Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 1. Stuttgart, 1898.Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. gewahrt, die Gefahr eines Bruches zwischen Oestreich und Rußlandist beseitigt und unsre Beziehungen zu beiden befreundeten Nach¬ barreichen sind erhalten und befestigt. Namentlich freue ich mich, daß es gelungen ist, das noch junge Vertrauen Oestreichs zu unsrer Politik im Cabinet wie in der Bevölkerung des Kaiser¬ staates wesentlich zu kräftigen. Ich darf von der Allerhöchsten Billi¬ gung Eurer Majestät überzeugt sein, wenn ich auch ferner bemüht bin, die auswärtige Politik des Reiches in der vorbezeichneten Richtung zu erhalten, und dementsprechend bei der Pforte und ander¬ weit gegenwärtig dahin zu wirken, daß die schwierige Aufgabe, die Oestreich, allerdings etwas spät, übernommen hat, durch diplo¬ matischen Beistand nach Möglichkeit erleichtert werde. Schwieriger sind die augenblicklichen Aufgaben der innern Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern. gewahrt, die Gefahr eines Bruches zwiſchen Oeſtreich und Rußlandiſt beſeitigt und unſre Beziehungen zu beiden befreundeten Nach¬ barreichen ſind erhalten und befeſtigt. Namentlich freue ich mich, daß es gelungen iſt, das noch junge Vertrauen Oeſtreichs zu unſrer Politik im Cabinet wie in der Bevölkerung des Kaiſer¬ ſtaates weſentlich zu kräftigen. Ich darf von der Allerhöchſten Billi¬ gung Eurer Majeſtät überzeugt ſein, wenn ich auch ferner bemüht bin, die auswärtige Politik des Reiches in der vorbezeichneten Richtung zu erhalten, und dementſprechend bei der Pforte und ander¬ weit gegenwärtig dahin zu wirken, daß die ſchwierige Aufgabe, die Oeſtreich, allerdings etwas ſpät, übernommen hat, durch diplo¬ matiſchen Beiſtand nach Möglichkeit erleichtert werde. Schwieriger ſind die augenblicklichen Aufgaben der innern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0391" n="364"/><fw place="top" type="header">Achtzehntes Kapitel: König Ludwig <hi rendition="#aq">II</hi>. von Baiern.<lb/></fw> gewahrt, die Gefahr eines Bruches zwiſchen Oeſtreich und Rußland<lb/> iſt beſeitigt und unſre Beziehungen zu beiden befreundeten Nach¬<lb/> barreichen ſind erhalten und befeſtigt. Namentlich freue ich mich,<lb/> daß es gelungen iſt, das noch junge Vertrauen Oeſtreichs zu<lb/> unſrer Politik im Cabinet wie in der Bevölkerung des Kaiſer¬<lb/> ſtaates weſentlich zu kräftigen. Ich darf von der Allerhöchſten Billi¬<lb/> gung Eurer Majeſtät überzeugt ſein, wenn ich auch ferner bemüht<lb/> bin, die auswärtige Politik des Reiches in der vorbezeichneten<lb/> Richtung zu erhalten, und dementſprechend bei der Pforte und ander¬<lb/> weit gegenwärtig dahin zu wirken, daß die ſchwierige Aufgabe, die<lb/> Oeſtreich, allerdings etwas ſpät, übernommen hat, durch diplo¬<lb/> matiſchen Beiſtand nach Möglichkeit erleichtert werde.</p><lb/> <p>Schwieriger ſind die augenblicklichen Aufgaben der innern<lb/> Politik. Meine Verhandlungen mit dem Nuntius ruhn ſeit dem<lb/> Tode des Cardinals Franchi vollſtändig, in Erwartung von In¬<lb/> ſtructionen aus Rom. Diejenigen, welche der Erzbiſchof von Neo¬<lb/> cäſarea mitbrachte, verlangten Herſtellung des <hi rendition="#aq">status quo ante</hi><lb/> 1870 in Preußen, factiſch, wenn nicht vertragsmäßig. Derartige<lb/> prinzipielle Conceſſionen ſind beiderſeits unmöglich. Der Papſt<lb/> beſitzt die Mittel nicht, durch welche er uns die nöthigen Gegen¬<lb/> leiſtungen machen könnte; die Centrumspartei, die ſtaatsfeindliche<lb/> Preſſe, die polniſche Agitation, gehorchen dem Papſte nicht, auch<lb/> wenn Seine Heiligkeit dieſen Elementen befehlen wollte, die Re¬<lb/> girung zu unterſtützen. Die im Centrum vereinten Kräfte fechten<lb/> zwar jetzt unter päpſtlicher Flagge, ſind aber <hi rendition="#g">an ſich</hi> ſtaatsfeind¬<lb/> lich, auch wenn die Flagge der Katholicität aufhörte ſie zu decken;<lb/> ihr Zuſammenhang mit der Fortſchrittspartei und den Socialiſten<lb/> auf der Baſis der Feindſchaft gegen den Staat iſt von dem<lb/> Kirchenſtreit unabhängig. In Preußen wenigſtens waren die Wahl¬<lb/> kreiſe, in denen das Centrum ſich ergänzt, auch <hi rendition="#g">vor</hi> dem Kirchen¬<lb/> ſtreite oppoſitionell, aus demokratiſcher Geſinnung, bis auf den<lb/> Adel in Weſtfalen und Oberſchleſien, der unter der Leitung der<lb/> Jeſuiten ſteht und von dieſen abſichtlich ſchlecht erzogen wird.<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [364/0391]
Achtzehntes Kapitel: König Ludwig II. von Baiern.
gewahrt, die Gefahr eines Bruches zwiſchen Oeſtreich und Rußland
iſt beſeitigt und unſre Beziehungen zu beiden befreundeten Nach¬
barreichen ſind erhalten und befeſtigt. Namentlich freue ich mich,
daß es gelungen iſt, das noch junge Vertrauen Oeſtreichs zu
unſrer Politik im Cabinet wie in der Bevölkerung des Kaiſer¬
ſtaates weſentlich zu kräftigen. Ich darf von der Allerhöchſten Billi¬
gung Eurer Majeſtät überzeugt ſein, wenn ich auch ferner bemüht
bin, die auswärtige Politik des Reiches in der vorbezeichneten
Richtung zu erhalten, und dementſprechend bei der Pforte und ander¬
weit gegenwärtig dahin zu wirken, daß die ſchwierige Aufgabe, die
Oeſtreich, allerdings etwas ſpät, übernommen hat, durch diplo¬
matiſchen Beiſtand nach Möglichkeit erleichtert werde.
Schwieriger ſind die augenblicklichen Aufgaben der innern
Politik. Meine Verhandlungen mit dem Nuntius ruhn ſeit dem
Tode des Cardinals Franchi vollſtändig, in Erwartung von In¬
ſtructionen aus Rom. Diejenigen, welche der Erzbiſchof von Neo¬
cäſarea mitbrachte, verlangten Herſtellung des status quo ante
1870 in Preußen, factiſch, wenn nicht vertragsmäßig. Derartige
prinzipielle Conceſſionen ſind beiderſeits unmöglich. Der Papſt
beſitzt die Mittel nicht, durch welche er uns die nöthigen Gegen¬
leiſtungen machen könnte; die Centrumspartei, die ſtaatsfeindliche
Preſſe, die polniſche Agitation, gehorchen dem Papſte nicht, auch
wenn Seine Heiligkeit dieſen Elementen befehlen wollte, die Re¬
girung zu unterſtützen. Die im Centrum vereinten Kräfte fechten
zwar jetzt unter päpſtlicher Flagge, ſind aber an ſich ſtaatsfeind¬
lich, auch wenn die Flagge der Katholicität aufhörte ſie zu decken;
ihr Zuſammenhang mit der Fortſchrittspartei und den Socialiſten
auf der Baſis der Feindſchaft gegen den Staat iſt von dem
Kirchenſtreit unabhängig. In Preußen wenigſtens waren die Wahl¬
kreiſe, in denen das Centrum ſich ergänzt, auch vor dem Kirchen¬
ſtreite oppoſitionell, aus demokratiſcher Geſinnung, bis auf den
Adel in Weſtfalen und Oberſchleſien, der unter der Leitung der
Jeſuiten ſteht und von dieſen abſichtlich ſchlecht erzogen wird.
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