[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.in Miltons verlohrnen Paradiese. sollte er dem Satan, Beelzebub, und Moloch, diezarten, lieblichen und fliessenden Gedanken eines deutschen Poeten in den Mund geleget haben? Als- dann wären sie vielleicht den geschickten Kennern, welchen der Criticus den deutschen Milton vorgele- sen hat, nicht so widerlich und seltsam vorgekom- men, daß sie ihn hätten aufhören geheissen; zumahl da sie im Lesen der deutschen Poeten so unverdros- sen sind. Aber Satan, Beelzebub und Moloch wären dann nicht mehr Teufel mit teuflischen Gedanken geblieben, sondern in Amthore, Gott- scheden und Pietschen verwandelt worden. Oder will der Kunsttadler sagen, in Satans Gedan- ken selber, so fern sie als Satans, und nicht als des Poeten Gedanken betrachtet werden, sey Lo- hensteinischer und Zieglerischer Schwulst, und et- was zu schreckliches und wildes? Was vor Ge- danken aber können zu aufgeschwollen für denjeni- gen seyn, welchen der Schwulst aus dem Himmel gestürzet hat? Das thörigtste wäre, wenn der un- besonnene Richter den Schwulst, den der Poet in die Gedanken dieses hochmüthigen Geistes geleget hat, vor Miltons eigene Gedanken genommen, und in solcher Betrachtung verurtheilet hätte. Jm übrigen werden von Milton nicht lauter Teufel aufgeführt, es kommen auch Engel in seinem Ge- dichte vor, und Menschen von der vollkommensten Art: Da mögte ich wissen, ob die Gedanken der- selben diesen Leuten von so poetischem Naturelle, denen sie von unserm Momus vorgelesen worden, eben so wild, schrecklich, und ekelhaft vorgekommen wären. Er sagt uns in seiner Schrift von dem Bathos
in Miltons verlohrnen Paradieſe. ſollte er dem Satan, Beelzebub, und Moloch, diezarten, lieblichen und flieſſenden Gedanken eines deutſchen Poeten in den Mund geleget haben? Als- dann waͤren ſie vielleicht den geſchickten Kennern, welchen der Criticus den deutſchen Milton vorgele- ſen hat, nicht ſo widerlich und ſeltſam vorgekom- men, daß ſie ihn haͤtten aufhoͤren geheiſſen; zumahl da ſie im Leſen der deutſchen Poeten ſo unverdroſ- ſen ſind. Aber Satan, Beelzebub und Moloch waͤren dann nicht mehr Teufel mit teufliſchen Gedanken geblieben, ſondern in Amthore, Gott- ſcheden und Pietſchen verwandelt worden. Oder will der Kunſttadler ſagen, in Satans Gedan- ken ſelber, ſo fern ſie als Satans, und nicht als des Poeten Gedanken betrachtet werden, ſey Lo- henſteiniſcher und Ziegleriſcher Schwulſt, und et- was zu ſchreckliches und wildes? Was vor Ge- danken aber koͤnnen zu aufgeſchwollen fuͤr denjeni- gen ſeyn, welchen der Schwulſt aus dem Himmel geſtuͤrzet hat? Das thoͤrigtſte waͤre, wenn der un- beſonnene Richter den Schwulſt, den der Poet in die Gedanken dieſes hochmuͤthigen Geiſtes geleget hat, vor Miltons eigene Gedanken genommen, und in ſolcher Betrachtung verurtheilet haͤtte. Jm uͤbrigen werden von Milton nicht lauter Teufel aufgefuͤhrt, es kommen auch Engel in ſeinem Ge- dichte vor, und Menſchen von der vollkommenſten Art: Da moͤgte ich wiſſen, ob die Gedanken der- ſelben dieſen Leuten von ſo poetiſchem Naturelle, denen ſie von unſerm Momus vorgeleſen worden, eben ſo wild, ſchrecklich, und ekelhaft vorgekommen waͤren. Er ſagt uns in ſeiner Schrift von dem Bathos
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in Miltons verlohrnen Paradieſe.
ſollte er dem Satan, Beelzebub, und Moloch, die
zarten, lieblichen und flieſſenden Gedanken eines
deutſchen Poeten in den Mund geleget haben? Als-
dann waͤren ſie vielleicht den geſchickten Kennern,
welchen der Criticus den deutſchen Milton vorgele-
ſen hat, nicht ſo widerlich und ſeltſam vorgekom-
men, daß ſie ihn haͤtten aufhoͤren geheiſſen; zumahl
da ſie im Leſen der deutſchen Poeten ſo unverdroſ-
ſen ſind. Aber Satan, Beelzebub und Moloch
waͤren dann nicht mehr Teufel mit teufliſchen
Gedanken geblieben, ſondern in Amthore, Gott-
ſcheden und Pietſchen verwandelt worden. Oder
will der Kunſttadler ſagen, in Satans Gedan-
ken ſelber, ſo fern ſie als Satans, und nicht als
des Poeten Gedanken betrachtet werden, ſey Lo-
henſteiniſcher und Ziegleriſcher Schwulſt, und et-
was zu ſchreckliches und wildes? Was vor Ge-
danken aber koͤnnen zu aufgeſchwollen fuͤr denjeni-
gen ſeyn, welchen der Schwulſt aus dem Himmel
geſtuͤrzet hat? Das thoͤrigtſte waͤre, wenn der un-
beſonnene Richter den Schwulſt, den der Poet in
die Gedanken dieſes hochmuͤthigen Geiſtes geleget
hat, vor Miltons eigene Gedanken genommen,
und in ſolcher Betrachtung verurtheilet haͤtte. Jm
uͤbrigen werden von Milton nicht lauter Teufel
aufgefuͤhrt, es kommen auch Engel in ſeinem Ge-
dichte vor, und Menſchen von der vollkommenſten
Art: Da moͤgte ich wiſſen, ob die Gedanken der-
ſelben dieſen Leuten von ſo poetiſchem Naturelle,
denen ſie von unſerm Momus vorgeleſen worden,
eben ſo wild, ſchrecklich, und ekelhaft vorgekommen
waͤren. Er ſagt uns in ſeiner Schrift von dem
Bathos
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