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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

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Graf Harry Arnim.
mit steigender Siegeszuversicht angriff, war damals die "Spener'sche
Zeitung", die, im Absterben begriffen, ihm käuflich war. In der¬
selben ließ er Andeutungen machen, als ob er allein ein Mittel
wisse, den Kampf mit Rom siegreich zu Ende zu führen, und daß
nur mein unberechtigter Ehrgeiz einen überlegnen Staatsmann
wie er sei, nicht an's Ruder kommen lasse. Gegen mich hat er sich
über dieses Arcanum nicht ausgesprochen. Dasselbe bestand in dem
von einzelnen Canonisten vertretenen Gedanken, daß die römisch-
katholische Kirche durch die Beschlüsse des Vaticanums ihre Natur
verändert habe, ein andres Rechtssubject geworden sei und die in
ihrem frühern Dasein erworbenen Eigenthums- und Vertragsrechte
verloren habe. Ich habe dieses Mittel früher als er erwogen, glaube
aber nicht, daß es eine stärkere Wirkung auf den Austrag des
Streites geübt haben würde, als die Gründung der altkatholischen
Kirche es vermochte, deren Berechtigung logisch und juristisch noch
einleuchtender und gerechtfertigter war, als es die angerathne Los¬
sagung der Preußischen Regirung von ihren Beziehungen zur
römischen Kirche gewesen sein würde. Die Zahl der Altkatholiken
giebt das Maß für die Wirkung, welche dieser Schachzug auf den
Bestand der Anhänger des Papstes und des Neokatholicismus
geübt haben würde. Noch weniger versprach ich mir von dem
Vorschlage, den Graf Arnim in einem der veröffentlichten Berichte
gemacht hat, die preußische Regirung möge "Oratores" zur Erörte¬
rung der dogmatischen Fragen in das Concil schicken. Ich ver¬
muthe, daß er darauf durch den Titelkopf der von Paolo Sarpi
verfaßten Geschichte des Tridentiner Concils gekommen ist, auf dem
die Versammlung abgebildet ist und zwei, an einem besondern
Tische sitzende Personen als Oratores Caesareae Majestatis be¬
zeichnet sind. Ist meine Vermuthung richtig, so hat Graf Arnim
wissen müssen, daß "orator" in der clericalen Latinität jener Zeit
der Ausdruck für Gesandter ist.

In dem Gerichtsverfahren gegen ihn verfolgte ich nur den
Zweck, die von mir dienstlich gestellte, von Arnim definitiv

Graf Harry Arnim.
mit ſteigender Siegeszuverſicht angriff, war damals die „Spener'ſche
Zeitung“, die, im Abſterben begriffen, ihm käuflich war. In der¬
ſelben ließ er Andeutungen machen, als ob er allein ein Mittel
wiſſe, den Kampf mit Rom ſiegreich zu Ende zu führen, und daß
nur mein unberechtigter Ehrgeiz einen überlegnen Staatsmann
wie er ſei, nicht an's Ruder kommen laſſe. Gegen mich hat er ſich
über dieſes Arcanum nicht ausgeſprochen. Daſſelbe beſtand in dem
von einzelnen Canoniſten vertretenen Gedanken, daß die römiſch-
katholiſche Kirche durch die Beſchlüſſe des Vaticanums ihre Natur
verändert habe, ein andres Rechtsſubject geworden ſei und die in
ihrem frühern Daſein erworbenen Eigenthums- und Vertragsrechte
verloren habe. Ich habe dieſes Mittel früher als er erwogen, glaube
aber nicht, daß es eine ſtärkere Wirkung auf den Austrag des
Streites geübt haben würde, als die Gründung der altkatholiſchen
Kirche es vermochte, deren Berechtigung logiſch und juriſtiſch noch
einleuchtender und gerechtfertigter war, als es die angerathne Los¬
ſagung der Preußiſchen Regirung von ihren Beziehungen zur
römiſchen Kirche geweſen ſein würde. Die Zahl der Altkatholiken
giebt das Maß für die Wirkung, welche dieſer Schachzug auf den
Beſtand der Anhänger des Papſtes und des Neokatholicismus
geübt haben würde. Noch weniger verſprach ich mir von dem
Vorſchlage, den Graf Arnim in einem der veröffentlichten Berichte
gemacht hat, die preußiſche Regirung möge „Oratores“ zur Erörte¬
rung der dogmatiſchen Fragen in das Concil ſchicken. Ich ver¬
muthe, daß er darauf durch den Titelkopf der von Paolo Sarpi
verfaßten Geſchichte des Tridentiner Concils gekommen iſt, auf dem
die Verſammlung abgebildet iſt und zwei, an einem beſondern
Tiſche ſitzende Perſonen als Oratores Caesareae Majestatis be¬
zeichnet ſind. Iſt meine Vermuthung richtig, ſo hat Graf Arnim
wiſſen müſſen, daß „orator“ in der clericalen Latinität jener Zeit
der Ausdruck für Geſandter iſt.

