[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.Stücke der Schutzvorrede Dieß bringt der Wissenschaft gewiß den grösten Schaden,Den ihre Meister selbst durch Grobheit auf sich laden, Dadurch wird sie hernach vernünftigen verhaßt, Und ein Gelehrter ist so viel als ein Fantast. Man lese hiervon weiter unsers Verfassers wahr- nen Der selbst einer viel wichtigern Verbesserung nöthig) Ein bekanntes Schul-Dictum lautet: Turpe est Do- ctori, quem culpa redarguit ipsum. Wer andre mit Recht tadeln will, der muß selbst ohne Fehler und Ge- brechen seyn: Da nun keiner vollkommen und Engel- rein ist, so wäre es ja weit besser, und für die gemei- ne Ruhe weit vorträglicher, daß man das Tadeln und Richten, als ein friedenstörendes Handwerck, gäntzlich einstellete, und einander hälfe, die gemeine Unvoll- kommenheit mit dem Mantel der Liebe zudecken. Sol- cher läßt sich schon aus einander ziehen, daß er weit genug wird, die Blösse so vieler Leute zu bedecken. Mit Erstaunen) Der Verfasser kennet das Hertz
der Menschen, insbesondere seiner deutschen Leser, so wohl, daß er mit Gewißheit voraus sagen kan, was diese oder jene Vorstellung vor einen Eindruck auf das- selbe machen werde. Hier verkündiget er ein Erstau- Stuͤcke der Schutzvorrede Dieß bringt der Wiſſenſchaft gewiß den groͤſten Schaden,Den ihre Meiſter ſelbſt durch Grobheit auf ſich laden, Dadurch wird ſie hernach vernuͤnftigen verhaßt, Und ein Gelehrter iſt ſo viel als ein Fantaſt. Man leſe hiervon weiter unſers Verfaſſers wahr- nen Der ſelbſt einer viel wichtigern Verbeſſerung noͤthig) Ein bekanntes Schul-Dictum lautet: Turpe eſt Do- ctori, quem culpa redarguit ipſum. Wer andre mit Recht tadeln will, der muß ſelbſt ohne Fehler und Ge- brechen ſeyn: Da nun keiner vollkommen und Engel- rein iſt, ſo waͤre es ja weit beſſer, und fuͤr die gemei- ne Ruhe weit vortraͤglicher, daß man das Tadeln und Richten, als ein friedenſtoͤrendes Handwerck, gaͤntzlich einſtellete, und einander haͤlfe, die gemeine Unvoll- kommenheit mit dem Mantel der Liebe zudecken. Sol- cher laͤßt ſich ſchon aus einander ziehen, daß er weit genug wird, die Bloͤſſe ſo vieler Leute zu bedecken. Mit Erſtaunen) Der Verfaſſer kennet das Hertz
der Menſchen, insbeſondere ſeiner deutſchen Leſer, ſo wohl, daß er mit Gewißheit voraus ſagen kan, was dieſe oder jene Vorſtellung vor einen Eindruck auf das- ſelbe machen werde. Hier verkuͤndiget er ein Erſtau- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0036" n="34"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Stuͤcke der Schutzvorrede</hi> </fw><lb/> <l>Dieß bringt der Wiſſenſchaft gewiß den groͤſten Schaden,</l><lb/> <l>Den ihre Meiſter ſelbſt durch Grobheit auf ſich laden,</l><lb/> <l>Dadurch wird ſie hernach vernuͤnftigen verhaßt,</l><lb/> <l>Und ein Gelehrter iſt ſo viel als ein Fantaſt.</l> </lg><lb/> <p>Man leſe hiervon weiter unſers Verfaſſers<lb/> Gedichte auf den ſeel. Hrn. Fabricius, von der<lb/> unanſtaͤndigen Schmaͤhſucht der Gelehrten,<lb/> nebſt denen Anmerckungen, und beſſere ſich.<lb/> Man weiß nicht, ob man den boͤsartigen<lb/> Schriftrichter mehr belachen, oder beklagen<lb/> ſoll, welcher andern Leuten die Fehler in<lb/> Schriften zeigen will, und doch <hi rendition="#fr">ſelbſt einer<lb/> viel wichtigern Verbeſſerung</hi> ſeiner rauhen<lb/> und ſtoͤrriſchen Sitten u. unhoͤflichen Schreib-<lb/> art <hi rendition="#fr">noͤthig hat,</hi> wie der Leſer <hi rendition="#fr">mit Erſtaunen</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">wahr-</fw><lb/><note place="foot"><hi rendition="#fr">Der ſelbſt einer viel wichtigern Verbeſſerung noͤthig)</hi><lb/> Ein bekanntes Schul-<hi rendition="#aq">Dictum</hi> lautet: <hi rendition="#aq">Turpe eſt Do-<lb/> ctori, quem culpa redarguit ipſum.</hi> Wer andre mit<lb/> Recht tadeln will, der muß ſelbſt ohne Fehler und Ge-<lb/> brechen ſeyn: Da nun keiner vollkommen und Engel-<lb/> rein iſt, ſo waͤre es ja weit beſſer, und fuͤr die gemei-<lb/> ne Ruhe weit vortraͤglicher, daß man das Tadeln und<lb/> Richten, als ein friedenſtoͤrendes Handwerck, gaͤntzlich<lb/> einſtellete, und einander haͤlfe, die gemeine Unvoll-<lb/> kommenheit mit dem Mantel der Liebe zudecken. Sol-<lb/> cher laͤßt ſich ſchon aus einander ziehen, daß er weit<lb/> genug wird, die Bloͤſſe ſo vieler Leute zu bedecken.</note><lb/><note xml:id="f13" place="foot" next="#f14"><hi rendition="#fr">Mit Erſtaunen)</hi> Der Verfaſſer kennet das Hertz<lb/> der Menſchen, insbeſondere ſeiner deutſchen Leſer, ſo<lb/> wohl, daß er mit Gewißheit voraus ſagen kan, was<lb/> dieſe oder jene Vorſtellung vor einen Eindruck auf das-<lb/> ſelbe machen werde. Hier verkuͤndiget er ein Erſtau-</note><lb/> <fw place="bottom" type="catch">nen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [34/0036]
Stuͤcke der Schutzvorrede
Dieß bringt der Wiſſenſchaft gewiß den groͤſten Schaden,
Den ihre Meiſter ſelbſt durch Grobheit auf ſich laden,
Dadurch wird ſie hernach vernuͤnftigen verhaßt,
Und ein Gelehrter iſt ſo viel als ein Fantaſt.
Man leſe hiervon weiter unſers Verfaſſers
Gedichte auf den ſeel. Hrn. Fabricius, von der
unanſtaͤndigen Schmaͤhſucht der Gelehrten,
nebſt denen Anmerckungen, und beſſere ſich.
Man weiß nicht, ob man den boͤsartigen
Schriftrichter mehr belachen, oder beklagen
ſoll, welcher andern Leuten die Fehler in
Schriften zeigen will, und doch ſelbſt einer
viel wichtigern Verbeſſerung ſeiner rauhen
und ſtoͤrriſchen Sitten u. unhoͤflichen Schreib-
art noͤthig hat, wie der Leſer mit Erſtaunen
wahr-
nen
Der ſelbſt einer viel wichtigern Verbeſſerung noͤthig)
Ein bekanntes Schul-Dictum lautet: Turpe eſt Do-
ctori, quem culpa redarguit ipſum. Wer andre mit
Recht tadeln will, der muß ſelbſt ohne Fehler und Ge-
brechen ſeyn: Da nun keiner vollkommen und Engel-
rein iſt, ſo waͤre es ja weit beſſer, und fuͤr die gemei-
ne Ruhe weit vortraͤglicher, daß man das Tadeln und
Richten, als ein friedenſtoͤrendes Handwerck, gaͤntzlich
einſtellete, und einander haͤlfe, die gemeine Unvoll-
kommenheit mit dem Mantel der Liebe zudecken. Sol-
cher laͤßt ſich ſchon aus einander ziehen, daß er weit
genug wird, die Bloͤſſe ſo vieler Leute zu bedecken.
Mit Erſtaunen) Der Verfaſſer kennet das Hertz
der Menſchen, insbeſondere ſeiner deutſchen Leſer, ſo
wohl, daß er mit Gewißheit voraus ſagen kan, was
dieſe oder jene Vorſtellung vor einen Eindruck auf das-
ſelbe machen werde. Hier verkuͤndiget er ein Erſtau-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |