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Blacker, Carola: Einiges über Frauenstimmrecht. In: Frauen-Werke 1/3 (1894), S. 23-24; 1/4 (1894), S. 25-26; 1/5 (1894), S. 39-40; 1/6 (1894), S. 49-50.

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durch hochgebildete geistreiche Courtisanen.
Zur Zeit der Renaissance waren es sogar
demüthige Heilige, wie Katharina von Siena,
und edle, in der Zurückgezogenheit lebende
Damen, wie Vittoria Colonna, welche in be-
geistertem Interesse am Wohle der Nationen ihre
Stimmen ertönen ließen, oder die Männer zu
vereinten Entschlüssen und Handlungen um sich
versammelten. Und ihre Worte sind nicht nutz-
los verhallt, weil sie nur Frauen waren! -
Unter den weiblichen Herrscherinnen der Ge-
schichte übersteigt die Zahl der vorzüglichen
bei weitem die der unwürdigen; und selbst Jene
deren Charaktereigenschaften ächter Weiblich-
keit entbehren, wie Katharina II. von Rußland,
Elisabeth von England, zeigen eine hohe Fähig-
keit für politischen Ueberblick und staats-
männische Leitung. Noch vor ein paar Jahr-
hunderten hatten Aebtissinnen, so gut als
Bischöfe einen Sitz im englischen Parlament;
und nur durch die Abnahme des kirchlichen
Lebens erlosch dieser Gebrauch, nicht aber
durch die Ansicht, als seien Frauen untauglich
dazu. Bedeutenden politischen Einfluß hat
man ihnen auch in unserer Zeit gewährt. Bis
vor kurzem begnügten sie sich mit dieser
"schleichenden anonymen Macht", durch welche
unvermeidlich unlautere Elemente der Intrigue
in das Staatsleben kommen mussten. Heute
verlangen sie freie und offene Einwirkung
unter dem Banner der Verantwortlichkeit. Das
Verlangen des Stimmrechtes ist deshalb ein
Kulturfortschritt.

Daß wir dazu nicht befähigt seien,
wird wohl Niemand mehr behaupten. Selbst
die Frau, die keinen Anspruch auf Bildung
macht, liest doch immerhin ein Tages- oder
Sonntagsblatt; sie kann sich auch nicht völlig
von jeder Besprechung der Ereignisse fernhalten,
besonders heutzutage, wo die politische Partei-
wühlerei in den meisten Kulturländern bis in
die niedern Volksschichten gedrungen ist. Jeden-
falls besitzen wir, - ich und die Arbeiterfrau, -
so viel Aufklärung über politische Dinge, als
der halbsimple Anstreicher, der eben mein Haus
bemalt und der für befähigt gilt, seinen Ver-
treter im Parlament zu wählen. Und wenn es
wahr ist, daß die Frauen mehr von Gefühls-
als von Verstandsgründen sich leiten lassen, wovon
ich in Angelegenheiten des öffentlichen Lebens
eher das Gegentheil beobachte, so wäre das
nur eine nützliche und sogar nothwendige Er-
gänzung. Denn der Mensch soll Verstand und
Gemüth, Kopf und Herz bei Allem vereint
zu Rathe ziehen. Jedenfalls aber besteht eine
Nation aus Männern und aus Frauen. Ungezählt
viele Frauen sind erfüllt von einem begeisterten
und gewissenhaften Empfinden für ihr Vater-
land, welches ihnen leicht machte, auch neben
den Pflichten der Familie seine großen Interessen
im Herzen zu hegen. Solche aber, die dessen
ermangeln, würden durch die höhere Verant-
wortlichkeit selbst gehoben. Der erweiterte[Spaltenumbruch] Lebensblick könnte nur veredelnd auf die Ge-
fährtin des Mannes wirken; und die Frau, die
sich heimisch fühlte in seinen geistigen Interessen-
kreis, würde auch besser verstehen, ihre Knaben
an Männern zu erziehen. Denn mit der Möglich-
keit einer Bethätigung kommt auch das Interesse
an einem Ideal und die daraus erwachsende
nothwendige Befähigung. John Stuart Mill
meint sogar, ein ganz ausgeprägtes Talent
zur Politik liege in jeder Frau.

Eine politische Richtung in Deutschland
betrachtet das allgemeine Stimmrecht als ein
Unglück, weil es die Macht in die Hand des
Proletariates giebt; in ihr findet man die eif-
rigsten Gegner einer Ausdehnung desselben auf
die Frauen.

(Fortsetzung folgt.)



