Der durch das Gesetz vom 20. März 1817 gestiftete Staats¬ rath war bestimmt, den absoluten König zu berathen. An dessen Stelle ist heut zu Tage der verfassungsmäßig von seinen Ministern berathene König getreten und dadurch das Staatsministerium in den durch die Vorberathung des Staatsraths aufzuklärenden regi¬ renden Factor, den früher der König allein darstellte, mit aufge¬ nommen. Die Berathung des Staatsraths ist heut zu Tage informa¬ torisch nicht nur für den König, sondern auch für die verantwortlichen Minister; seine Reactivirung im Jahre 1852 hatte den Zweck, nicht mir die königlichen Entschließungen, sondern auch die Vota der Staatsminister vorzubereiten.
Die Vorbereitung der Gesetzentwürfe durch das Staatsministe¬ rium ist unvollkommen. Ein vortragender Rath ist im Stande, das Schicksal eines Gesetzes festzulegen bis zu der Veröffentlichung, in¬ dem er alle Einwirkungen auf den Inhalt, die von dem Staats¬ ministerium oder in den verschiedenen Stadien der parlamenta¬ rischen Berathung versucht werden, an der Außenseite des Ent¬ wurfs abgleiten läßt, wenn der Gegenstand schwierig und die Zahl der Paragraphen groß ist. Schon im Staatsministerium beherrscht der Ressortminister nicht immer den Stoff, den ihm seine be¬ treffenden Räthe in Gestalt eines Gesetzentwurfes mit Motiven
Einunddreißigſtes Kapitel. Der Staatsrath.
Der durch das Geſetz vom 20. März 1817 geſtiftete Staats¬ rath war beſtimmt, den abſoluten König zu berathen. An deſſen Stelle iſt heut zu Tage der verfaſſungsmäßig von ſeinen Miniſtern berathene König getreten und dadurch das Staatsminiſterium in den durch die Vorberathung des Staatsraths aufzuklärenden regi¬ renden Factor, den früher der König allein darſtellte, mit aufge¬ nommen. Die Berathung des Staatsraths iſt heut zu Tage informa¬ toriſch nicht nur für den König, ſondern auch für die verantwortlichen Miniſter; ſeine Reactivirung im Jahre 1852 hatte den Zweck, nicht mir die königlichen Entſchließungen, ſondern auch die Vota der Staatsminiſter vorzubereiten.
Die Vorbereitung der Geſetzentwürfe durch das Staatsminiſte¬ rium iſt unvollkommen. Ein vortragender Rath iſt im Stande, das Schickſal eines Geſetzes feſtzulegen bis zu der Veröffentlichung, in¬ dem er alle Einwirkungen auf den Inhalt, die von dem Staats¬ miniſterium oder in den verſchiedenen Stadien der parlamenta¬ riſchen Berathung verſucht werden, an der Außenſeite des Ent¬ wurfs abgleiten läßt, wenn der Gegenſtand ſchwierig und die Zahl der Paragraphen groß iſt. Schon im Staatsminiſterium beherrſcht der Reſſortminiſter nicht immer den Stoff, den ihm ſeine be¬ treffenden Räthe in Geſtalt eines Geſetzentwurfes mit Motiven
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Einunddreißigſtes Kapitel.
Der Staatsrath.
Der durch das Geſetz vom 20. März 1817 geſtiftete Staats¬
rath war beſtimmt, den abſoluten König zu berathen. An deſſen
Stelle iſt heut zu Tage der verfaſſungsmäßig von ſeinen Miniſtern
berathene König getreten und dadurch das Staatsminiſterium in
den durch die Vorberathung des Staatsraths aufzuklärenden regi¬
renden Factor, den früher der König allein darſtellte, mit aufge¬
nommen. Die Berathung des Staatsraths iſt heut zu Tage informa¬
toriſch nicht nur für den König, ſondern auch für die verantwortlichen
Miniſter; ſeine Reactivirung im Jahre 1852 hatte den Zweck, nicht
mir die königlichen Entſchließungen, ſondern auch die Vota der
Staatsminiſter vorzubereiten.
Die Vorbereitung der Geſetzentwürfe durch das Staatsminiſte¬
rium iſt unvollkommen. Ein vortragender Rath iſt im Stande, das
Schickſal eines Geſetzes feſtzulegen bis zu der Veröffentlichung, in¬
dem er alle Einwirkungen auf den Inhalt, die von dem Staats¬
miniſterium oder in den verſchiedenen Stadien der parlamenta¬
riſchen Berathung verſucht werden, an der Außenſeite des Ent¬
wurfs abgleiten läßt, wenn der Gegenſtand ſchwierig und die Zahl
der Paragraphen groß iſt. Schon im Staatsminiſterium beherrſcht
der Reſſortminiſter nicht immer den Stoff, den ihm ſeine be¬
treffenden Räthe in Geſtalt eines Geſetzentwurfes mit Motiven
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Bismarck, Otto von: Gedanken und Erinnerungen. Bd. 2. Stuttgart, 1898, S. [271]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bismarck_erinnerungen02_1898/295>, abgerufen am 21.11.2024.
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