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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Capitel. VI. Eintheilung des Landes.
Sechstes Capitel.
VI. Eintheilung des Landes.

Das Statsgebiet ist gewöhnlich so umfassend, dasz es
regelmäszig zum Behuf der politischen Beherrschung in ver-
schiedene Abtheilungen getheilt werden musz. Es lassen sich
hier vier Hauptarten unterscheiden:

1. Die Provinzen.

Die Provinzen des römischen Reiches waren ursprünglich
selbständige Statsgebiete, welche aber der Herrschaft des rö-
mischen States unterworfen worden waren. Auch die neuern
Provinzen erklären sich häufig aus früherer Besonderheit der
später zu einem gröszeren Ganzen vereinigten Länder. Zu-
weilen sind aber neue Provinzen erst von dem State geschaf-
fen worden, dem sie angehören, und oft sind, wie im deut-
schen Reich, aus den Provinzen (Herzogthümern) neue Län-
der geworden.

Das Charakteristische dieser obersten Stufe der statlichen
Eintheilung liegt immer in der relativen statlichen Be-
sonderheit
dieser Theile. In Folge derselben haben sie
eine zwar der Gesammtregierung untergeordnete, aber immer-
hin mit Rücksicht auf die eigenthümliche Bedeutung der Pro-
vinz mit ausgedehnteren Vollmachten ausgerüstetere relativ
selbständige Provinzialregierung. Ueberdem haben die-
selben in der Repräsentativ-Verfassung zuweilen selbst eine --
freilich auf die besondern Interessen der Provinz beschränkte --
besondere Provinzial-Gesetzgebung, Provinzialstände.

Der moderne Einheitsstat ist dieser Eintheilung nicht
günstig. In Frankreich, in Spanien und in England, nun
auch in Preuszen ist die gesetzgeberische Besonderheit der
Provinzen aufgelöst, in Oesterreich in den sogenannten Kron-
ländern
vornehmlich auf die Interessen der Cultur und Wirth-
schaft beschränkt worden. So grosz aber das Interesse des

Sechstes Capitel. VI. Eintheilung des Landes.
Sechstes Capitel.
VI. Eintheilung des Landes.

Das Statsgebiet ist gewöhnlich so umfassend, dasz es
regelmäszig zum Behuf der politischen Beherrschung in ver-
schiedene Abtheilungen getheilt werden musz. Es lassen sich
hier vier Hauptarten unterscheiden:

1. Die Provinzen.

Die Provinzen des römischen Reiches waren ursprünglich
selbständige Statsgebiete, welche aber der Herrschaft des rö-
mischen States unterworfen worden waren. Auch die neuern
Provinzen erklären sich häufig aus früherer Besonderheit der
später zu einem gröszeren Ganzen vereinigten Länder. Zu-
weilen sind aber neue Provinzen erst von dem State geschaf-
fen worden, dem sie angehören, und oft sind, wie im deut-
schen Reich, aus den Provinzen (Herzogthümern) neue Län-
der geworden.

Das Charakteristische dieser obersten Stufe der statlichen
Eintheilung liegt immer in der relativen statlichen Be-
sonderheit
dieser Theile. In Folge derselben haben sie
eine zwar der Gesammtregierung untergeordnete, aber immer-
hin mit Rücksicht auf die eigenthümliche Bedeutung der Pro-
vinz mit ausgedehnteren Vollmachten ausgerüstetere relativ
selbständige Provinzialregierung. Ueberdem haben die-
selben in der Repräsentativ-Verfassung zuweilen selbst eine —
freilich auf die besondern Interessen der Provinz beschränkte —
besondere Provinzial-Gesetzgebung, Provinzialstände.

Der moderne Einheitsstat ist dieser Eintheilung nicht
günstig. In Frankreich, in Spanien und in England, nun
auch in Preuszen ist die gesetzgeberische Besonderheit der
Provinzen aufgelöst, in Oesterreich in den sogenannten Kron-
ländern
vornehmlich auf die Interessen der Cultur und Wirth-
schaft beschränkt worden. So grosz aber das Interesse des

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[283/0301] Sechstes Capitel. VI. Eintheilung des Landes. Sechstes Capitel. VI. Eintheilung des Landes. Das Statsgebiet ist gewöhnlich so umfassend, dasz es regelmäszig zum Behuf der politischen Beherrschung in ver- schiedene Abtheilungen getheilt werden musz. Es lassen sich hier vier Hauptarten unterscheiden: 1. Die Provinzen. Die Provinzen des römischen Reiches waren ursprünglich selbständige Statsgebiete, welche aber der Herrschaft des rö- mischen States unterworfen worden waren. Auch die neuern Provinzen erklären sich häufig aus früherer Besonderheit der später zu einem gröszeren Ganzen vereinigten Länder. Zu- weilen sind aber neue Provinzen erst von dem State geschaf- fen worden, dem sie angehören, und oft sind, wie im deut- schen Reich, aus den Provinzen (Herzogthümern) neue Län- der geworden. Das Charakteristische dieser obersten Stufe der statlichen Eintheilung liegt immer in der relativen statlichen Be- sonderheit dieser Theile. In Folge derselben haben sie eine zwar der Gesammtregierung untergeordnete, aber immer- hin mit Rücksicht auf die eigenthümliche Bedeutung der Pro- vinz mit ausgedehnteren Vollmachten ausgerüstetere relativ selbständige Provinzialregierung. Ueberdem haben die- selben in der Repräsentativ-Verfassung zuweilen selbst eine — freilich auf die besondern Interessen der Provinz beschränkte — besondere Provinzial-Gesetzgebung, Provinzialstände. Der moderne Einheitsstat ist dieser Eintheilung nicht günstig. In Frankreich, in Spanien und in England, nun auch in Preuszen ist die gesetzgeberische Besonderheit der Provinzen aufgelöst, in Oesterreich in den sogenannten Kron- ländern vornehmlich auf die Interessen der Cultur und Wirth- schaft beschränkt worden. So grosz aber das Interesse des

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/301>, abgerufen am 22.11.2024.