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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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von gelehrten Schriften.
den. Der Poet aber hat es wohl so böse nicht
gemeinet, als er es würcklich sagt, massen er auf
der 33sten Seite in einem Gegensaze dergleichen Cha-
racter selbst verabscheuet:

Was ist doch wohl ein Mensch, dem mein Erkänntniß fehlt?
Ein unvernünftig Thier, das Wahn und Blindheit quält.


Ein Freund der Tyranney, die alles das verdammt,
Was nicht aus ihrem Sinn, aus ihrer Lehre stammt. etc.

Das Versehen ist nur dieses, daß der gute Mann
vermeint hat, die Wahrheit könne so leicht durch
Jrrthum betrogen werden, als er selbst; und daß
er so bald wieder vergessen, daß er sein Wort der
Wahrheit übergeben hat. Die vier schönsten Zei-
len in diesem Schreiben stehen auf der 35sten Sei-
te, und damit man sehe, daß es mir nicht ver-
drießlich fällt, was sich mir als schön anpreiset,
auch also vorzustellen, so will ich sie zu einem Mu-
ster hersezen:

- Wer durch Lehren erst den Menschen Mensch seyn lehret,
Geht dem gekrönten vor, den nur das Schmeicheln ehret;
Und den, wenn seine Macht ihn vor der Schande deckt,
Doch innerlich die Furcht vor meinem Urtheil schreckt.

Das dritte St. dieser geistreichen Sammlung ent-
hält Staats- und gelehrte Zeitungen des Ca-
klogallinischen Correspondenten
N. I. Anno
1738 und kömmt auf der 36sten Seite vor. Die-
ses ganze Stück, welches mehr als einen halben
Bogen anfüllet, ist ein rechtes Muster von des
deutschen Harlequins Witz, Einfällen und Spra-
che, die dem Verfasser geläufiger ist, als die
Swiftische Schreibart, die er doch mit grosser

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von gelehrten Schriften.
den. Der Poet aber hat es wohl ſo boͤſe nicht
gemeinet, als er es wuͤrcklich ſagt, maſſen er auf
der 33ſten Seite in einem Gegenſaze dergleichen Cha-
racter ſelbſt verabſcheuet:

Was iſt doch wohl ein Menſch, dem mein Erkaͤnntniß fehlt?
Ein unvernuͤnftig Thier, das Wahn und Blindheit quaͤlt.


Ein Freund der Tyranney, die alles das verdammt,
Was nicht aus ihrem Sinn, aus ihrer Lehre ſtammt. ꝛc.

Das Verſehen iſt nur dieſes, daß der gute Mann
vermeint hat, die Wahrheit koͤnne ſo leicht durch
Jrrthum betrogen werden, als er ſelbſt; und daß
er ſo bald wieder vergeſſen, daß er ſein Wort der
Wahrheit uͤbergeben hat. Die vier ſchoͤnſten Zei-
len in dieſem Schreiben ſtehen auf der 35ſten Sei-
te, und damit man ſehe, daß es mir nicht ver-
drießlich faͤllt, was ſich mir als ſchoͤn anpreiſet,
auch alſo vorzuſtellen, ſo will ich ſie zu einem Mu-
ſter herſezen:

‒ Wer durch Lehren erſt den Menſchen Menſch ſeyn lehret,
Geht dem gekroͤnten vor, den nur das Schmeicheln ehret;
Und den, wenn ſeine Macht ihn vor der Schande deckt,
Doch innerlich die Furcht vor meinem Urtheil ſchreckt.

Das dritte St. dieſer geiſtreichen Sammlung ent-
haͤlt Staats- und gelehrte Zeitungen des Ca-
klogalliniſchen Correſpondenten
N. I. Anno
1738 und koͤmmt auf der 36ſten Seite vor. Die-
ſes ganze Stuͤck, welches mehr als einen halben
Bogen anfuͤllet, iſt ein rechtes Muſter von des
deutſchen Harlequins Witz, Einfaͤllen und Spra-
che, die dem Verfaſſer gelaͤufiger iſt, als die
Swiftiſche Schreibart, die er doch mit groſſer

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[153/0155] von gelehrten Schriften. den. Der Poet aber hat es wohl ſo boͤſe nicht gemeinet, als er es wuͤrcklich ſagt, maſſen er auf der 33ſten Seite in einem Gegenſaze dergleichen Cha- racter ſelbſt verabſcheuet: Was iſt doch wohl ein Menſch, dem mein Erkaͤnntniß fehlt? Ein unvernuͤnftig Thier, das Wahn und Blindheit quaͤlt. Ein Freund der Tyranney, die alles das verdammt, Was nicht aus ihrem Sinn, aus ihrer Lehre ſtammt. ꝛc. Das Verſehen iſt nur dieſes, daß der gute Mann vermeint hat, die Wahrheit koͤnne ſo leicht durch Jrrthum betrogen werden, als er ſelbſt; und daß er ſo bald wieder vergeſſen, daß er ſein Wort der Wahrheit uͤbergeben hat. Die vier ſchoͤnſten Zei- len in dieſem Schreiben ſtehen auf der 35ſten Sei- te, und damit man ſehe, daß es mir nicht ver- drießlich faͤllt, was ſich mir als ſchoͤn anpreiſet, auch alſo vorzuſtellen, ſo will ich ſie zu einem Mu- ſter herſezen: ‒ Wer durch Lehren erſt den Menſchen Menſch ſeyn lehret, Geht dem gekroͤnten vor, den nur das Schmeicheln ehret; Und den, wenn ſeine Macht ihn vor der Schande deckt, Doch innerlich die Furcht vor meinem Urtheil ſchreckt. Das dritte St. dieſer geiſtreichen Sammlung ent- haͤlt Staats- und gelehrte Zeitungen des Ca- klogalliniſchen Correſpondenten N. I. Anno 1738 und koͤmmt auf der 36ſten Seite vor. Die- ſes ganze Stuͤck, welches mehr als einen halben Bogen anfuͤllet, iſt ein rechtes Muſter von des deutſchen Harlequins Witz, Einfaͤllen und Spra- che, die dem Verfaſſer gelaͤufiger iſt, als die Swiftiſche Schreibart, die er doch mit groſſer Ge- K 5

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/155>, abgerufen am 22.11.2024.