im Herrenhauſe, könnte man es, mit einer Königlichen Botſchaft, welche mit ſachlicher Motivirung die Zuſtimmung der Krone zu einem derartigen Budgetgeſetz verweigert, an die Abgeordneten zurückgeben, mit der Aufforderung zu neuer Berathung. Eine 30tägige Vertagung des Landtages würde vielleicht an dieſem Punkte, oder ſchon früher, einzuſchalten ſein. Je länger ſich die Sache hinzieht, deſto mehr ſinkt die Kammer in der öffentlichen Achtung, da ſie den Fehler begangen hat und noch weiter begehn wird, ſich in alberne Kleinigkeiten zu verbeißen, und da ſie keinen Redner hat, der nicht die Langeweile des Publikums vermehrte. Kann man ſie dahin bringen, daß ſie ſich in ſolche Lappalie wie die Continuität des Herrenhauſes verbeißt und darüber Krieg an¬ fängt und die Erledigung der eigentlichen Geſchäfte verſchleppt, ſo iſt es ein großes Glück. Sie wird müde werden, hoffen, daß der Regirung der Athem ausgeht, und die Kreisrichter müſſen mit den Koſten ihrer Stellvertretung geängſtigt werden. Wenn ſie mürbe wird, fühlt, daß ſie das Land langweilt, dringend auf Conceſſionen Seitens der Regirung hofft, um aus der ſchiefen Stellung erlöſt zu werden, dann iſt m. E. der Moment gekommen, ihr durch meine Ernennung zu zeigen, daß man weit entfernt iſt, den Kampf aufzugeben, ſondern ihn mit friſchen Kräften aufnimmt. Das Zeigen eines neuen Bataillons in der miniſteriellen Schlachtordnung macht dann vielleicht einen Eindruck, der jetzt nicht erreicht würde; beſonders wenn vorher etwas mit Redensarten von Octroyiren und Staatsſtreicheln geraſſelt iſt, ſo hilft mir meine alte Reputation von leichtfertiger Gewaltthätigkeit, und man denkt ‚nanu geht's <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0287" n="260"/><fw place="top" type="header">Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand.<lb/></fw> Militäretat ruhig und deutlich opponirt, aber keine Kriſis über die¬<lb/> ſelben herbeiführt, ſondern die Kammer das Budget vollſtändig<lb/> durchberathen läßt. Das wird, wie ich annehme, im September<lb/> geſchehn ſein. Dann geht das Budget, von dem ich vorausſetze,<lb/> daß es für die Regirung nicht annehmbar iſt, an das Herrenhaus,<lb/> falls man ſicher iſt, daß die verſtümmelte Budget-Vorlage dort<lb/> abgelehnt wird. 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Elftes Kapitel: Zwiſchenzuſtand.
Militäretat ruhig und deutlich opponirt, aber keine Kriſis über die¬
ſelben herbeiführt, ſondern die Kammer das Budget vollſtändig
durchberathen läßt. Das wird, wie ich annehme, im September
geſchehn ſein. Dann geht das Budget, von dem ich vorausſetze,
daß es für die Regirung nicht annehmbar iſt, an das Herrenhaus,
falls man ſicher iſt, daß die verſtümmelte Budget-Vorlage dort
abgelehnt wird. Dann, oder andernfalls ſchon vor der Berathung
im Herrenhauſe, könnte man es, mit einer Königlichen Botſchaft,
welche mit ſachlicher Motivirung die Zuſtimmung der Krone zu
einem derartigen Budgetgeſetz verweigert, an die Abgeordneten
zurückgeben, mit der Aufforderung zu neuer Berathung. Eine
30tägige Vertagung des Landtages würde vielleicht an dieſem
Punkte, oder ſchon früher, einzuſchalten ſein. Je länger ſich die
Sache hinzieht, deſto mehr ſinkt die Kammer in der öffentlichen
Achtung, da ſie den Fehler begangen hat und noch weiter begehn
wird, ſich in alberne Kleinigkeiten zu verbeißen, und da ſie keinen
Redner hat, der nicht die Langeweile des Publikums vermehrte.
Kann man ſie dahin bringen, daß ſie ſich in ſolche Lappalie wie
die Continuität des Herrenhauſes verbeißt und darüber Krieg an¬
fängt und die Erledigung der eigentlichen Geſchäfte verſchleppt, ſo
iſt es ein großes Glück. Sie wird müde werden, hoffen, daß der
Regirung der Athem ausgeht, und die Kreisrichter müſſen mit den
Koſten ihrer Stellvertretung geängſtigt werden. Wenn ſie mürbe
wird, fühlt, daß ſie das Land langweilt, dringend auf Conceſſionen
Seitens der Regirung hofft, um aus der ſchiefen Stellung erlöſt
zu werden, dann iſt m. E. der Moment gekommen, ihr durch
meine Ernennung zu zeigen, daß man weit entfernt iſt, den Kampf
aufzugeben, ſondern ihn mit friſchen Kräften aufnimmt. Das
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macht dann vielleicht einen Eindruck, der jetzt nicht erreicht würde;
beſonders wenn vorher etwas mit Redensarten von Octroyiren und
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