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Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875.

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Neunzehntes Cap. III. Die Aristokratie. Bemerkungen über die Aristokratie.
von Familien und Personen geeinigt haben. Die Aristokratie
der Aemter und Würden kann vorzugsweise als eine po-
litisch motivirte angesehen werden, am ehesten dann, wenn
sie noch als Wahlaristokratie erscheint, weniger wenn sie,
wie im Mittelalter gewöhnlich geschehen ist, allmählich zur
Erbaristokratie und in Folge dessen wieder zur Ge-
schlechter- oder Adelsaristokratie wird.

Oft wird zugleich auf verschiedene vorzügliche Eigen-
schaften gesehen und diese combinirte Aristokratie ist sicherer
und besser als die einseitig auf Einen Vorzug gegründete
Herrschaft, welche alle andern von Natur aristokratischen
Classen oder Personen zu natürlichen Gegnern hat.

Die Aristokratie liebt es ihre Vorzüge glänzen zu lassen.
Indem sie daher mit Vorliebe die äuszere Hoheit und Würde
des States zu zeigen pflegt, veredelt sie die statlichen Formen
und verstärkt sie die öffentliche Autorität. Sie kann eher
noch der Liebe des regierten Volkes, aber nie der Achtung
desselben entbehren. Daher sucht sie durch die äuszere feier-
liche Erscheinung zu imponiren, und ihr Selbstgefühl, ihr Stolz
prägt sich dem State ein. Es ist das ein unverkennbarer
Vorzug der aristokratischen vor der demokratischen Stats-
form, welche leicht auch ihre Obrigkeit und selbst den Stat
in die Niederung des gemeinen Lebens herabzieht.

Aber an den Vorzug schlieszt sich die Gefahr ganz nahe
an, dasz die herrschenden Classen sich selbst überheben, und
die regierten Classen weder hinreichend achten, noch ihnen
eine genügende Sorge zuwenden. Daher begegnen wir nicht
selten in der Geschichte der Aristokratien einer kalten, mit
Geringschätzung begleiteten und dadurch um so verletzen-
deren Härte und selbst Grausamkeit gegen die niedern
Schichten der Bevölkerung. Das Verfahren der Spartiaten
gegen die Heloten, die Bedrückung der plebejischen
Schuldner
durch die Patricier, die Miszhandlung der
irischen Pächter durch die englischen Grundherren,

Neunzehntes Cap. III. Die Aristokratie. Bemerkungen über die Aristokratie.
von Familien und Personen geeinigt haben. Die Aristokratie
der Aemter und Würden kann vorzugsweise als eine po-
litisch motivirte angesehen werden, am ehesten dann, wenn
sie noch als Wahlaristokratie erscheint, weniger wenn sie,
wie im Mittelalter gewöhnlich geschehen ist, allmählich zur
Erbaristokratie und in Folge dessen wieder zur Ge-
schlechter- oder Adelsaristokratie wird.

Oft wird zugleich auf verschiedene vorzügliche Eigen-
schaften gesehen und diese combinirte Aristokratie ist sicherer
und besser als die einseitig auf Einen Vorzug gegründete
Herrschaft, welche alle andern von Natur aristokratischen
Classen oder Personen zu natürlichen Gegnern hat.

Die Aristokratie liebt es ihre Vorzüge glänzen zu lassen.
Indem sie daher mit Vorliebe die äuszere Hoheit und Würde
des States zu zeigen pflegt, veredelt sie die statlichen Formen
und verstärkt sie die öffentliche Autorität. Sie kann eher
noch der Liebe des regierten Volkes, aber nie der Achtung
desselben entbehren. Daher sucht sie durch die äuszere feier-
liche Erscheinung zu imponiren, und ihr Selbstgefühl, ihr Stolz
prägt sich dem State ein. Es ist das ein unverkennbarer
Vorzug der aristokratischen vor der demokratischen Stats-
form, welche leicht auch ihre Obrigkeit und selbst den Stat
in die Niederung des gemeinen Lebens herabzieht.

Aber an den Vorzug schlieszt sich die Gefahr ganz nahe
an, dasz die herrschenden Classen sich selbst überheben, und
die regierten Classen weder hinreichend achten, noch ihnen
eine genügende Sorge zuwenden. Daher begegnen wir nicht
selten in der Geschichte der Aristokratien einer kalten, mit
Geringschätzung begleiteten und dadurch um so verletzen-
deren Härte und selbst Grausamkeit gegen die niedern
Schichten der Bevölkerung. Das Verfahren der Spartiaten
gegen die Heloten, die Bedrückung der plebejischen
Schuldner
durch die Patricier, die Miszhandlung der
irischen Pächter durch die englischen Grundherren,

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[519/0537] Neunzehntes Cap. III. Die Aristokratie. Bemerkungen über die Aristokratie. von Familien und Personen geeinigt haben. Die Aristokratie der Aemter und Würden kann vorzugsweise als eine po- litisch motivirte angesehen werden, am ehesten dann, wenn sie noch als Wahlaristokratie erscheint, weniger wenn sie, wie im Mittelalter gewöhnlich geschehen ist, allmählich zur Erbaristokratie und in Folge dessen wieder zur Ge- schlechter- oder Adelsaristokratie wird. Oft wird zugleich auf verschiedene vorzügliche Eigen- schaften gesehen und diese combinirte Aristokratie ist sicherer und besser als die einseitig auf Einen Vorzug gegründete Herrschaft, welche alle andern von Natur aristokratischen Classen oder Personen zu natürlichen Gegnern hat. Die Aristokratie liebt es ihre Vorzüge glänzen zu lassen. Indem sie daher mit Vorliebe die äuszere Hoheit und Würde des States zu zeigen pflegt, veredelt sie die statlichen Formen und verstärkt sie die öffentliche Autorität. Sie kann eher noch der Liebe des regierten Volkes, aber nie der Achtung desselben entbehren. Daher sucht sie durch die äuszere feier- liche Erscheinung zu imponiren, und ihr Selbstgefühl, ihr Stolz prägt sich dem State ein. Es ist das ein unverkennbarer Vorzug der aristokratischen vor der demokratischen Stats- form, welche leicht auch ihre Obrigkeit und selbst den Stat in die Niederung des gemeinen Lebens herabzieht. Aber an den Vorzug schlieszt sich die Gefahr ganz nahe an, dasz die herrschenden Classen sich selbst überheben, und die regierten Classen weder hinreichend achten, noch ihnen eine genügende Sorge zuwenden. Daher begegnen wir nicht selten in der Geschichte der Aristokratien einer kalten, mit Geringschätzung begleiteten und dadurch um so verletzen- deren Härte und selbst Grausamkeit gegen die niedern Schichten der Bevölkerung. Das Verfahren der Spartiaten gegen die Heloten, die Bedrückung der plebejischen Schuldner durch die Patricier, die Miszhandlung der irischen Pächter durch die englischen Grundherren,

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Allgemeine Statslehre. Stuttgart, 1875, S. 519. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_staatslehre_1875/537>, abgerufen am 24.11.2024.