In dem Gerichtsverfahren gegen ihn verfolgte ich nur den
Zweck, die von mir dienſtlich geſtellte, von Arnim definitiv

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[165/0189] Graf Harry Arnim. mit ſteigender Siegeszuverſicht angriff, war damals die „Spener'ſche Zeitung“, die, im Abſterben begriffen, ihm käuflich war. In der¬ ſelben ließ er Andeutungen machen, als ob er allein ein Mittel wiſſe, den Kampf mit Rom ſiegreich zu Ende zu führen, und daß nur mein unberechtigter Ehrgeiz einen überlegnen Staatsmann wie er ſei, nicht an's Ruder kommen laſſe. Gegen mich hat er ſich über dieſes Arcanum nicht ausgeſprochen. Daſſelbe beſtand in dem von einzelnen Canoniſten vertretenen Gedanken, daß die römiſch- katholiſche Kirche durch die Beſchlüſſe des Vaticanums ihre Natur verändert habe, ein andres Rechtsſubject geworden ſei und die in ihrem frühern Daſein erworbenen Eigenthums- und Vertragsrechte verloren habe. Ich habe dieſes Mittel früher als er erwogen, glaube aber nicht, daß es eine ſtärkere Wirkung auf den Austrag des Streites geübt haben würde, als die Gründung der altkatholiſchen Kirche es vermochte, deren Berechtigung logiſch und juriſtiſch noch einleuchtender und gerechtfertigter war, als es die angerathne Los¬ ſagung der Preußiſchen Regirung von ihren Beziehungen zur römiſchen Kirche geweſen ſein würde. Die Zahl der Altkatholiken giebt das Maß für die Wirkung, welche dieſer Schachzug auf den Beſtand der Anhänger des Papſtes und des Neokatholicismus geübt haben würde. Noch weniger verſprach ich mir von dem Vorſchlage, den Graf Arnim in einem der veröffentlichten Berichte gemacht hat, die preußiſche Regirung möge „Oratores“ zur Erörte¬ rung der dogmatiſchen Fragen in das Concil ſchicken. Ich ver¬ muthe, daß er darauf durch den Titelkopf der von Paolo Sarpi verfaßten Geſchichte des Tridentiner Concils gekommen iſt, auf dem die Verſammlung abgebildet iſt und zwei, an einem beſondern Tiſche ſitzende Perſonen als Oratores Caesareae Majestatis be¬ zeichnet ſind. Iſt meine Vermuthung richtig, ſo hat Graf Arnim wiſſen müſſen, daß „orator“ in der clericalen Latinität jener Zeit der Ausdruck für Geſandter iſt. In dem Gerichtsverfahren gegen ihn verfolgte ich nur den Zweck, die von mir dienſtlich geſtellte, von Arnim definitiv

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Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/189>, abgerufen am 23.11.2024.