Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

für die Tr-ll-rischen Fabeln.
der vorsichtigen Beysorge, es mögte selbi-
ges etwann von neidigen Spöttern wider
die Absicht des Lobredners verdrehet und
gemißdeutet werden. Sehet da ein seltenes
Muster einer recht edelmüthigen Beschei-
denheit bey einem Verdienst-vollen Dich-
ter, und zugleich die wahre Ursache, wa-
rum er in der Vorrede zu seinem neuesten
Fabelwerck das Wort selbst führet, doch so,
daß es scheinet, als ob er von einem an-
dern rede.

Wollte aber jemand nur dieses behaup-
ten wollen, Hr. Tr-ll-r habe diese Vorre-
de nicht selbst geschrieben, sondern nur et-
wa in die Feder dictirt, oder nachdem sie
von einem seiner Schüler verfertiget wor-
den, übersehen, verändert und verbessert,
so will ich mit einem solchen keinen Zanck
anfangen, massen auch in diesem Sinne
von Hrn. Tr-ll-r eben so wohl kan gesagt
werden, daß er der Verfasser dieser Schutz-
Schrift sey, als dorten von Herodes ge-
sagt wird, er habe alle Kindlein zu Betle-
hem getödet.

Alleine ich will das gereizte Verlangen
meiner Leser nicht länger an dem Genusse
meines Manuscripts hindern, zumahl da ich
dessen Werth bisdahin nicht geschickter an-
gepriesen habe, als dorten die Lobredner
Salomons bey der Königin von Saba die

Weiß-
B 4

fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln.
der vorſichtigen Beyſorge, es moͤgte ſelbi-
ges etwann von neidigen Spoͤttern wider
die Abſicht des Lobredners verdrehet und
gemißdeutet werden. Sehet da ein ſeltenes
Muſter einer recht edelmuͤthigen Beſchei-
denheit bey einem Verdienſt-vollen Dich-
ter, und zugleich die wahre Urſache, wa-
rum er in der Vorrede zu ſeinem neueſten
Fabelwerck das Wort ſelbſt fuͤhret, doch ſo,
daß es ſcheinet, als ob er von einem an-
dern rede.

Wollte aber jemand nur dieſes behaup-
ten wollen, Hr. Tr-ll-r habe dieſe Vorre-
de nicht ſelbſt geſchrieben, ſondern nur et-
wa in die Feder dictirt, oder nachdem ſie
von einem ſeiner Schuͤler verfertiget wor-
den, uͤberſehen, veraͤndert und verbeſſert,
ſo will ich mit einem ſolchen keinen Zanck
anfangen, maſſen auch in dieſem Sinne
von Hrn. Tr-ll-r eben ſo wohl kan geſagt
werden, daß er der Verfaſſer dieſer Schutz-
Schrift ſey, als dorten von Herodes ge-
ſagt wird, er habe alle Kindlein zu Betle-
hem getoͤdet.

Alleine ich will das gereizte Verlangen
meiner Leſer nicht laͤnger an dem Genuſſe
meines Manuſcripts hindern, zumahl da ich
deſſen Werth bisdahin nicht geſchickter an-
geprieſen habe, als dorten die Lobredner
Salomons bey der Koͤnigin von Saba die

