[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief che sagen; denn es sind nicht alles Mängel inderselben. (p) Das Deutsche hat die Freyheit, wie das Lateinische, daß es seine Wortfügun- gen ändern kan. Jch habe davon in meinem Briefe von der französischen Sprache ein Paar Worte gesagt. tro- Neben (p) Hr. M. Schwabe hat noch erst neulich in seiner
Uebersetzung von Rollins Anweisung in dem eilften Ab- schnitte des Hauptstücks, welches von Erlernung der deut- schen Sprache handelt, von den Mängeln der deutschen Sprache also geurtheilet: "Es fehlt dieser Sprache die Kraft kurtz und nachdrücklich zu reden; sie weiß gemei- nen Wörtern keine erhabene Bedeutung zu geben; sie hat für die gebundene und ungebundene Rede nur einerley Wörter, sie ist gar zu sehr gebunden, und läßt selten die Freyheit zu, die Wörter zu versetzen; sie muß sich in ih- ren Zeitwörtern so vieler Hülfswörter bedienen; sie muß die Schönheiten entbehren, welche die Participia und Ge- rundia in eine Sprache bringen können, und deswegen ist sie vieler Vortheile beraubt, welche die Hauptschönheit der griechischen und lateinischen Sprache ausmacheten." Siehe das XVIII. Stück der cririschen Beyträge. Von die- sem letzten Mangel muß ich noch ein par Zeugnisse anfüh- ren. Jn dem XIX. Stücke der critischen Beyträge, wo Hofmanns Bücher von der Zufriedenheit nach der neuen und verbesserten Auflage angepriesen werden, heißt es un- ter anderm Bl. 511. "Es ist bey ihm nichts ungewöhn- liches, daß er durch die Mittelwörter kürtzer zu schreiben, und zween Sätze in eins zu ziehen suchet. Wie aber die- ses im Dentschen noch nicht recht klingen will, ob sich gleich unterschiedene, sonderlich in Versen, bemühet ha- ben, solches einzuführen: So hat auch der Herausgeber dieses geändert, anstatt, daß es also in den alten Aus- gaben auf der 20sten Seite heißt: Die Fantasey, durch die Sinne gereitzt, und durch die heftigen Begierden be- Mauvillons Brief che ſagen; denn es ſind nicht alles Maͤngel inderſelben. (p) Das Deutſche hat die Freyheit, wie das Lateiniſche, daß es ſeine Wortfuͤgun- gen aͤndern kan. Jch habe davon in meinem Briefe von der franzoͤſiſchen Sprache ein Paar Worte geſagt. tro- Neben (p) Hr. M. Schwabe hat noch erſt neulich in ſeiner
Ueberſetzung von Rollins Anweiſung in dem eilften Ab- ſchnitte des Hauptſtuͤcks, welches von Erlernung der deut- ſchen Sprache handelt, von den Maͤngeln der deutſchen Sprache alſo geurtheilet: „Es fehlt dieſer Sprache die Kraft kurtz und nachdruͤcklich zu reden; ſie weiß gemei- nen Woͤrtern keine erhabene Bedeutung zu geben; ſie hat fuͤr die gebundene und ungebundene Rede nur einerley Woͤrter, ſie iſt gar zu ſehr gebunden, und laͤßt ſelten die Freyheit zu, die Woͤrter zu verſetzen; ſie muß ſich in ih- ren Zeitwoͤrtern ſo vieler Huͤlfswoͤrter bedienen; ſie muß die Schoͤnheiten entbehren, welche die Participia und Ge- rundia in eine Sprache bringen koͤnnen, und deswegen iſt ſie vieler Vortheile beraubt, welche die Hauptſchoͤnheit der griechiſchen und lateiniſchen Sprache ausmacheten.