Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Die Reichenbacher Convention. Versäumte Gelegenheiten. Rußlands in der Richtung auf den Orient zu unterstützen, aber alsKaufpreis dafür materielle Concessionen zu verlangen, sei es auch nur auf dem Gebiet der polnischen Frage, an welcher man damals Geschmack fand, und mit Recht, so lange man Danzig und Thorn nicht besaß und an die deutsche Frage noch nicht dachte. An der Spitze von 100000 oder mehr schlagfertigen Soldaten mit der Drohung, sie nöthigenfalls in Thätigkeit zu setzen und den Krieg gegen Frankreich Oestreich allein zu überlassen, würde die preußische Politik in der damaligen Situation immer Besseres haben erreichen können, als den diplomatischen Triumph von Reichenbach. Man findet, daß die Geschichte des Hauses Oestreich seit Auch die Dienste, welche die preußische Politik der russischen bei Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 18
Die Reichenbacher Convention. Verſäumte Gelegenheiten. Rußlands in der Richtung auf den Orient zu unterſtützen, aber alsKaufpreis dafür materielle Conceſſionen zu verlangen, ſei es auch nur auf dem Gebiet der polniſchen Frage, an welcher man damals Geſchmack fand, und mit Recht, ſo lange man Danzig und Thorn nicht beſaß und an die deutſche Frage noch nicht dachte. An der Spitze von 100000 oder mehr ſchlagfertigen Soldaten mit der Drohung, ſie nöthigenfalls in Thätigkeit zu ſetzen und den Krieg gegen Frankreich Oeſtreich allein zu überlaſſen, würde die preußiſche Politik in der damaligen Situation immer Beſſeres haben erreichen können, als den diplomatiſchen Triumph von Reichenbach. Man findet, daß die Geſchichte des Hauſes Oeſtreich ſeit Auch die Dienſte, welche die preußiſche Politik der ruſſiſchen bei Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 18
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Die Reichenbacher Convention. Verſäumte Gelegenheiten.
Rußlands in der Richtung auf den Orient zu unterſtützen, aber als
Kaufpreis dafür materielle Conceſſionen zu verlangen, ſei es auch
nur auf dem Gebiet der polniſchen Frage, an welcher man damals
Geſchmack fand, und mit Recht, ſo lange man Danzig und Thorn
nicht beſaß und an die deutſche Frage noch nicht dachte. An der
Spitze von 100000 oder mehr ſchlagfertigen Soldaten mit der
Drohung, ſie nöthigenfalls in Thätigkeit zu ſetzen und den
Krieg gegen Frankreich Oeſtreich allein zu überlaſſen, würde die
preußiſche Politik in der damaligen Situation immer Beſſeres
haben erreichen können, als den diplomatiſchen Triumph von
Reichenbach.
Man findet, daß die Geſchichte des Hauſes Oeſtreich ſeit
Karl V. eine Reihe verſäumter Gelegenheiten zeigt, für welche man
in den meiſten Fällen die jedesmaligen Beichtväter der regirenden
Herrn verantwortlich macht; aber die Geſchichte Preußens, allein
innerhalb der letzten 100 Jahre, iſt nicht weniger reich an ſolchen
Verſäumniſſen. Wenn die Gelegenheit zur Zeit der Reichenbacher
Convention richtig benutzt, keinen befriedigenden, aber doch immer
einen Fortſchritt in der Laufbahn Preußens gebracht haben könnte,
ſo war eine Evolution in größerm Stile ſchon 1805 möglich, wo die
preußiſche Politik beſſer militäriſch als diplomatiſch gegen Frankreich,
für Oeſtreich und Rußland hätte eingeſetzt werden können, aber
nicht gratis. Die Bedingungen, unter denen man den Beiſtand leiſten
oder geleiſtet haben ſollte, konnte nicht ein Miniſter wie Haugwitz,
ſondern nur ein Feldherr, an der Spitze von 150000 Mann in
Böhmen oder Baiern, durchſetzen. Was 1806 post festum ge¬
ſchah, konnte 1805 von entſcheidender Wirkung ſein. Was in
Oeſtreich die Beichtväter, das haben in Preußen Cabinetsräthe
und ehrliche aber beſchränkte General-Adjutanten an verſäumten
Gelegenheiten zu Stande gebracht.
Auch die Dienſte, welche die preußiſche Politik der ruſſiſchen bei
dem Frieden von Adrianopel 1829 und bei Unterdrückung des pol¬
niſchen Aufſtandes 1831 erwieſen hat, gratis zu leiſten, lag um ſo
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 18
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