Weiß-
B 4
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0025" n="23"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">fu&#x0364;r die Tr-ll-ri&#x017F;chen Fabeln.</hi></fw><lb/>
der vor&#x017F;ichtigen Bey&#x017F;orge, es mo&#x0364;gte &#x017F;elbi-<lb/>
ges etwann von neidigen Spo&#x0364;ttern wider<lb/>
die Ab&#x017F;icht des Lobredners verdrehet und<lb/>
gemißdeutet werden. Sehet da ein &#x017F;eltenes<lb/>
Mu&#x017F;ter einer recht edelmu&#x0364;thigen Be&#x017F;chei-<lb/>
denheit bey einem Verdien&#x017F;t-vollen Dich-<lb/>
ter, und zugleich die wahre Ur&#x017F;ache, wa-<lb/>
rum er in der Vorrede zu &#x017F;einem neue&#x017F;ten<lb/>
Fabelwerck das Wort &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;hret, doch &#x017F;o,<lb/>
daß es &#x017F;cheinet, als ob er von einem an-<lb/>
dern rede.</p><lb/>
          <p>Wollte aber jemand nur die&#x017F;es behaup-<lb/>
ten wollen, Hr. Tr-ll-r habe die&#x017F;e Vorre-<lb/>
de nicht &#x017F;elb&#x017F;t ge&#x017F;chrieben, &#x017F;ondern nur et-<lb/>
wa in die Feder dictirt, oder nachdem &#x017F;ie<lb/>
von einem &#x017F;einer Schu&#x0364;ler verfertiget wor-<lb/>
den, u&#x0364;ber&#x017F;ehen, vera&#x0364;ndert und verbe&#x017F;&#x017F;ert,<lb/>
&#x017F;o will ich mit einem &#x017F;olchen keinen Zanck<lb/>
anfangen, ma&#x017F;&#x017F;en auch in die&#x017F;em Sinne<lb/>
von Hrn. Tr-ll-r eben &#x017F;o wohl kan ge&#x017F;agt<lb/>
werden, daß er der Verfa&#x017F;&#x017F;er die&#x017F;er Schutz-<lb/>
Schrift &#x017F;ey, als dorten von Herodes ge-<lb/>
&#x017F;agt wird, <hi rendition="#fr">er habe alle Kindlein zu Betle-<lb/>
hem geto&#x0364;det.</hi></p><lb/>
          <p>Alleine ich will das gereizte Verlangen<lb/>
meiner Le&#x017F;er nicht la&#x0364;nger an dem Genu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
meines Manu&#x017F;cripts hindern, zumahl da ich<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Werth bisdahin nicht ge&#x017F;chickter an-<lb/>
geprie&#x017F;en habe, als dorten die Lobredner<lb/>
Salomons bey der Ko&#x0364;nigin von Saba die<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">B 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Weiß-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[23/0025] fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. der vorſichtigen Beyſorge, es moͤgte ſelbi- ges etwann von neidigen Spoͤttern wider die Abſicht des Lobredners verdrehet und gemißdeutet werden. Sehet da ein ſeltenes Muſter einer recht edelmuͤthigen Beſchei- denheit bey einem Verdienſt-vollen Dich- ter, und zugleich die wahre Urſache, wa- rum er in der Vorrede zu ſeinem neueſten Fabelwerck das Wort ſelbſt fuͤhret, doch ſo, daß es ſcheinet, als ob er von einem an- dern rede. Wollte aber jemand nur dieſes behaup- ten wollen, Hr. Tr-ll-r habe dieſe Vorre- de nicht ſelbſt geſchrieben, ſondern nur et- wa in die Feder dictirt, oder nachdem ſie von einem ſeiner Schuͤler verfertiget wor- den, uͤberſehen, veraͤndert und verbeſſert, ſo will ich mit einem ſolchen keinen Zanck anfangen, maſſen auch in dieſem Sinne von Hrn. Tr-ll-r eben ſo wohl kan geſagt werden, daß er der Verfaſſer dieſer Schutz- Schrift ſey, als dorten von Herodes ge- ſagt wird, er habe alle Kindlein zu Betle- hem getoͤdet. Alleine ich will das gereizte Verlangen meiner Leſer nicht laͤnger an dem Genuſſe meines Manuſcripts hindern, zumahl da ich deſſen Werth bisdahin nicht geſchickter an- geprieſen habe, als dorten die Lobredner Salomons bey der Koͤnigin von Saba die Weiß- B 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/25
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/25>, abgerufen am 09.11.2024.