Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898.Neunundzwanzigstes Kapitel: Der Dreibund. hältniß zu Frankreich der gänzlichen Isolirung auf dem Continentausgesetzt. Nähme Oestreich aber bei Frankreich und England Fühlung, ähnlich wie 1854, so wäre Deutschland auf Rußland allein angewiesen und wenn es sich nicht isoliren wollte, an die wie ich fürchte fehlerhaften und gefährlichen Bahnen der russischen innern und äußern Politik gebunden. Zwingt uns Rußland, zwischen ihm und Oestreich zu optiren, Ich wage mich der Hoffnung hinzugeben, daß Eure Majestät Die Schwierigkeiten der Aufgabe, welche ich mir stelle, sind Wenn ich für meine Pflicht halte, meine Ansicht über die Lage Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund. hältniß zu Frankreich der gänzlichen Iſolirung auf dem Continentausgeſetzt. Nähme Oeſtreich aber bei Frankreich und England Fühlung, ähnlich wie 1854, ſo wäre Deutſchland auf Rußland allein angewieſen und wenn es ſich nicht iſoliren wollte, an die wie ich fürchte fehlerhaften und gefährlichen Bahnen der ruſſiſchen innern und äußern Politik gebunden. Zwingt uns Rußland, zwiſchen ihm und Oeſtreich zu optiren, Ich wage mich der Hoffnung hinzugeben, daß Eure Majeſtät Die Schwierigkeiten der Aufgabe, welche ich mir ſtelle, ſind Wenn ich für meine Pflicht halte, meine Anſicht über die Lage <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0266" n="242"/><fw place="top" type="header">Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund.<lb/></fw>hältniß zu Frankreich der gänzlichen Iſolirung auf dem Continent<lb/> ausgeſetzt. Nähme Oeſtreich aber bei Frankreich und England<lb/> Fühlung, ähnlich wie 1854, ſo wäre Deutſchland auf Rußland<lb/> allein angewieſen und wenn es ſich nicht iſoliren wollte, an die<lb/> wie ich fürchte fehlerhaften und gefährlichen Bahnen der ruſſiſchen<lb/> innern und äußern Politik gebunden.</p><lb/> <p>Zwingt uns Rußland, zwiſchen ihm und Oeſtreich zu optiren,<lb/> ſo glaube ich, daß Oeſtreich die conſervative und friedliebende<lb/> Richtung für uns anzeigen würde, Rußland aber eine unſichre.</p><lb/> <p>Ich wage mich der Hoffnung hinzugeben, daß Eure Majeſtät<lb/> nach Allerhöchſtdero mir bekannter politiſcher Auffaſſung meine vor¬<lb/> ſtehende Ueberzeugung theilen, und würde glücklich ſein, wenn ich<lb/> darüber vergewiſſert werden könnte.</p><lb/> <p>Die Schwierigkeiten der Aufgabe, welche ich mir ſtelle, ſind<lb/> an ſich groß, aber ſie werden noch weſentlich geſteigert durch die<lb/> Nothwendigkeit, eine ſo umfängliche und vielſeitige Angelegenheit<lb/> ſchriftlich von hier aus zu verhandeln, wo ich lediglich auf meine<lb/> eigne, durch die bisherige Ueberanſtrengung ganz unzulänglich ge¬<lb/> wordene Arbeitskraft reducirt bin. Ich habe aus Geſundheits¬<lb/> rückſichten meinen Aufenthalt hier ſchon verlängern müſſen, hoffe<lb/> aber nach dem 20. ds. M. meine Rückreiſe über Wien antreten zu<lb/> können. Wenn es bis dahin nicht gelingt, wenigſtens prinzipiell<lb/> zu einer Gewißheit zu gelangen, ſo wird, wie ich fürchte, die jetzt<lb/> günſtige Gelegenheit verſäumt ſein, und bei dem Rücktritt Andraſſys<lb/> läßt ſich nicht vorherſehn, ob ſie jemals wiederkehren wird.</p><lb/> <p>Wenn ich für meine Pflicht halte, meine Anſicht über die Lage<lb/> und die Politik des Deutſchen Reiches in Ehrfurcht zu Eurer Majeſtät<lb/> Kenntniß zu bringen, ſo wollen Allerhöchſtdieſelben der Thatſache<lb/> in Gnaden Rechnung tragen, daß Graf Andraſſy und ich uns die<lb/> Geheimhaltung des vorſtehend dargelegten Planes gegenſeitig zu¬<lb/> geſagt haben und bisher nur Ihre Majeſtäten die beiden Kaiſer<lb/> Kenntniß haben von der Abſicht ihrer leitenden Miniſter, eine Ver¬<lb/> einbarung zwiſchen Allerhöchſtdenſelben herbeizuführen.“<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [242/0266]
Neunundzwanzigſtes Kapitel: Der Dreibund.
hältniß zu Frankreich der gänzlichen Iſolirung auf dem Continent
ausgeſetzt. Nähme Oeſtreich aber bei Frankreich und England
Fühlung, ähnlich wie 1854, ſo wäre Deutſchland auf Rußland
allein angewieſen und wenn es ſich nicht iſoliren wollte, an die
wie ich fürchte fehlerhaften und gefährlichen Bahnen der ruſſiſchen
innern und äußern Politik gebunden.
Zwingt uns Rußland, zwiſchen ihm und Oeſtreich zu optiren,
ſo glaube ich, daß Oeſtreich die conſervative und friedliebende
Richtung für uns anzeigen würde, Rußland aber eine unſichre.
Ich wage mich der Hoffnung hinzugeben, daß Eure Majeſtät
nach Allerhöchſtdero mir bekannter politiſcher Auffaſſung meine vor¬
ſtehende Ueberzeugung theilen, und würde glücklich ſein, wenn ich
darüber vergewiſſert werden könnte.
Die Schwierigkeiten der Aufgabe, welche ich mir ſtelle, ſind
an ſich groß, aber ſie werden noch weſentlich geſteigert durch die
Nothwendigkeit, eine ſo umfängliche und vielſeitige Angelegenheit
ſchriftlich von hier aus zu verhandeln, wo ich lediglich auf meine
eigne, durch die bisherige Ueberanſtrengung ganz unzulänglich ge¬
wordene Arbeitskraft reducirt bin. Ich habe aus Geſundheits¬
rückſichten meinen Aufenthalt hier ſchon verlängern müſſen, hoffe
aber nach dem 20. ds. M. meine Rückreiſe über Wien antreten zu
können. Wenn es bis dahin nicht gelingt, wenigſtens prinzipiell
zu einer Gewißheit zu gelangen, ſo wird, wie ich fürchte, die jetzt
günſtige Gelegenheit verſäumt ſein, und bei dem Rücktritt Andraſſys
läßt ſich nicht vorherſehn, ob ſie jemals wiederkehren wird.
Wenn ich für meine Pflicht halte, meine Anſicht über die Lage
und die Politik des Deutſchen Reiches in Ehrfurcht zu Eurer Majeſtät
Kenntniß zu bringen, ſo wollen Allerhöchſtdieſelben der Thatſache
in Gnaden Rechnung tragen, daß Graf Andraſſy und ich uns die
Geheimhaltung des vorſtehend dargelegten Planes gegenſeitig zu¬
geſagt haben und bisher nur Ihre Majeſtäten die beiden Kaiſer
Kenntniß haben von der Abſicht ihrer leitenden Miniſter, eine Ver¬
einbarung zwiſchen Allerhöchſtdenſelben herbeizuführen.“
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