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durch hochgebildete geistreiche Courtisanen.
Zur Zeit der Renaissance waren es sogar
demüthige Heilige, wie Katharina von Siena,
und edle, in der Zurückgezogenheit lebende
Damen, wie Vittoria Colonna, welche in be-
geistertem Interesse am Wohle der Nationen ihre
Stimmen ertönen ließen, oder die Männer zu
vereinten Entschlüssen und Handlungen um sich
versammelten. Und ihre Worte sind nicht nutz-
los verhallt, weil sie nur Frauen waren! –
Unter den weiblichen Herrscherinnen der Ge-
schichte übersteigt die Zahl der vorzüglichen
bei weitem die der unwürdigen; und selbst Jene
deren Charaktereigenschaften ächter Weiblich-
keit entbehren, wie Katharina II. von Rußland,
Elisabeth von England, zeigen eine hohe Fähig-
keit für politischen Ueberblick und staats-
männische Leitung. Noch vor ein paar Jahr-
hunderten hatten Aebtissinnen, so gut als
Bischöfe einen Sitz im englischen Parlament;
und nur durch die Abnahme des kirchlichen
Lebens erlosch dieser Gebrauch, nicht aber
durch die Ansicht, als seien Frauen untauglich
dazu. Bedeutenden politischen Einfluß hat
man ihnen auch in unserer Zeit gewährt. Bis
vor kurzem begnügten sie sich mit dieser
„schleichenden anonymen Macht‟, durch welche
unvermeidlich unlautere Elemente der Intrigue
in das Staatsleben kommen mussten. Heute
verlangen sie freie und offene Einwirkung
unter dem Banner der Verantwortlichkeit. Das
Verlangen des Stimmrechtes ist deshalb ein
Kulturfortschritt.

Daß wir dazu nicht befähigt seien,
wird wohl Niemand mehr behaupten. Selbst
die Frau, die keinen Anspruch auf Bildung
macht, liest doch immerhin ein Tages- oder
Sonntagsblatt; sie kann sich auch nicht völlig
von jeder Besprechung der Ereignisse fernhalten,
besonders heutzutage, wo die politische Partei-
wühlerei in den meisten Kulturländern bis in
die niedern Volksschichten gedrungen ist. Jeden-
falls besitzen wir, – ich und die Arbeiterfrau, –
so viel Aufklärung über politische Dinge, als
der halbsimple Anstreicher, der eben mein Haus
bemalt und der für befähigt gilt, seinen Ver-
treter im Parlament zu wählen. Und wenn es
wahr ist, daß die Frauen mehr von Gefühls-
als von Verstandsgründen sich leiten lassen, wovon
ich in Angelegenheiten des öffentlichen Lebens
eher das Gegentheil beobachte, so wäre das
nur eine nützliche und sogar nothwendige Er-
gänzung. Denn der Mensch soll Verstand und
Gemüth, Kopf und Herz bei Allem vereint
zu Rathe ziehen. Jedenfalls aber besteht eine
Nation aus Männern und aus Frauen. Ungezählt
viele Frauen sind erfüllt von einem begeisterten
und gewissenhaften Empfinden für ihr Vater-
land, welches ihnen leicht machte, auch neben
den Pflichten der Familie seine großen Interessen
im Herzen zu hegen. Solche aber, die dessen
ermangeln, würden durch die höhere Verant-
wortlichkeit selbst gehoben. Der erweiterte[Spaltenumbruch] Lebensblick könnte nur veredelnd auf die Ge-
fährtin des Mannes wirken; und die Frau, die
sich heimisch fühlte in seinen geistigen Interessen-
kreis, würde auch besser verstehen, ihre Knaben
an Männern zu erziehen. Denn mit der Möglich-
keit einer Bethätigung kommt auch das Interesse
an einem Ideal und die daraus erwachsende
nothwendige Befähigung. John Stuart Mill
meint sogar, ein ganz ausgeprägtes Talent
zur Politik liege in jeder Frau.

Eine politische Richtung in Deutschland
betrachtet das allgemeine Stimmrecht als ein
Unglück, weil es die Macht in die Hand des
Proletariates giebt; in ihr findet man die eif-
rigsten Gegner einer Ausdehnung desselben auf
die Frauen.

(Fortsetzung folgt.)



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Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T15:42:42Z)

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Zitationshilfe: Blacker, Carola: Einiges über Frauenstimmrecht. In: Frauen-Werke 1/3 (1894), S. 23-24; 1/4 (1894), S. 25-26; 1/5 (1894), S. 39-40; 1/6 (1894), S. 49-50, hier S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/blacker_frauenstimmrecht_1894/4>, abgerufen am 23.11.2024.