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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Sechstes Buch. Die Statsformen.
absolute Gewalt erhalten zu können. Fast die ganze Wirk-
samkeit des deutschen Bundes war darauf gerichtet, das
sogenannte "monarchische Princip" möglichst absolut zu be-
wahren und die Völker polizeilich zu bevormunden.

5. Die französische Julirevolution von 1830 hatte auch
in Deutschland neue Bewegungen zur Folge, und wieder
wurden eine Reihe deutscher Staten, mittlere und kleinere
bestimmt, das constitutionelle System einzuführen. Das Kur-
fürstenthum Hessen erhielt am 5. Januar 1830 eine Ver-
fassung, welche die Volksfreiheiten gegen die fürstliche Will-
kür zu schützen bedacht war; das Königreich Sachsen be-
kam eine der bayerischen nachgebildete Verfassung (vom
4. September 1831); das Königreich Hannover erhielt
(26. September 1833) ein neues constitutionelles Statsgrund-
gesetz, welches jedoch von dem nächstfolgenden Könige Ernst
August
nicht anerkannt wurde, und erst 1840 in modificirter
Gestalt wieder ins Leben trat.

Es erweiterte sich so, wenn auch von den Regierungen
zuweilen eher dem Scheine nach als in Wahrheit geachtet,
durch die ausgebildete Schreiberei der Bureaukratie vielfach
verdorben, durch die Parteien innerhalb und auszerhalb der
Ständeversammlungen nicht selten miszbraucht und entstellt,
das constitutionelle Statsrecht doch fortwährend auch
in Deutschland, während die beiden deutschen Groszmächte
sich noch immer demselben abgeneigt zeigten.

6. Endlich erliesz der König Friedrich Wilhelm IV.
von Preuszen das Patent vom 3. Februar 1847, durch welches
auf der Unterlage der Provincialstände ein "vereinigter
Landtag
" für Preuszen gebildet, und demselben der Beirath
für die Landesgesetzgebung, ein Zustimmungsrecht für neue
Steuern, und ein Petitionsrecht in innern Angelegenheiten
zugesichert wurde. Dadurch trat Preuszen aus der Classe der
absoluten in die der beschränkten Monarchie über, und näherte
sich den deutschen Repräsentativstaten bedeutend. Der An-

Sechstes Buch. Die Statsformen.
absolute Gewalt erhalten zu können. Fast die ganze Wirk-
samkeit des deutschen Bundes war darauf gerichtet, das
sogenannte „monarchische Princip“ möglichst absolut zu be-
wahren und die Völker polizeilich zu bevormunden.

5. Die französische Julirevolution von 1830 hatte auch
in Deutschland neue Bewegungen zur Folge, und wieder
wurden eine Reihe deutscher Staten, mittlere und kleinere
bestimmt, das constitutionelle System einzuführen. Das Kur-
fürstenthum Hessen erhielt am 5. Januar 1830 eine Ver-
fassung, welche die Volksfreiheiten gegen die fürstliche Will-
kür zu schützen bedacht war; das Königreich Sachsen be-
kam eine der bayerischen nachgebildete Verfassung (vom
4. September 1831); das Königreich Hannover erhielt
(26. September 1833) ein neues constitutionelles Statsgrund-
gesetz, welches jedoch von dem nächstfolgenden Könige Ernst
August
nicht anerkannt wurde, und erst 1840 in modificirter
Gestalt wieder ins Leben trat.

Es erweiterte sich so, wenn auch von den Regierungen
zuweilen eher dem Scheine nach als in Wahrheit geachtet,
durch die ausgebildete Schreiberei der Bureaukratie vielfach
verdorben, durch die Parteien innerhalb und auszerhalb der
Ständeversammlungen nicht selten miszbraucht und entstellt,
das constitutionelle Statsrecht doch fortwährend auch
in Deutschland, während die beiden deutschen Groszmächte
sich noch immer demselben abgeneigt zeigten.

6. Endlich erliesz der König Friedrich Wilhelm IV.
von Preuszen das Patent vom 3. Februar 1847, durch welches
auf der Unterlage der Provincialstände ein „vereinigter
Landtag
“ für Preuszen gebildet, und demselben der Beirath
für die Landesgesetzgebung, ein Zustimmungsrecht für neue
Steuern, und ein Petitionsrecht in innern Angelegenheiten
zugesichert wurde. Dadurch trat Preuszen aus der Classe der
absoluten in die der beschränkten Monarchie über, und näherte
sich den deutschen Repräsentativstaten bedeutend. Der An-

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[476/0494] Sechstes Buch. Die Statsformen. absolute Gewalt erhalten zu können. Fast die ganze Wirk- samkeit des deutschen Bundes war darauf gerichtet, das sogenannte „monarchische Princip“ möglichst absolut zu be- wahren und die Völker polizeilich zu bevormunden. 5. Die französische Julirevolution von 1830 hatte auch in Deutschland neue Bewegungen zur Folge, und wieder wurden eine Reihe deutscher Staten, mittlere und kleinere bestimmt, das constitutionelle System einzuführen. Das Kur- fürstenthum Hessen erhielt am 5. Januar 1830 eine Ver- fassung, welche die Volksfreiheiten gegen die fürstliche Will- kür zu schützen bedacht war; das Königreich Sachsen be- kam eine der bayerischen nachgebildete Verfassung (vom 4. September 1831); das Königreich Hannover erhielt (26. September 1833) ein neues constitutionelles Statsgrund- gesetz, welches jedoch von dem nächstfolgenden Könige Ernst August nicht anerkannt wurde, und erst 1840 in modificirter Gestalt wieder ins Leben trat. Es erweiterte sich so, wenn auch von den Regierungen zuweilen eher dem Scheine nach als in Wahrheit geachtet, durch die ausgebildete Schreiberei der Bureaukratie vielfach verdorben, durch die Parteien innerhalb und auszerhalb der Ständeversammlungen nicht selten miszbraucht und entstellt, das constitutionelle Statsrecht doch fortwährend auch in Deutschland, während die beiden deutschen Groszmächte sich noch immer demselben abgeneigt zeigten. 6. Endlich erliesz der König Friedrich Wilhelm IV. von Preuszen das Patent vom 3. Februar 1847, durch welches auf der Unterlage der Provincialstände ein „vereinigter Landtag“ für Preuszen gebildet, und demselben der Beirath für die Landesgesetzgebung, ein Zustimmungsrecht für neue Steuern, und ein Petitionsrecht in innern Angelegenheiten zugesichert wurde. Dadurch trat Preuszen aus der Classe der absoluten in die der beschränkten Monarchie über, und näherte sich den deutschen Repräsentativstaten bedeutend. Der An-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/494>, abgerufen am 24.11.2024.