Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.

Bild:
<< vorherige Seite

Sechsundzwanzigstes Kapitel: Intrigen.
amtlich bekannt gemacht wird, welche in der Oeffentlichkeit, ungeachtet
der in den Acten verbleibenden Versicherung des Gegentheils, das¬
jenige bekundet, was man im constitutionellen Sprachgebrauch Mangel
an Vertrauen des Monarchen zu seinen Ministern zu nennen pflegt.
Dagegen haben Minister natürlich kein andres Hülfsmittel, als
den Rücktritt aus ihrer Stellung. Unzweifelhaft trifft der vorliegende
Fall, soweit er diese Natur hat, mehr mich als meine Collegen.
Die letztern sind von der Reichsglocke und andern Blättern, in
denen die Tendenzen der Herrn von Gruner, von Schleinitz, Graf
Nesselrode, Nathusius-Ludom vertreten wurden, theils garnicht, theils
doch nicht in dem Maße wie ich öffentlich verleumdet worden.

Eine Begnadigung des Herrn von Nathusius, eine Auszeichnung
des Grafen Nesselrode und des Herrn von Gruner grade in der
Zeit, wo die Verleumdungen des Organs dieser Herrn gegen mich
die öffentliche Meinung und die Gerichte beschäftigten, wo der Zu¬
sammenhang jener Herrn mit diesen Blättern offenkundig wurde,
enthalten einen Act Königlichen Wohlwollens für Leute, die durch
weiter nichts bekannt sind, als durch ihre Feindschaft gegen die
Regirung und durch öffentliche Verletzung meiner Ehre. Letztre
aber sollte, so lange ich des Königs Diener bin, unter Sr. Majestät
Schutze stehn. Wird mir das Gegentheil dieses Schutzes zu Theil,
so liegt ein persönliches Motiv vor, welches mich viel gebieterischer
aus dem Dienste vertreibt, als die Rücksicht auf meine Gesundheit
es jemals könnte. Diese Entschließungsgründe liegen nur persön¬
lich für mich vor, werden aber je nach der Entwicklung der Sache
für die Möglichkeit meines Wiedereintritts in die Geschäfte ent¬
scheidend sein.

Meinen Herrn Collegen stelle ich ergebenst anheim, im In¬
teresse ihrer ministeriellen Zukunft dafür Sorge tragen zu wollen,
daß die amtliche Publication von Gruners Ernennung, wenn Se.
Majestät nicht überhaupt darauf verzichten will, doch in einer Form
stattfinde, aus der die Nichtcontrasignatur zweifellos ersichtlich ist.
Es würde dies in der oben vorgeschlagenen Dreitheilung der Er¬

Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen.
amtlich bekannt gemacht wird, welche in der Oeffentlichkeit, ungeachtet
der in den Acten verbleibenden Verſicherung des Gegentheils, das¬
jenige bekundet, was man im conſtitutionellen Sprachgebrauch Mangel
an Vertrauen des Monarchen zu ſeinen Miniſtern zu nennen pflegt.
Dagegen haben Miniſter natürlich kein andres Hülfsmittel, als
den Rücktritt aus ihrer Stellung. Unzweifelhaft trifft der vorliegende
Fall, ſoweit er dieſe Natur hat, mehr mich als meine Collegen.
Die letztern ſind von der Reichsglocke und andern Blättern, in
denen die Tendenzen der Herrn von Gruner, von Schleinitz, Graf
Neſſelrode, Nathuſius-Ludom vertreten wurden, theils garnicht, theils
doch nicht in dem Maße wie ich öffentlich verleumdet worden.

