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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Einleitung.
Seemächten anerkannt. Aber als endlich die Vereinigten Staaten erklärten,
sie werden dieses geschichtliche Recht, welches dem natürlichen Recht der
freien Seefahrt widerstreite, nicht ferner respectiren, ließ sich auch Dänemark
willig auf den anerbotenen Loskauf mit den europäischen Staten ein. Die
Freiheit der Meere ward nun auch in diesem Falle anerkannt.

Nachdem einmal der natürliche Zusammenhang der öffentlichen Ge-
wässer und ihre Bestimmung, der Schiffahrt aller Nationen zu dienen,
erkannt und anerkannt war, führten diese Gedanken zu weitern Befrei-
ungen. Man mußte zugestehen, daß die Gebietshoheit sich nicht ganz auf
den festen Erdboden beschränken läßt. Mehr noch als der nasse Küsten-
saum am Meere, und als die Buchten und Rheden, welche vom Festland
her theilweise beherrscht werden, gehören die großen Ströme und Flüsse,
welche durch ein Land fließen oder seine Gränze bilden, und die Häfen,
welche durch öffentliche Werke geschützt sind, damit sie hinwieder die Schiffe
schützen können, einem bestimmten Statsgebiete zu und sind der Aufsicht
und Sorge des Einzelstates unterworfen. Sie sind ein fließender Theil
des Landes, und nicht wie das offene Meer frei von jeder besondern
Statshoheit.

Allein neben jener Zutheilung zu einem Sondergebiete muß auch
die natürliche Verbindung der schiffbaren Ströme, Flüsse, Seen,
Häfen mit der offenen See beachtet werden, und insoweit ist jene aus-
schließliche Gebietshoheit durch die Rücksicht auf die Verkehrsgemeinschaft zu
ermäßigen und abzuändern. Von dem freien und offenen Meere her fahren
die Schiffe der verschiedenen Nationen in die Seehäfen und in die Flüsse
der Staten ein. Die Freiheit des internationalen Verkehrs wäre gehemmt
und die Gemeinschaft in der Benutzung öffentlicher Gewässer wäre gestört,
wenn jeder Stat willkürlich alle seine Häfen und Flüsse für fremde
Schiffe unzugänglich machen dürfte. Wenn ein Fluß durch mehrere Stats-
gebiete hindurch fließt, um sich ins Meer zu ergießen, so könnten die einen
Staten, insofern ihre Gebietshoheit nicht beschränkt würde, die andern von
dem Seeverkehr absperren, und die Gewässer würden ihrer natürlichen
Bestimmung, die Nationen zu verbinden, entfremdet.

Zuerst wurde diese neue Forderung des Völkerrechts, daß der Zu-
sammenhang der öffentlichen Gewässer beachtet und die Freiheit der Schiff-
fahrt geschützt werde, im Pariserfrieden von 1814 in Anwendung auf die
Rheinschiffahrt ausgesprochen und zugleich eine allgemeine Durchführung des
Princips auf allen europäischen Flüssen in Aussicht gestellt. Es war haupt-

Einleitung.
Seemächten anerkannt. Aber als endlich die Vereinigten Staaten erklärten,
ſie werden dieſes geſchichtliche Recht, welches dem natürlichen Recht der
freien Seefahrt widerſtreite, nicht ferner reſpectiren, ließ ſich auch Dänemark
willig auf den anerbotenen Loskauf mit den europäiſchen Staten ein. Die
Freiheit der Meere ward nun auch in dieſem Falle anerkannt.

Nachdem einmal der natürliche Zuſammenhang der öffentlichen Ge-
wäſſer und ihre Beſtimmung, der Schiffahrt aller Nationen zu dienen,
erkannt und anerkannt war, führten dieſe Gedanken zu weitern Befrei-
ungen. Man mußte zugeſtehen, daß die Gebietshoheit ſich nicht ganz auf
den feſten Erdboden beſchränken läßt. Mehr noch als der naſſe Küſten-
ſaum am Meere, und als die Buchten und Rheden, welche vom Feſtland
her theilweiſe beherrſcht werden, gehören die großen Ströme und Flüſſe,
welche durch ein Land fließen oder ſeine Gränze bilden, und die Häfen,
welche durch öffentliche Werke geſchützt ſind, damit ſie hinwieder die Schiffe
ſchützen können, einem beſtimmten Statsgebiete zu und ſind der Aufſicht
und Sorge des Einzelſtates unterworfen. Sie ſind ein fließender Theil
des Landes, und nicht wie das offene Meer frei von jeder beſondern
Statshoheit.

