Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
thums interpretirt werden und die Ausdehnung der Servituten möglichst beschränkt wird, musz im Statsrechte die Freiheit der Gebietshoheit gegenüber derartigen Beschränkungen ge- wahrt werden; denn die Harmonie und Einheit des Stats- organismus, sowie das Bedürfnisz freier Umgestaltung der statlichen Einrichtungen, je nach den Erfordernissen der öffent- lichen Wohlfahrt, werden durch dauernde Beschränkungen und Hemmungen von auszen sehr leicht in einer unerträglichen Weise gestört und verletzt. 6
Anmerkungen. 1. Die Umwandlung des Titels der französischen Könige aus Roi de France in Roi des Francais in Folge der Revolution war ein Protest gegen die frühere Vorstellung, dasz Frankreich ein patrimonium regis sei. Insofern bezeichnet sie einen Fortschritt des statlichen Geistes. Aber sobald man die Gebietshoheit in ihrer wahren Bedeutung erfaszt hat, so ist kein Grund mehr, die Benennung der Könige von dem Lande oder Reiche her für bedenklicher zu halten als die von dem Volke her. Zu weit aber geht Stahl, wenn er (Statslehre II. S. 38) der letzteren Bezeichnung vorwirft, sie rufe ein "Bild der Bar- barei" hervor. Die römischen Kaiser und die deutschen Kaiser haben bekanntlich den Namen des Volks dem des Landes in ihren Titeln vor- gezogen. Wer wollte sie deszhalb der Barbarei bezichtigen? Die Be- nennung vom Volke her ist sogar edler als die vom Lande her, weil das Volk über dem Lande ist.
2. Blosze Grenzberichtigungen fallen nicht unter den Begriff der Veräuszerung des Statsgebietes. Es wird durch dieselben nicht ein Theil des Statsgebietes entfremdet, sondern der Umfang des wirklichen Statsgebietes näher bestimmt. Wenn aber zum Behuf der Arrondirung eines States ganze, zumal bewohnte Gebietsstrecken, welche unzweifelhaft bisher demselben zugehörten, abgetrennt und umgetauscht werden, so ist das allerdings nicht mehr eine blosze Grenzberichtigung.
6Schmitthenner, Statsrecht S. 409: "Blosz privates Eigenthum eines fremden States oder Souveräns in dem Gebiete des States schlieszt keine Beschränkung der Landesgewalt ein."
Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
thums interpretirt werden und die Ausdehnung der Servituten möglichst beschränkt wird, musz im Statsrechte die Freiheit der Gebietshoheit gegenüber derartigen Beschränkungen ge- wahrt werden; denn die Harmonie und Einheit des Stats- organismus, sowie das Bedürfnisz freier Umgestaltung der statlichen Einrichtungen, je nach den Erfordernissen der öffent- lichen Wohlfahrt, werden durch dauernde Beschränkungen und Hemmungen von auszen sehr leicht in einer unerträglichen Weise gestört und verletzt. 6
Anmerkungen. 1. Die Umwandlung des Titels der französischen Könige aus Roi de France in Roi des Français in Folge der Revolution war ein Protest gegen die frühere Vorstellung, dasz Frankreich ein patrimonium regis sei. Insofern bezeichnet sie einen Fortschritt des statlichen Geistes. Aber sobald man die Gebietshoheit in ihrer wahren Bedeutung erfaszt hat, so ist kein Grund mehr, die Benennung der Könige von dem Lande oder Reiche her für bedenklicher zu halten als die von dem Volke her. Zu weit aber geht Stahl, wenn er (Statslehre II. S. 38) der letzteren Bezeichnung vorwirft, sie rufe ein „Bild der Bar- barei“ hervor. Die römischen Kaiser und die deutschen Kaiser haben bekanntlich den Namen des Volks dem des Landes in ihren Titeln vor- gezogen. Wer wollte sie deszhalb der Barbarei bezichtigen? Die Be- nennung vom Volke her ist sogar edler als die vom Lande her, weil das Volk über dem Lande ist.
2. Blosze Grenzberichtigungen fallen nicht unter den Begriff der Veräuszerung des Statsgebietes. Es wird durch dieselben nicht ein Theil des Statsgebietes entfremdet, sondern der Umfang des wirklichen Statsgebietes näher bestimmt. Wenn aber zum Behuf der Arrondirung eines States ganze, zumal bewohnte Gebietsstrecken, welche unzweifelhaft bisher demselben zugehörten, abgetrennt und umgetauscht werden, so ist das allerdings nicht mehr eine blosze Grenzberichtigung.
6Schmitthenner, Statsrecht S. 409: „Blosz privates Eigenthum eines fremden States oder Souveräns in dem Gebiete des States schlieszt keine Beschränkung der Landesgewalt ein.“
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Drittes Buch. Die Grundlagen des Stats etc. Das Land.
thums interpretirt werden und die Ausdehnung der Servituten
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der Gebietshoheit gegenüber derartigen Beschränkungen ge-
wahrt werden; denn die Harmonie und Einheit des Stats-
organismus, sowie das Bedürfnisz freier Umgestaltung der
statlichen Einrichtungen, je nach den Erfordernissen der öffent-
lichen Wohlfahrt, werden durch dauernde Beschränkungen und
Hemmungen von auszen sehr leicht in einer unerträglichen
Weise gestört und verletzt. 6
Anmerkungen. 1. Die Umwandlung des Titels der französischen
Könige aus Roi de France in Roi des Français in Folge der Revolution
war ein Protest gegen die frühere Vorstellung, dasz Frankreich ein
patrimonium regis sei. Insofern bezeichnet sie einen Fortschritt des
statlichen Geistes. Aber sobald man die Gebietshoheit in ihrer wahren
Bedeutung erfaszt hat, so ist kein Grund mehr, die Benennung der Könige
von dem Lande oder Reiche her für bedenklicher zu halten als die von
dem Volke her. Zu weit aber geht Stahl, wenn er (Statslehre II.
S. 38) der letzteren Bezeichnung vorwirft, sie rufe ein „Bild der Bar-
barei“ hervor. Die römischen Kaiser und die deutschen Kaiser haben
bekanntlich den Namen des Volks dem des Landes in ihren Titeln vor-
gezogen. Wer wollte sie deszhalb der Barbarei bezichtigen? Die Be-
nennung vom Volke her ist sogar edler als die vom Lande her, weil das
Volk über dem Lande ist.
2. Blosze Grenzberichtigungen fallen nicht unter den Begriff
der Veräuszerung des Statsgebietes. Es wird durch dieselben nicht ein
Theil des Statsgebietes entfremdet, sondern der Umfang des wirklichen
Statsgebietes näher bestimmt. Wenn aber zum Behuf der Arrondirung
eines States ganze, zumal bewohnte Gebietsstrecken, welche unzweifelhaft
bisher demselben zugehörten, abgetrennt und umgetauscht werden, so ist
das allerdings nicht mehr eine blosze Grenzberichtigung.
6 Schmitthenner, Statsrecht S. 409: „Blosz privates Eigenthum
eines fremden States oder Souveräns in dem Gebiete des States schlieszt
keine Beschränkung der Landesgewalt ein.“
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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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