Eine Begnadigung des Herrn von Nathuſius, eine Auszeichnung
des Grafen Neſſelrode und des Herrn von Gruner grade in der
Zeit, wo die Verleumdungen des Organs dieſer Herrn gegen mich
die öffentliche Meinung und die Gerichte beſchäftigten, wo der Zu¬
ſammenhang jener Herrn mit dieſen Blättern offenkundig wurde,
enthalten einen Act Königlichen Wohlwollens für Leute, die durch
weiter nichts bekannt ſind, als durch ihre Feindſchaft gegen die
Regirung und durch öffentliche Verletzung meiner Ehre. Letztre
aber ſollte, ſo lange ich des Königs Diener bin, unter Sr. Majeſtät
Schutze ſtehn. Wird mir das Gegentheil dieſes Schutzes zu Theil,
ſo liegt ein perſönliches Motiv vor, welches mich viel gebieteriſcher
aus dem Dienſte vertreibt, als die Rückſicht auf meine Geſundheit
es jemals könnte. Dieſe Entſchließungsgründe liegen nur perſön¬
lich für mich vor, werden aber je nach der Entwicklung der Sache
für die Möglichkeit meines Wiedereintritts in die Geſchäfte ent¬
ſcheidend ſein.

Meinen Herrn Collegen ſtelle ich ergebenſt anheim, im In¬
tereſſe ihrer miniſteriellen Zukunft dafür Sorge tragen zu wollen,
daß die amtliche Publication von Gruners Ernennung, wenn Se.
Majeſtät nicht überhaupt darauf verzichten will, doch in einer Form
ſtattfinde, aus der die Nichtcontraſignatur zweifellos erſichtlich iſt.
Es würde dies in der oben vorgeſchlagenen Dreitheilung der Er¬

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0226" n="202"/><fw place="top" type="header">Sechsundzwanzig&#x017F;tes Kapitel: Intrigen.<lb/></fw> amtlich bekannt gemacht wird, welche in der Oeffentlichkeit, ungeachtet<lb/>
der in den Acten verbleibenden Ver&#x017F;icherung des Gegentheils, das¬<lb/>
jenige bekundet, was man im con&#x017F;titutionellen Sprachgebrauch Mangel<lb/>
an Vertrauen des Monarchen zu &#x017F;einen Mini&#x017F;tern zu nennen pflegt.<lb/>
Dagegen haben Mini&#x017F;ter natürlich kein andres Hülfsmittel, als<lb/>
den Rücktritt aus ihrer Stellung. Unzweifelhaft trifft der vorliegende<lb/>
Fall, &#x017F;oweit er die&#x017F;e Natur hat, mehr mich als meine Collegen.<lb/>
Die letztern &#x017F;ind von der Reichsglocke und andern Blättern, in<lb/>
denen die Tendenzen der Herrn von Gruner, von Schleinitz, Graf<lb/>
Ne&#x017F;&#x017F;elrode, Nathu&#x017F;ius-Ludom vertreten wurden, theils garnicht, theils<lb/>
doch nicht in dem Maße wie ich öffentlich verleumdet worden.</p><lb/>
          <p>Eine Begnadigung des Herrn von Nathu&#x017F;ius, eine Auszeichnung<lb/>
des Grafen Ne&#x017F;&#x017F;elrode und des Herrn von Gruner grade in der<lb/>
Zeit, wo die Verleumdungen des Organs die&#x017F;er Herrn gegen mich<lb/>
die öffentliche Meinung und die Gerichte be&#x017F;chäftigten, wo der Zu¬<lb/>
&#x017F;ammenhang jener Herrn mit die&#x017F;en Blättern offenkundig wurde,<lb/>
enthalten einen Act Königlichen Wohlwollens für Leute, die durch<lb/>
weiter nichts bekannt &#x017F;ind, als durch ihre Feind&#x017F;chaft gegen die<lb/>
Regirung und durch öffentliche Verletzung meiner Ehre. Letztre<lb/>
aber &#x017F;ollte, &#x017F;o lange ich des Königs Diener bin, unter Sr. Maje&#x017F;tät<lb/>
Schutze &#x017F;tehn. Wird mir das Gegentheil die&#x017F;es Schutzes zu Theil,<lb/>
&#x017F;o liegt ein per&#x017F;önliches Motiv vor, welches mich viel gebieteri&#x017F;cher<lb/>
aus dem Dien&#x017F;te vertreibt, als die Rück&#x017F;icht auf meine Ge&#x017F;undheit<lb/>
es jemals könnte. Die&#x017F;e Ent&#x017F;chließungsgründe liegen nur per&#x017F;ön¬<lb/>
lich für mich vor, werden aber je nach der Entwicklung der Sache<lb/>
für die Möglichkeit meines Wiedereintritts in die Ge&#x017F;chäfte ent¬<lb/>
&#x017F;cheidend &#x017F;ein.</p><lb/>
          <p>Meinen Herrn Collegen &#x017F;telle ich ergeben&#x017F;t anheim, im In¬<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e ihrer mini&#x017F;teriellen Zukunft dafür Sorge tragen zu wollen,<lb/>
daß die amtliche Publication von Gruners Ernennung, wenn Se.<lb/>
Maje&#x017F;tät nicht überhaupt darauf verzichten will, doch in einer Form<lb/>
&#x017F;tattfinde, aus der die <hi rendition="#g">Nicht</hi>contra&#x017F;ignatur zweifellos er&#x017F;ichtlich i&#x017F;t.<lb/>
Es würde dies in der oben vorge&#x017F;chlagenen Dreitheilung der Er¬<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[202/0226] Sechsundzwanzigſtes Kapitel: Intrigen. amtlich bekannt gemacht wird, welche in der Oeffentlichkeit, ungeachtet der in den Acten verbleibenden Verſicherung des Gegentheils, das¬ jenige bekundet, was man im conſtitutionellen Sprachgebrauch Mangel an Vertrauen des Monarchen zu ſeinen Miniſtern zu nennen pflegt. Dagegen haben Miniſter natürlich kein andres Hülfsmittel, als den Rücktritt aus ihrer Stellung. Unzweifelhaft trifft der vorliegende Fall, ſoweit er dieſe Natur hat, mehr mich als meine Collegen. Die letztern ſind von der Reichsglocke und andern Blättern, in denen die Tendenzen der Herrn von Gruner, von Schleinitz, Graf Neſſelrode, Nathuſius-Ludom vertreten wurden, theils garnicht, theils doch nicht in dem Maße wie ich öffentlich verleumdet worden. Eine Begnadigung des Herrn von Nathuſius, eine Auszeichnung des Grafen Neſſelrode und des Herrn von Gruner grade in der Zeit, wo die Verleumdungen des Organs dieſer Herrn gegen mich die öffentliche Meinung und die Gerichte beſchäftigten, wo der Zu¬ ſammenhang jener Herrn mit dieſen Blättern offenkundig wurde, enthalten einen Act Königlichen Wohlwollens für Leute, die durch weiter nichts bekannt ſind, als durch ihre Feindſchaft gegen die Regirung und durch öffentliche Verletzung meiner Ehre. Letztre aber ſollte, ſo lange ich des Königs Diener bin, unter Sr. Majeſtät Schutze ſtehn. Wird mir das Gegentheil dieſes Schutzes zu Theil, ſo liegt ein perſönliches Motiv vor, welches mich viel gebieteriſcher aus dem Dienſte vertreibt, als die Rückſicht auf meine Geſundheit es jemals könnte. Dieſe Entſchließungsgründe liegen nur perſön¬ lich für mich vor, werden aber je nach der Entwicklung der Sache für die Möglichkeit meines Wiedereintritts in die Geſchäfte ent¬ ſcheidend ſein. Meinen Herrn Collegen ſtelle ich ergebenſt anheim, im In¬ tereſſe ihrer miniſteriellen Zukunft dafür Sorge tragen zu wollen, daß die amtliche Publication von Gruners Ernennung, wenn Se. Majeſtät nicht überhaupt darauf verzichten will, doch in einer Form ſtattfinde, aus der die Nichtcontraſignatur zweifellos erſichtlich iſt. Es würde dies in der oben vorgeſchlagenen Dreitheilung der Er¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/226
Zitationshilfe: Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. 202. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/226>, abgerufen am 21.11.2024.