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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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der herrschenden Poeten.
gang seyn würden, und giebt ihnen davor eure
Werke in die Hand. Brauchet aber anbey die
Vorsichtigkeit, daß ihr das Jahr nirgend ausse-
zet, in welchem eure grosse Verbesserung ange-
fangen hat, damit man euch nicht durch eine chro-
nologische Rechnung zwischen die Ohren schlage.
Euren Kunstschriften einigen Anstrich aus der Be-
urtheilungskunst zu geben, so werffet mit derglei-
chen allgemeinen Hauptregeln waker um euch, wie
folgende sind: Man muß die Natur nachah-
men; unter gewissen Bedingungen kan etwas
wahrscheinlich werden; was nicht wahr ist/
kan nicht schön seyn.
Diese Regeln geben einem
Kunstbuche ein grosses Ansehen, und sind doch
von einem geringen Nutzen, weil sie ganz unbe-
stimmte Begriffe geben, und wenn sie in besondern
Fällen angewandt werden sollen, eine weitläuf-
tige Wissenschaft von tausend Sachen erfodern.
Es giebt auch ein treffliches Ansehen, wenn man
hier und dar philosophische Wörter einstreuet,
zum Exempel, die Geister Welt, ein Glied aus
der besten Welt,
die Kette der Begebenheiten,
die Leiter der erschaffenen Dinge. Dieses zei-
get eine genaue Bekanntschaft mit der neuen Phi-
losophie. Jch lasse mir auch nicht mißfallen, daß
ihr andremahl die Dichtkunst und Poesie mit einer
verächtlichen Sprödigkeit tractiert, insoweit daß
ihr sie unter die Kunst des schlechtesten Handwerkers
hinuntersezet, (Z z) als ob sie allein mit Sylben

und
(Z z) J. C. B. hat dieses in der Vorrede zu dem zwey-
ten Theile der Trillerischen Gedichte mit ausdrücklichen
Worten gethan.
O 3

der herrſchenden Poeten.
gang ſeyn wuͤrden, und giebt ihnen davor eure
Werke in die Hand. Brauchet aber anbey die
Vorſichtigkeit, daß ihr das Jahr nirgend ausſe-
zet, in welchem eure groſſe Verbeſſerung ange-
fangen hat, damit man euch nicht durch eine chro-
nologiſche Rechnung zwiſchen die Ohren ſchlage.
Euren Kunſtſchriften einigen Anſtrich aus der Be-
urtheilungskunſt zu geben, ſo werffet mit derglei-
chen allgemeinen Hauptregeln waker um euch, wie
folgende ſind: Man muß die Natur nachah-
men; unter gewiſſen Bedingungen kan etwas
wahrſcheinlich werden; was nicht wahr iſt/
kan nicht ſchoͤn ſeyn.
Dieſe Regeln geben einem
Kunſtbuche ein groſſes Anſehen, und ſind doch
von einem geringen Nutzen, weil ſie ganz unbe-
ſtimmte Begriffe geben, und wenn ſie in beſondern
Faͤllen angewandt werden ſollen, eine weitlaͤuf-
tige Wiſſenſchaft von tauſend Sachen erfodern.
Es giebt auch ein treffliches Anſehen, wenn man
hier und dar philoſophiſche Woͤrter einſtreuet,
zum Exempel, die Geiſter Welt, ein Glied aus
der beſten Welt,
die Kette der Begebenheiten,
die Leiter der erſchaffenen Dinge. Dieſes zei-
get eine genaue Bekanntſchaft mit der neuen Phi-
loſophie. Jch laſſe mir auch nicht mißfallen, daß
ihr andremahl die Dichtkunſt und Poeſie mit einer
veraͤchtlichen Sproͤdigkeit tractiert, inſoweit daß
ihr ſie unter die Kunſt des ſchlechteſten Handwerkers
hinunterſezet, (Z z) als ob ſie allein mit Sylben

und
(Z z) J. C. B. hat dieſes in der Vorrede zu dem zwey-
ten Theile der Trilleriſchen Gedichte mit ausdruͤcklichen
Worten gethan.
O 3
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[213/0215] der herrſchenden Poeten. gang ſeyn wuͤrden, und giebt ihnen davor eure Werke in die Hand. Brauchet aber anbey die Vorſichtigkeit, daß ihr das Jahr nirgend ausſe- zet, in welchem eure groſſe Verbeſſerung ange- fangen hat, damit man euch nicht durch eine chro- nologiſche Rechnung zwiſchen die Ohren ſchlage. Euren Kunſtſchriften einigen Anſtrich aus der Be- urtheilungskunſt zu geben, ſo werffet mit derglei- chen allgemeinen Hauptregeln waker um euch, wie folgende ſind: Man muß die Natur nachah- men; unter gewiſſen Bedingungen kan etwas wahrſcheinlich werden; was nicht wahr iſt/ kan nicht ſchoͤn ſeyn. Dieſe Regeln geben einem Kunſtbuche ein groſſes Anſehen, und ſind doch von einem geringen Nutzen, weil ſie ganz unbe- ſtimmte Begriffe geben, und wenn ſie in beſondern Faͤllen angewandt werden ſollen, eine weitlaͤuf- tige Wiſſenſchaft von tauſend Sachen erfodern. Es giebt auch ein treffliches Anſehen, wenn man hier und dar philoſophiſche Woͤrter einſtreuet, zum Exempel, die Geiſter Welt, ein Glied aus der beſten Welt, die Kette der Begebenheiten, die Leiter der erſchaffenen Dinge. Dieſes zei- get eine genaue Bekanntſchaft mit der neuen Phi- loſophie. Jch laſſe mir auch nicht mißfallen, daß ihr andremahl die Dichtkunſt und Poeſie mit einer veraͤchtlichen Sproͤdigkeit tractiert, inſoweit daß ihr ſie unter die Kunſt des ſchlechteſten Handwerkers hinunterſezet, (Z z) als ob ſie allein mit Sylben und (Z z) J. C. B. hat dieſes in der Vorrede zu dem zwey- ten Theile der Trilleriſchen Gedichte mit ausdruͤcklichen Worten gethan. O 3

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/215>, abgerufen am 23.11.2024.