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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Stücke der Schutzvorrede
und ehrliche Leute so unbändig anzugreiffen,
als ob es einen sonderbaren Glaubens-Ar-
tickel oder bedencklichen Friedens-Schluß
anbeträfe. Richer mag ihm antworten:

Du solide Censeur distinguons le Pedant!
Cet Animal chagrin, plein d'un orgueil extreme,
N'aprouve rien, que ce, qu'il fait lui-meme.
Sur tout il imprime sa dent.

Man weiß wohl die Freyheit, die Gelehrte


dieß-
unser
Ehrliche Leute) Ehrliche Leute angreiffen, ist
eine zweydeutige Redensart; denn entweder heißt die-
ses jemand durch Verleumdung an seinem ehrlichen
Nahmen kräncken, oder, einen ehrlichen, unverleum-
deten Mann wegen einiger Mängel und Gebrechen,
die den ehrlichen Nahmen nicht berühren, tadeln und
bestrafen. Und in diesem leztern Sinn wird dieser Aus-
druck öfters per fallaciam compositionis, wie die Schul-
gelehrten sich in ihrer geweyheten Sprache ausdrücken,
gemißbraucht; grad als ob einer kein ehrlicher Mann
seyn könnte, wenn er nicht ein untadelhafter Poet,
oder unverbesserlicher Fabeldichter wäre. Man kan
darüber mit Erbauung nachlesen, was in der Samm-
lung satyrischer und ernsthafter Schriften,
in der
Vertheidigung Briontes des jüngern, absonderlich
Bl. 254. und 255. über diese Materie vorkömmt.
Man weiß wohl die Freyheit, die etc.) Und wa-
rum sollten es die Herren Hamburger nicht wissen, da
Briontes der jüngere solches erst neulich mitten unter
ihnen so handgreiflich erwiesen hat, daß ich glaube, es
sey wohl mehr als einer, der es heimlich befeufze, daß
diese Wahrheit Wahrheit ist. Siehe die Vertheid.
Briont. des jüngern Bl. 256. 259. 260. u. f. Aber

Stuͤcke der Schutzvorrede
und ehrliche Leute ſo unbaͤndig anzugreiffen,
als ob es einen ſonderbaren Glaubens-Ar-
tickel oder bedencklichen Friedens-Schluß
anbetraͤfe. Richer mag ihm antworten:

Du ſolide Cenſeur diſtinguons le Pédant!
Cet Animal chagrin, plein d’un orgueil extréme,
N’aprouve rien, que ce, qu’il fait lui-même.
Sur tout il imprime ſa dent.

Man weiß wohl die Freyheit, die Gelehrte


dieß-
unſer
Ehrliche Leute) Ehrliche Leute angreiffen, iſt
eine zweydeutige Redensart; denn entweder heißt die-
ſes jemand durch Verleumdung an ſeinem ehrlichen
Nahmen kraͤncken, oder, einen ehrlichen, unverleum-
deten Mann wegen einiger Maͤngel und Gebrechen,
die den ehrlichen Nahmen nicht beruͤhren, tadeln und
beſtrafen. Und in dieſem leztern Sinn wird dieſer Aus-
druck oͤfters per fallaciam compoſitionis, wie die Schul-
gelehrten ſich in ihrer geweyheten Sprache ausdruͤcken,
gemißbraucht; grad als ob einer kein ehrlicher Mann
ſeyn koͤnnte, wenn er nicht ein untadelhafter Poet,
oder unverbeſſerlicher Fabeldichter waͤre. Man kan
daruͤber mit Erbauung nachleſen, was in der Samm-
lung ſatyriſcher und ernſthafter Schriften,
in der
Vertheidigung Briontes des juͤngern, abſonderlich
Bl. 254. und 255. uͤber dieſe Materie vorkoͤmmt.
Man weiß wohl die Freyheit, die ꝛc.) Und wa-
rum ſollten es die Herren Hamburger nicht wiſſen, da
Briontes der juͤngere ſolches erſt neulich mitten unter
ihnen ſo handgreiflich erwieſen hat, daß ich glaube, es
ſey wohl mehr als einer, der es heimlich befeufze, daß
dieſe Wahrheit Wahrheit iſt. Siehe die Vertheid.
Briont. des juͤngern Bl. 256. 259. 260. u. f. Aber
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[32/0034] Stuͤcke der Schutzvorrede und ehrliche Leute ſo unbaͤndig anzugreiffen, als ob es einen ſonderbaren Glaubens-Ar- tickel oder bedencklichen Friedens-Schluß anbetraͤfe. Richer mag ihm antworten: Du ſolide Cenſeur diſtinguons le Pédant! Cet Animal chagrin, plein d’un orgueil extréme, N’aprouve rien, que ce, qu’il fait lui-même. Sur tout il imprime ſa dent. Man weiß wohl die Freyheit, die Gelehrte dieß- unſer Ehrliche Leute) Ehrliche Leute angreiffen, iſt eine zweydeutige Redensart; denn entweder heißt die- ſes jemand durch Verleumdung an ſeinem ehrlichen Nahmen kraͤncken, oder, einen ehrlichen, unverleum- deten Mann wegen einiger Maͤngel und Gebrechen, die den ehrlichen Nahmen nicht beruͤhren, tadeln und beſtrafen. Und in dieſem leztern Sinn wird dieſer Aus- druck oͤfters per fallaciam compoſitionis, wie die Schul- gelehrten ſich in ihrer geweyheten Sprache ausdruͤcken, gemißbraucht; grad als ob einer kein ehrlicher Mann ſeyn koͤnnte, wenn er nicht ein untadelhafter Poet, oder unverbeſſerlicher Fabeldichter waͤre. Man kan daruͤber mit Erbauung nachleſen, was in der Samm- lung ſatyriſcher und ernſthafter Schriften, in der Vertheidigung Briontes des juͤngern, abſonderlich Bl. 254. und 255. uͤber dieſe Materie vorkoͤmmt. Man weiß wohl die Freyheit, die ꝛc.) Und wa- rum ſollten es die Herren Hamburger nicht wiſſen, da Briontes der juͤngere ſolches erſt neulich mitten unter ihnen ſo handgreiflich erwieſen hat, daß ich glaube, es ſey wohl mehr als einer, der es heimlich befeufze, daß dieſe Wahrheit Wahrheit iſt. Siehe die Vertheid. Briont. des juͤngern Bl. 256. 259. 260. u. f. Aber

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/34>, abgerufen am 23.11.2024.