Blum, Joachim Christian: Spatziergänge. Bd. 2. Berlin, 1775.Ich ward nicht aus mir selbst, nicht weil ich werden wollte; Ein Etwas das mir fremd, das nicht ich selber war Ward auf dein Wort mein Ich. Zuerst war ich ein Kraut, Mir unbewußt, noch unreif zur Be- gier; Und lange war ich noch ein Thier, Da ich ein Mensch schon heißen sollte. -- Zu diesem Wurme kam noch mehr von Erdenschollen, Und von des Meeles weißem Saft; Ein innrer Trieb fing an die schlaffen Sehnen Zu meinen Diensten auszudehnen, Die Füße lernten gehn durch fallen, Die Zunge beugte sich zum lallen, Und mit dem Leibe wuchs der Geist. -- Ich ward nicht aus mir ſelbſt, nicht weil ich werden wollte; Ein Etwas das mir fremd, das nicht ich ſelber war Ward auf dein Wort mein Ich. Zuerſt war ich ein Kraut, Mir unbewußt, noch unreif zur Be- gier; Und lange war ich noch ein Thier, Da ich ein Menſch ſchon heißen ſollte. — Zu dieſem Wurme kam noch mehr von Erdenſchollen, Und von des Meeles weißem Saft; Ein innrer Trieb fing an die ſchlaffen Sehnen Zu meinen Dienſten auszudehnen, Die Füße lernten gehn durch fallen, Die Zunge beugte ſich zum lallen, Und mit dem Leibe wuchs der Geiſt. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0126" n="120"/> <lg type="poem"> <l>Ich ward nicht aus mir ſelbſt, nicht weil</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ich werden wollte;</hi> </l><lb/> <l>Ein Etwas das mir fremd, das nicht ich</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſelber war</hi> </l><lb/> <l>Ward auf dein Wort mein Ich. Zuerſt</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">war ich ein Kraut,</hi> </l><lb/> <l>Mir unbewußt, noch unreif zur Be-</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">gier;</hi> </l><lb/> <l>Und lange war ich noch ein Thier,</l><lb/> <l>Da ich ein Menſch ſchon heißen</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">ſollte. —</hi> </l><lb/> <l>Zu dieſem Wurme kam noch mehr</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">von Erdenſchollen,</hi> </l><lb/> <l>Und von des Meeles weißem Saft;</l><lb/> <l>Ein innrer Trieb fing an die ſchlaffen</l><lb/> <l> <hi rendition="#et">Sehnen</hi> </l><lb/> <l>Zu meinen Dienſten auszudehnen,</l><lb/> <l>Die Füße lernten gehn durch fallen,</l><lb/> <l>Die Zunge beugte ſich zum lallen,</l><lb/> <l>Und mit dem Leibe wuchs der Geiſt. —</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [120/0126]
Ich ward nicht aus mir ſelbſt, nicht weil
ich werden wollte;
Ein Etwas das mir fremd, das nicht ich
ſelber war
Ward auf dein Wort mein Ich. Zuerſt
war ich ein Kraut,
Mir unbewußt, noch unreif zur Be-
gier;
Und lange war ich noch ein Thier,
Da ich ein Menſch ſchon heißen
ſollte. —
Zu dieſem Wurme kam noch mehr
von Erdenſchollen,
Und von des Meeles weißem Saft;
Ein innrer Trieb fing an die ſchlaffen
Sehnen
Zu meinen Dienſten auszudehnen,
Die Füße lernten gehn durch fallen,
Die Zunge beugte ſich zum lallen,
Und mit dem Leibe wuchs der Geiſt. —
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