Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.Zweites Buch. nehmen, wenn es an dem Schutz des genössischen States fehlt. In unzähligenFällen sind so in Asien Europäer von englischen oder russischen Gesanten geschützt worden, die weder dem englischen noch dem russischen Statsverband angehörten. 24. Auch die Parteien, selbst die organisirten Kriegsparteien gelten, wenn Ein Versuch zur Statenbildung zeigt sich zuweilen in der Organisation von 25. Nationale Gemeinschaften, welche keine statliche Organisation erhalten Inwiefern die Nationen zugleich politische Völker geworden sind oder den 26. Die christlichen Kirchen sind keine völkerrechtlichen Personen im obi- Zweites Buch. nehmen, wenn es an dem Schutz des genöſſiſchen States fehlt. In unzähligenFällen ſind ſo in Aſien Europäer von engliſchen oder ruſſiſchen Geſanten geſchützt worden, die weder dem engliſchen noch dem ruſſiſchen Statsverband angehörten. 24. Auch die Parteien, ſelbſt die organiſirten Kriegsparteien gelten, wenn Ein Verſuch zur Statenbildung zeigt ſich zuweilen in der Organiſation von 25. Nationale Gemeinſchaften, welche keine ſtatliche Organiſation erhalten Inwiefern die Nationen zugleich politiſche Völker geworden ſind oder den 26. Die chriſtlichen Kirchen ſind keine völkerrechtlichen Perſonen im obi- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0088" n="66"/><fw place="top" type="header">Zweites Buch.</fw><lb/> nehmen, wenn es an dem Schutz des <hi rendition="#g">genöſſiſchen</hi> States fehlt. In unzähligen<lb/> Fällen ſind ſo in Aſien Europäer von engliſchen oder ruſſiſchen Geſanten geſchützt<lb/> worden, die weder dem engliſchen noch dem ruſſiſchen Statsverband angehörten.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>24.</head><lb/> <p>Auch die Parteien, ſelbſt die organiſirten Kriegsparteien gelten, wenn<lb/> ſie nicht Staten ſind, nicht als völkerrechtliche Perſonen im eigentlichen<lb/> Sinn, obwohl ſie völkerrechtliche Pflichten zu beachten und je nach Um-<lb/> ſtänden durch das Völkerrecht geſchützte Anſprüche haben.</p><lb/> <p>Ein Verſuch zur Statenbildung zeigt ſich zuweilen in der Organiſation von<lb/> Kriegsparteien, welche ſich ſtatliche Macht aneignen. Aber ſo lange ſie es nicht zu<lb/> wirklicher Statenbildung gebracht haben, können ſie auch nicht als Glieder des Staten-<lb/> vereins angeſehen werden. Von der Art waren z. B. die aufſtändiſchen Bewohner<lb/> der Vend<hi rendition="#aq">é</hi>e, während der franzöſiſchen Revolution, die Tyroler im Jahr 1809, das<lb/> Corps von Schill 1813, die Freiſchaar Garibaldi’s 1860. Vgl. unten Buch <hi rendition="#aq">VIII.</hi><lb/> Cap. <hi rendition="#aq">I.</hi></p> </div><lb/> <div n="5"> <head>25.</head><lb/> <p>Nationale Gemeinſchaften, welche keine ſtatliche Organiſation erhalten<lb/> haben, ſind weder im Stats- noch im Völkerrecht Perſonen geworden.<lb/> Aber ſoweit in ihnen das allgemeine Menſchenrecht zu ſchützen iſt, iſt der<lb/> Schutz des Völkerrechts begründet.</p><lb/> <p>Inwiefern die Nationen zugleich politiſche Völker geworden ſind oder den<lb/> Hauptſtoff von Völkern bilden, bedürfen ſie keines beſondern völkerrechtlichen Schutzes.<lb/> Der <hi rendition="#g">Statsſchutz genügt</hi>. Wohl aber wird ein <hi rendition="#g">völkerrechtlicher Schutz</hi><lb/> Bedürfniß, wenn Nationen, welche nicht im State eine politiſch geſicherte Stellung<lb/> haben, in einer das Menſchenrecht mißachtenden Weiſe von dem State ſelber unter-<lb/> drückt werden, auf deſſen Schutz ſie zunächſt angewieſen ſind. Es iſt ein auffallender<lb/> Mangel des zeitigen Völkerrechts und eine Ueberſpannung der Statsſouveränetät, daß<lb/> für dieſen Schutz noch ſo wenig geſorgt iſt. Die gewaltſame Ausrottung der bar-<lb/> bariſchen Ureinwohner in dem Machtgebiete europäiſcher und amerikaniſcher Colonien,<lb/> wie z. B. der Indianer in Amerika, iſt eine Verletzung des Völkerrechts. Aber auch<lb/> die zeitweiſen Judenhetzen in europäiſchen Staten ſind nicht bloß ſtats- ſondern<lb/> ebenſo völkerrechtswidrig.</p> </div><lb/> <div n="5"> <head>26.</head><lb/> <p>Die chriſtlichen Kirchen ſind keine völkerrechtlichen Perſonen im obi-<lb/> gen Sinn, indem ſie nicht Träger und Garanten des Völkerrechts ſind,<lb/> aber ſie ſind den Staten ähnliche Perſonen und können mit den Staten<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [66/0088]
Zweites Buch.
