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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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in Miltons verlohrnen Paradiese.
Von dieser Art sind folgende: Eine Ruthe mit
Feuer besprenget;
Er redet von einer Zündru-
the; mit Schilfe und Sträuchern verbräm-
tes Gestade; Violen und Hyacinthen brodir-
ten den Boden mit einem reichen Stickwerke;
Die Erdenklösser kalbeten.
(*) Man sollte
darum nicht fürchten dürffen, daß jemand von un-
sern deutschen Sprachlehrern dergleichen Re-
densarten verwerffen würde, wenn es nicht würck-
lich geschehen wäre; denn welcher Deutscher ver-
stehet nicht, was besprengen, was verbrämt,
was brodirt, und endlich was kalben ist? Und wenn
diese Bilder zu den Wörtern Feuer, Schilf,
Violen, Erde,
gesezet werden, wer ist so plump,
daß er dasjenige, was von diesen Dingen gesagt
wird, nicht in der ähnlichen Vorstellung erkenne?
Jch erinnere mich hier, daß man in der Abhand-
lung von poetischen Gemählden, welche zuerst un-

ter
(*) Jch will die ganze Stelle ausschreiben: "Die
"Erde öffnete ihre fruchtbare Schooß, und begunte eine
"unzählige Menge von lebendigen Geschöpfen mit voll-
"kommenen Gestalten und ausgewachsenen Gliedmassen
"auszuheken; - - die Grasreichen Erdklösser kalbeten
"iezo; izo erschien der braune Löwe mit dem halben Leib."

Jst schier nach dem Buchstaben wahr, weil sie Kälber her-
vorbrachten. Also gründet sich dieser wunderbare Aus-
druck auf die Erzehlung einer sonderbaren Geschichte.
Von dieser Art ist, was Herr Haller von den Egyptern
gesagt hat, daß sie die Gartenbetter zu heiligen Tempeln
gemacht und ihre Götter gedünget haben. So wunder-
lich und krause die Verbindung dieser [z]wey wiederwärti-
gen Jdeen scheinet, Götter, und, Düngen, wird sie
doch durch die Geschichte genugsam gebilliget, daß die
Egypter dem Knoblauch göttliche Ehre bezeiget haben.
G 5

in Miltons verlohrnen Paradieſe.
Von dieſer Art ſind folgende: Eine Ruthe mit
Feuer beſprenget;
Er redet von einer Zuͤndru-
the; mit Schilfe und Straͤuchern verbraͤm-
tes Geſtade; Violen und Hyacinthen brodir-
ten den Boden mit einem reichen Stickwerke;
Die Erdenkloͤſſer kalbeten.
(*) Man ſollte
darum nicht fuͤrchten duͤrffen, daß jemand von un-
ſern deutſchen Sprachlehrern dergleichen Re-
densarten verwerffen wuͤrde, wenn es nicht wuͤrck-
lich geſchehen waͤre; denn welcher Deutſcher ver-
ſtehet nicht, was beſprengen, was verbraͤmt,
was brodirt, und endlich was kalben iſt? Und wenn
dieſe Bilder zu den Woͤrtern Feuer, Schilf,
Violen, Erde,
geſezet werden, wer iſt ſo plump,
daß er dasjenige, was von dieſen Dingen geſagt
wird, nicht in der aͤhnlichen Vorſtellung erkenne?
Jch erinnere mich hier, daß man in der Abhand-
lung von poetiſchen Gemaͤhlden, welche zuerſt un-

ter
(*) Jch will die ganze Stelle ausſchreiben: „Die
„Erde oͤffnete ihre fruchtbare Schooß, und begunte eine
„unzaͤhlige Menge von lebendigen Geſchoͤpfen mit voll-
„kommenen Geſtalten und ausgewachſenen Gliedmaſſen
„auszuheken; ‒ ‒ die Grasreichen Erdkloͤſſer kalbeten
„iezo; izo erſchien der braune Loͤwe mit dem halben Leib.„

Jſt ſchier nach dem Buchſtaben wahr, weil ſie Kaͤlber her-
vorbrachten. Alſo gruͤndet ſich dieſer wunderbare Aus-
druck auf die Erzehlung einer ſonderbaren Geſchichte.
Von dieſer Art iſt, was Herr Haller von den Egyptern
geſagt hat, daß ſie die Gartenbetter zu heiligen Tempeln
gemacht und ihre Goͤtter geduͤnget haben. So wunder-
lich und krauſe die Verbindung dieſer [z]wey wiederwaͤrti-
gen Jdeen ſcheinet, Goͤtter, und, Duͤngen, wird ſie
doch durch die Geſchichte genugſam gebilliget, daß die
Egypter dem Knoblauch goͤttliche Ehre bezeiget haben.
G 5
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[105/0107] in Miltons verlohrnen Paradieſe. Von dieſer Art ſind folgende: Eine Ruthe mit Feuer beſprenget; Er redet von einer Zuͤndru- the; mit Schilfe und Straͤuchern verbraͤm- tes Geſtade; Violen und Hyacinthen brodir- ten den Boden mit einem reichen Stickwerke; Die Erdenkloͤſſer kalbeten. (*) Man ſollte darum nicht fuͤrchten duͤrffen, daß jemand von un- ſern deutſchen Sprachlehrern dergleichen Re- densarten verwerffen wuͤrde, wenn es nicht wuͤrck- lich geſchehen waͤre; denn welcher Deutſcher ver- ſtehet nicht, was beſprengen, was verbraͤmt, was brodirt, und endlich was kalben iſt? Und wenn dieſe Bilder zu den Woͤrtern Feuer, Schilf, Violen, Erde, geſezet werden, wer iſt ſo plump, daß er dasjenige, was von dieſen Dingen geſagt wird, nicht in der aͤhnlichen Vorſtellung erkenne? Jch erinnere mich hier, daß man in der Abhand- lung von poetiſchen Gemaͤhlden, welche zuerſt un- ter (*) Jch will die ganze Stelle ausſchreiben: „Die „Erde oͤffnete ihre fruchtbare Schooß, und begunte eine „unzaͤhlige Menge von lebendigen Geſchoͤpfen mit voll- „kommenen Geſtalten und ausgewachſenen Gliedmaſſen „auszuheken; ‒ ‒ die Grasreichen Erdkloͤſſer kalbeten „iezo; izo erſchien der braune Loͤwe mit dem halben Leib.„ Jſt ſchier nach dem Buchſtaben wahr, weil ſie Kaͤlber her- vorbrachten. Alſo gruͤndet ſich dieſer wunderbare Aus- druck auf die Erzehlung einer ſonderbaren Geſchichte. Von dieſer Art iſt, was Herr Haller von den Egyptern geſagt hat, daß ſie die Gartenbetter zu heiligen Tempeln gemacht und ihre Goͤtter geduͤnget haben. So wunder- lich und krauſe die Verbindung dieſer zwey wiederwaͤrti- gen Jdeen ſcheinet, Goͤtter, und, Duͤngen, wird ſie doch durch die Geſchichte genugſam gebilliget, daß die Egypter dem Knoblauch goͤttliche Ehre bezeiget haben. G 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/107>, abgerufen am 21.11.2024.