Allein neben jener Zutheilung zu einem Sondergebiete muß auch
die natürliche Verbindung der ſchiffbaren Ströme, Flüſſe, Seen,
Häfen mit der offenen See beachtet werden, und inſoweit iſt jene aus-
ſchließliche Gebietshoheit durch die Rückſicht auf die Verkehrsgemeinſchaft zu
ermäßigen und abzuändern. Von dem freien und offenen Meere her fahren
die Schiffe der verſchiedenen Nationen in die Seehäfen und in die Flüſſe
der Staten ein. Die Freiheit des internationalen Verkehrs wäre gehemmt
und die Gemeinſchaft in der Benutzung öffentlicher Gewäſſer wäre geſtört,
wenn jeder Stat willkürlich alle ſeine Häfen und Flüſſe für fremde
Schiffe unzugänglich machen dürfte. Wenn ein Fluß durch mehrere Stats-
gebiete hindurch fließt, um ſich ins Meer zu ergießen, ſo könnten die einen
Staten, inſofern ihre Gebietshoheit nicht beſchränkt würde, die andern von
dem Seeverkehr abſperren, und die Gewäſſer würden ihrer natürlichen
Beſtimmung, die Nationen zu verbinden, entfremdet.

Zuerſt wurde dieſe neue Forderung des Völkerrechts, daß der Zu-
ſammenhang der öffentlichen Gewäſſer beachtet und die Freiheit der Schiff-
fahrt geſchützt werde, im Pariſerfrieden von 1814 in Anwendung auf die
Rheinſchiffahrt ausgeſprochen und zugleich eine allgemeine Durchführung des
Princips auf allen europäiſchen Flüſſen in Ausſicht geſtellt. Es war haupt-

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[27/0049] Einleitung. Seemächten anerkannt. Aber als endlich die Vereinigten Staaten erklärten, ſie werden dieſes geſchichtliche Recht, welches dem natürlichen Recht der freien Seefahrt widerſtreite, nicht ferner reſpectiren, ließ ſich auch Dänemark willig auf den anerbotenen Loskauf mit den europäiſchen Staten ein. Die Freiheit der Meere ward nun auch in dieſem Falle anerkannt. Nachdem einmal der natürliche Zuſammenhang der öffentlichen Ge- wäſſer und ihre Beſtimmung, der Schiffahrt aller Nationen zu dienen, erkannt und anerkannt war, führten dieſe Gedanken zu weitern Befrei- ungen. Man mußte zugeſtehen, daß die Gebietshoheit ſich nicht ganz auf den feſten Erdboden beſchränken läßt. Mehr noch als der naſſe Küſten- ſaum am Meere, und als die Buchten und Rheden, welche vom Feſtland her theilweiſe beherrſcht werden, gehören die großen Ströme und Flüſſe, welche durch ein Land fließen oder ſeine Gränze bilden, und die Häfen, welche durch öffentliche Werke geſchützt ſind, damit ſie hinwieder die Schiffe ſchützen können, einem beſtimmten Statsgebiete zu und ſind der Aufſicht und Sorge des Einzelſtates unterworfen. Sie ſind ein fließender Theil des Landes, und nicht wie das offene Meer frei von jeder beſondern Statshoheit. Allein neben jener Zutheilung zu einem Sondergebiete muß auch die natürliche Verbindung der ſchiffbaren Ströme, Flüſſe, Seen, Häfen mit der offenen See beachtet werden, und inſoweit iſt jene aus- ſchließliche Gebietshoheit durch die Rückſicht auf die Verkehrsgemeinſchaft zu ermäßigen und abzuändern. Von dem freien und offenen Meere her fahren die Schiffe der verſchiedenen Nationen in die Seehäfen und in die Flüſſe der Staten ein. Die Freiheit des internationalen Verkehrs wäre gehemmt und die Gemeinſchaft in der Benutzung öffentlicher Gewäſſer wäre geſtört, wenn jeder Stat willkürlich alle ſeine Häfen und Flüſſe für fremde Schiffe unzugänglich machen dürfte. Wenn ein Fluß durch mehrere Stats- gebiete hindurch fließt, um ſich ins Meer zu ergießen, ſo könnten die einen Staten, inſofern ihre Gebietshoheit nicht beſchränkt würde, die andern von dem Seeverkehr abſperren, und die Gewäſſer würden ihrer natürlichen Beſtimmung, die Nationen zu verbinden, entfremdet. Zuerſt wurde dieſe neue Forderung des Völkerrechts, daß der Zu- ſammenhang der öffentlichen Gewäſſer beachtet und die Freiheit der Schiff- fahrt geſchützt werde, im Pariſerfrieden von 1814 in Anwendung auf die Rheinſchiffahrt ausgeſprochen und zugleich eine allgemeine Durchführung des Princips auf allen europäiſchen Flüſſen in Ausſicht geſtellt. Es war haupt-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/49>, abgerufen am 23.11.2024.