nehmen, wenn es an dem Schutz des genöſſiſchen States fehlt. In unzähligen
Fällen ſind ſo in Aſien Europäer von engliſchen oder ruſſiſchen Geſanten geſchützt
worden, die weder dem engliſchen noch dem ruſſiſchen Statsverband angehörten.
24.
Auch die Parteien, ſelbſt die organiſirten Kriegsparteien gelten, wenn
ſie nicht Staten ſind, nicht als völkerrechtliche Perſonen im eigentlichen
Sinn, obwohl ſie völkerrechtliche Pflichten zu beachten und je nach Um-
ſtänden durch das Völkerrecht geſchützte Anſprüche haben.
Ein Verſuch zur Statenbildung zeigt ſich zuweilen in der Organiſation von
Kriegsparteien, welche ſich ſtatliche Macht aneignen. Aber ſo lange ſie es nicht zu
wirklicher Statenbildung gebracht haben, können ſie auch nicht als Glieder des Staten-
vereins angeſehen werden. Von der Art waren z. B. die aufſtändiſchen Bewohner
der Vendée, während der franzöſiſchen Revolution, die Tyroler im Jahr 1809, das
Corps von Schill 1813, die Freiſchaar Garibaldi’s 1860. Vgl. unten Buch VIII.
Cap. I.
25.
Nationale Gemeinſchaften, welche keine ſtatliche Organiſation erhalten
haben, ſind weder im Stats- noch im Völkerrecht Perſonen geworden.
Aber ſoweit in ihnen das allgemeine Menſchenrecht zu ſchützen iſt, iſt der
Schutz des Völkerrechts begründet.
Inwiefern die Nationen zugleich politiſche Völker geworden ſind oder den
Hauptſtoff von Völkern bilden, bedürfen ſie keines beſondern völkerrechtlichen Schutzes.
Der Statsſchutz genügt. Wohl aber wird ein völkerrechtlicher Schutz
Bedürfniß, wenn Nationen, welche nicht im State eine politiſch geſicherte Stellung
haben, in einer das Menſchenrecht mißachtenden Weiſe von dem State ſelber unter-
drückt werden, auf deſſen Schutz ſie zunächſt angewieſen ſind. Es iſt ein auffallender
Mangel des zeitigen Völkerrechts und eine Ueberſpannung der Statsſouveränetät, daß
für dieſen Schutz noch ſo wenig geſorgt iſt. Die gewaltſame Ausrottung der bar-
bariſchen Ureinwohner in dem Machtgebiete europäiſcher und amerikaniſcher Colonien,
wie z. B. der Indianer in Amerika, iſt eine Verletzung des Völkerrechts. Aber auch
die zeitweiſen Judenhetzen in europäiſchen Staten ſind nicht bloß ſtats- ſondern
ebenſo völkerrechtswidrig.
26.
Die chriſtlichen Kirchen ſind keine völkerrechtlichen Perſonen im obi-
gen Sinn, indem ſie nicht Träger und Garanten des Völkerrechts ſind,
aber ſie ſind den Staten ähnliche Perſonen und können mit den Staten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |