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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Von der Schreibart
bildung und unrichtigen Urtheilskraft Miltons herr-
schend gefunden.

"Jch habe die Probe gemacht,
"sagt er, und ganze Stüke aus dem deutschen
"Milton mit aller möglichen Lebhaftigkeit Leu-
"ten vorgelesen, die sonst im Lesen der Poeten
"unverdrossen sind: Allein man hat theils an der
"seltsamen und wiederlichen Art des deutschen
"Ausdrukes, der sonst in allen unsern Büchern
"unerhört ist, theils an den schrecklichen und wil-
"den Gedanken des Poeten einen Ekel bekommen,
"und mich aufhören geheissen."

Jch zweifele
nicht, daß diese guten Leute das verlohrne Para-
dies nicht in seiner Grundsprache eben so verdrüß-
lich gefunden hätten, weil Miltons Verse, nach
dieses Richters Aussage, die er den Engelländern
selbst in den Mund geleget hat, sehr rauh und
hart, seine Sprache altväterisch ist, seine Wort-
fügung wider den Gebrauch und wider die
Sprachlehre läuft, sein Ausdruck gezwungen
ist.
Die widerliche und unerhörte Art des deut-
schen Ausdrukes ist zweifelsfrey aus dem Origi-
nale mit gehöriger Treue und Geschicklichkeit in die
Uebersezung geflossen. Allein wenn der Ueberse-
zer gleich die Sprache Miltons verschönert hätte,
wie Pietsch von Hrn. Prof. Gottsched das sonder-
bare Zeugniß erhalten hat, daß er mit Fenelons
Sprache im Telemach gethan habe, so wären
doch die Gedanken des Poeten wild und schrecklich
geblieben. Oder, sollte der Uebersezer wie die
Schreibart des Poeten verschönert, also die Ge-
danken desselben und derer Personen, die er auf-
führet, zahmer und menschlicher gemacht haben;

sollte

Von der Schreibart
bildung und unrichtigen Urtheilskraft Miltons herr-
ſchend gefunden.

„Jch habe die Probe gemacht,
„ſagt er, und ganze Stuͤke aus dem deutſchen
„Milton mit aller moͤglichen Lebhaftigkeit Leu-
„ten vorgeleſen, die ſonſt im Leſen der Poeten
„unverdroſſen ſind: Allein man hat theils an der
„ſeltſamen und wiederlichen Art des deutſchen
„Ausdrukes, der ſonſt in allen unſern Buͤchern
„unerhoͤrt iſt, theils an den ſchrecklichen und wil-
„den Gedanken des Poeten einen Ekel bekommen,
„und mich aufhoͤren geheiſſen.„

Jch zweifele
nicht, daß dieſe guten Leute das verlohrne Para-
dies nicht in ſeiner Grundſprache eben ſo verdruͤß-
lich gefunden haͤtten, weil Miltons Verſe, nach
dieſes Richters Ausſage, die er den Engellaͤndern
ſelbſt in den Mund geleget hat, ſehr rauh und
hart, ſeine Sprache altvaͤteriſch iſt, ſeine Wort-
fuͤgung wider den Gebrauch und wider die
Sprachlehre laͤuft, ſein Ausdruck gezwungen
iſt.
Die widerliche und unerhoͤrte Art des deut-
ſchen Ausdrukes iſt zweifelsfrey aus dem Origi-
nale mit gehoͤriger Treue und Geſchicklichkeit in die
Ueberſezung gefloſſen. Allein wenn der Ueberſe-
zer gleich die Sprache Miltons verſchoͤnert haͤtte,
wie Pietſch von Hrn. Prof. Gottſched das ſonder-
bare Zeugniß erhalten hat, daß er mit Fenelons
Sprache im Telemach gethan habe, ſo waͤren
doch die Gedanken des Poeten wild und ſchrecklich
geblieben. Oder, ſollte der Ueberſezer wie die
Schreibart des Poeten verſchoͤnert, alſo die Ge-
danken deſſelben und derer Perſonen, die er auf-
fuͤhret, zahmer und menſchlicher gemacht haben;

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[124/0126] Von der Schreibart bildung und unrichtigen Urtheilskraft Miltons herr- ſchend gefunden. „Jch habe die Probe gemacht, „ſagt er, und ganze Stuͤke aus dem deutſchen „Milton mit aller moͤglichen Lebhaftigkeit Leu- „ten vorgeleſen, die ſonſt im Leſen der Poeten „unverdroſſen ſind: Allein man hat theils an der „ſeltſamen und wiederlichen Art des deutſchen „Ausdrukes, der ſonſt in allen unſern Buͤchern „unerhoͤrt iſt, theils an den ſchrecklichen und wil- „den Gedanken des Poeten einen Ekel bekommen, „und mich aufhoͤren geheiſſen.„ Jch zweifele nicht, daß dieſe guten Leute das verlohrne Para- dies nicht in ſeiner Grundſprache eben ſo verdruͤß- lich gefunden haͤtten, weil Miltons Verſe, nach dieſes Richters Ausſage, die er den Engellaͤndern ſelbſt in den Mund geleget hat, ſehr rauh und hart, ſeine Sprache altvaͤteriſch iſt, ſeine Wort- fuͤgung wider den Gebrauch und wider die Sprachlehre laͤuft, ſein Ausdruck gezwungen iſt. Die widerliche und unerhoͤrte Art des deut- ſchen Ausdrukes iſt zweifelsfrey aus dem Origi- nale mit gehoͤriger Treue und Geſchicklichkeit in die Ueberſezung gefloſſen. Allein wenn der Ueberſe- zer gleich die Sprache Miltons verſchoͤnert haͤtte, wie Pietſch von Hrn. Prof. Gottſched das ſonder- bare Zeugniß erhalten hat, daß er mit Fenelons Sprache im Telemach gethan habe, ſo waͤren doch die Gedanken des Poeten wild und ſchrecklich geblieben. Oder, ſollte der Ueberſezer wie die Schreibart des Poeten verſchoͤnert, alſo die Ge- danken deſſelben und derer Perſonen, die er auf- fuͤhret, zahmer und menſchlicher gemacht haben; ſollte

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/126>, abgerufen am 24.11.2024.