Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Völkerrechtliche Personen. sind inzwischen nicht Staten und daher nicht Mitglieder der Völkergenossen-schaft, aber sie dürfen sich den allgemeinen Pflichten nicht entziehen und können völkerrechtliche Verträge schließen. Zur Zeit der großen Völkerwanderung zu Anfang des Mittelalters fand die- 22. Die Staten sind die Träger und Garanten des Völkerrechts und in- Erst seit der Auflösung der Einen romano-germanischen Christenheit des 23. Die einzelnen Menschen sind keine völkerrechtliche Personen in diesem Die Anlage zum Weltbürgerrecht ist bereits sichtbar, aber ihre Ausbildung Bluntschli, Das Völkerrecht. 5
Völkerrechtliche Perſonen. ſind inzwiſchen nicht Staten und daher nicht Mitglieder der Völkergenoſſen-ſchaft, aber ſie dürfen ſich den allgemeinen Pflichten nicht entziehen und können völkerrechtliche Verträge ſchließen. Zur Zeit der großen Völkerwanderung zu Anfang des Mittelalters fand die- 22. Die Staten ſind die Träger und Garanten des Völkerrechts und in- Erſt ſeit der Auflöſung der Einen romano-germaniſchen Chriſtenheit des 23. Die einzelnen Menſchen ſind keine völkerrechtliche Perſonen in dieſem Die Anlage zum Weltbürgerrecht iſt bereits ſichtbar, aber ihre Ausbildung Bluntſchli, Das Völkerrecht. 5
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Völkerrechtliche Perſonen.
ſind inzwiſchen nicht Staten und daher nicht Mitglieder der Völkergenoſſen-
ſchaft, aber ſie dürfen ſich den allgemeinen Pflichten nicht entziehen und
können völkerrechtliche Verträge ſchließen.
Zur Zeit der großen Völkerwanderung zu Anfang des Mittelalters fand die-
ſer Satz öftere Anwendung. In der heutigen Welt ſind die Staten feſter geworden;
aber unmöglich iſt eine Erneuerung ſolcher Auswanderungen nicht, wie ſchon die
Hinweiſung auf den Mormonenſtat zeigt.
22.
Die Staten ſind die Träger und Garanten des Völkerrechts und in-
ſofern völkerrechtliche Perſonen im höchſten Sinne des Worts.
Erſt ſeit der Auflöſung der Einen romano-germaniſchen Chriſtenheit des
Mittelalters in eine Anzahl ſelbſtändiger europäiſcher Staten iſt das heutige Völker-
recht entſtanden. Es ruht auf der Nothwendigkeit des menſchlich geordneten Neben-
einander der Staten, es wird gehandhabt durch die Autorität und geſchützt durch
die Macht dieſer Staten. Käme es zu einer neuen einheitlichen Geſammtordnung
und zu gemeinſamen Organen ihres Willens, ſo würde die gegenwärtige nicht
organiſirte Völkergenoſſenſchaft zum organiſirten Weltreich geeinigt, und das heutige
Völkerrecht in die Form des Weltrechts in höherem Sinne übergehen. Vgl. oben § 10.
23.
Die einzelnen Menſchen ſind keine völkerrechtliche Perſonen in dieſem
Sinne. Aber ſie haben Anſpruch auf den Schutz des Völkerrechts, wenn
in ihrer Perſon die von dem Völkerrecht gewährleiſteten Menſchenrechte
mißachtet worden ſind.
Die Anlage zum Weltbürgerrecht iſt bereits ſichtbar, aber ihre Ausbildung
iſt nur möglich, wenn es zu der politiſchen Organiſation der Welt kommen wird.
Der Einzelne iſt zunächſt als Individuum eine Privatperſon, ſodann hat er als
Bürger der Gemeinde und des Stats Antheil an den öffentlichen Rechten der Ge-
meinde und des Stats. Dort hat er auf Privatrecht, hier auf Statsrecht Anſpruch.
Auch ſeine Menſchenrechte werden zunächſt im State und durch die Rechtspflege des
States geſchützt. Seine menſchliche Perſönlichkeit reicht aber über den Stat hinaus.
„Das gemeinſame Vaterland iſt die Erde“. Heffter §. 15. Daher kann auch der
Einzelmenſch vorzüglich als Landesfremder in Beziehungen kommen, welche durch das
Völkerrecht geſchützt werden. Gäbe es ein Weltreich, ſo wäre er in dieſem Weltbür-
ger. Da es nur ein lockeres Nebeneinander der Staten gibt, ſo iſt er genöthigt, zu-
nächſt bei dem State, dem er als Statsgenoſſe angehört, auch die völkerrechtliche
Hülfe zu ſuchen. Indeſſen zeigt ſich auch darin die noch unvollſtändig entwickelte
Anlage zu höherer Statengemeinſchaft, daß auch fremde Staten ſich aus völkerrecht-
lichen Gründen des verletzten „Weltbürgers“ annehmen können, und oft an-
Bluntſchli, Das Völkerrecht. 5
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