Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Friedlicher Charakter der deutschen Politik. politischen Fragen mit entscheidender Autorität behandelten, zwarnicht die constitutionelle Garantie einer ministeriellen Gegenzeich¬ nung, aber doch das Correctiv ministerieller Mitwirkung, voraus¬ gesetzt, daß sich der Allerhöchste Briefsteller genau an das Concept hielt. Darüber erhielt der Verfasser des letztern allerdings keine Sicherheit, da die Reinschrift garnicht oder doch nur versiegelt in seine Hände kam. Wie weit verzweigt die Gontaut-Gortschakow'sche Intrige ge¬ "Eurer Majestät huldreiches Schreiben vom 8. d. M. aus Gastein 1) Bismarck-Jahrbuch IV 35 ff. Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 12
Friedlicher Charakter der deutſchen Politik. politiſchen Fragen mit entſcheidender Autorität behandelten, zwarnicht die conſtitutionelle Garantie einer miniſteriellen Gegenzeich¬ nung, aber doch das Correctiv miniſterieller Mitwirkung, voraus¬ geſetzt, daß ſich der Allerhöchſte Briefſteller genau an das Concept hielt. Darüber erhielt der Verfaſſer des letztern allerdings keine Sicherheit, da die Reinſchrift garnicht oder doch nur verſiegelt in ſeine Hände kam. Wie weit verzweigt die Gontaut-Gortſchakow'ſche Intrige ge¬ „Eurer Majeſtät huldreiches Schreiben vom 8. d. M. aus Gaſtein 1) Bismarck-Jahrbuch IV 35 ff. Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 12
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Friedlicher Charakter der deutſchen Politik.
politiſchen Fragen mit entſcheidender Autorität behandelten, zwar
nicht die conſtitutionelle Garantie einer miniſteriellen Gegenzeich¬
nung, aber doch das Correctiv miniſterieller Mitwirkung, voraus¬
geſetzt, daß ſich der Allerhöchſte Briefſteller genau an das Concept
hielt. Darüber erhielt der Verfaſſer des letztern allerdings keine
Sicherheit, da die Reinſchrift garnicht oder doch nur verſiegelt in
ſeine Hände kam.
Wie weit verzweigt die Gontaut-Gortſchakow'ſche Intrige ge¬
weſen war, ergiebt folgendes Schreiben, das ich am 13. Auguſt 1875
aus Varzin an den Kaiſer richtete 1):
„Eurer Majeſtät huldreiches Schreiben vom 8. d. M. aus Gaſtein
habe ich mit ehrfurchtsvollem Danke erhalten und mich vor Allem
gefreut, daß Eurer Majeſtät die Kur gut bekommen iſt, trotz alles
ſchlechten Wetters in den Alpen. Den Brief der Königin Victoria
beehre ich mich wieder beizufügen; es wäre ſehr intereſſant geweſen,
wenn Ihre Majeſtät ſich genauer über den Urſprung der damaligen
Kriegsgerüchte ausgelaſſen hätte. Die Quellen müſſen der hohen Frau
doch für ſehr ſicher gegolten haben, ſonſt würde Ihre Majeſtät ſich
nicht von Neuem darauf berufen, und würde die engliſche Regirung
auch nicht ſo gewichtige und für uns ſo unfreundliche Schritte daran
geknüpft haben. Ich weiß nicht, ob Eure Majeſtät es für thunlich
halten, die Königin Victoria beim Worte zu nehmen, wenn Ihre
Majeſtät verſichert, es ſei Ihr ‚ein Leichtes nachzuweiſen, daß Ihre
Befürchtungen nicht übertrieben waren‘. Es wäre ſonſt wohl von
Wichtigkeit zu ermitteln, von welcher Seite her ſo ‚kräftige Irrthümer‘
nach Windſor haben befördert werden können. Die Andeutung über
Perſonen, welche als ‚Vertreter‘ der Regirung Eurer Majeſtät gelten
müſſen, ſcheint auf den Grafen Münſter zu zielen. Derſelbe kann
ja ſehr wohl gleich dem Grafen Moltke akademiſch von der Nütz¬
lichkeit eines rechtzeitigen Angriffs auf Frankreich geſprochen haben,
obſchon ich es nicht weiß und er niemals dazu beauftragt worden
1) Bismarck-Jahrbuch IV 35 ff.
Otto Fürſt von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. II. 12
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