„ Siehe das XVIII. Stuͤck der cririſchen Beytraͤge. Von die- ſem letzten Mangel muß ich noch ein par Zeugniſſe anfuͤh- ren. Jn dem XIX. Stuͤcke der critiſchen Beytraͤge, wo Hofmanns Buͤcher von der Zufriedenheit nach der neuen und verbeſſerten Auflage angeprieſen werden, heißt es un- ter anderm Bl. 511. „Es iſt bey ihm nichts ungewoͤhn- liches, daß er durch die Mittelwoͤrter kuͤrtzer zu ſchreiben, und zween Saͤtze in eins zu ziehen ſuchet. Wie aber die- ſes im Dentſchen noch nicht recht klingen will, ob ſich gleich unterſchiedene, ſonderlich in Verſen, bemuͤhet ha- ben, ſolches einzufuͤhren: So hat auch der Herausgeber dieſes geaͤndert, anſtatt, daß es alſo in den alten Aus- gaben auf der 20ſten Seite heißt: Die Fantaſey, durch die Sinne gereitzt, und durch die heftigen Begierden be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0024" n="24"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> che ſagen; denn es ſind nicht alles Maͤngel in<lb/> derſelben. <note xml:id="a011" next="#a011b" place="foot" n="(p)">Hr. M. <hi rendition="#fr">Schwabe</hi> hat noch erſt neulich in ſeiner<lb/> Ueberſetzung von <hi rendition="#fr">Rollins Anweiſung</hi> in dem eilften Ab-<lb/> ſchnitte des Hauptſtuͤcks, welches von Erlernung der deut-<lb/> ſchen Sprache handelt, von den Maͤngeln der deutſchen<lb/> Sprache alſo geurtheilet: „Es fehlt dieſer Sprache die<lb/> Kraft <hi rendition="#fr">kurtz</hi> und <hi rendition="#fr">nachdruͤcklich</hi> zu reden; ſie weiß gemei-<lb/> nen Woͤrtern keine erhabene Bedeutung zu geben; ſie hat<lb/> fuͤr die gebundene und ungebundene Rede nur einerley<lb/> Woͤrter, ſie iſt gar zu ſehr gebunden, und laͤßt ſelten die<lb/> Freyheit zu, die Woͤrter zu verſetzen; ſie muß ſich in ih-<lb/> ren Zeitwoͤrtern ſo vieler Huͤlfswoͤrter bedienen; ſie muß<lb/> die Schoͤnheiten entbehren, welche die <hi rendition="#aq">Participia</hi> und <hi rendition="#aq">Ge-<lb/> rundia</hi> in eine Sprache bringen koͤnnen, und deswegen<lb/> iſt ſie vieler Vortheile beraubt, welche die Hauptſchoͤnheit<lb/> der griechiſchen und lateiniſchen Sprache ausmacheten.„<lb/> Siehe das <hi rendition="#aq">XVIII.</hi> Stuͤck der <hi rendition="#fr">cririſchen Beytraͤge.</hi> Von die-<lb/> ſem letzten Mangel muß ich noch ein par Zeugniſſe anfuͤh-<lb/> ren. Jn dem <hi rendition="#aq">XIX.</hi> Stuͤcke der <hi rendition="#fr">critiſchen Beytraͤge,</hi> wo<lb/><hi rendition="#fr">Hofmanns Buͤcher von der Zufriedenheit</hi> nach der neuen<lb/> und verbeſſerten Auflage angeprieſen werden, heißt es un-<lb/> ter anderm Bl. 511. „Es iſt bey ihm nichts ungewoͤhn-<lb/> liches, daß er durch die Mittelwoͤrter kuͤrtzer zu ſchreiben,<lb/> und zween Saͤtze in eins zu ziehen ſuchet. Wie aber die-<lb/> ſes <hi rendition="#fr">im Dentſchen noch nicht recht klingen will,</hi> ob ſich<lb/> gleich unterſchiedene, ſonderlich in Verſen, bemuͤhet ha-<lb/> ben, ſolches einzufuͤhren: So hat auch der Herausgeber<lb/> dieſes geaͤndert, anſtatt, daß es alſo in den alten Aus-<lb/> gaben auf der 20ſten Seite heißt: <hi rendition="#fr">Die Fantaſey, durch<lb/> die Sinne gereitzt, und durch die heftigen Begierden be-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">tro-</fw></hi></note> Das Deutſche hat die Freyheit,<lb/> wie das Lateiniſche, daß es ſeine Wortfuͤgun-<lb/> gen aͤndern kan. Jch habe davon in meinem<lb/> Briefe von der franzoͤſiſchen Sprache ein Paar<lb/> Worte <note sameAs="#a012b" xml:id="a012" place="foot"/> geſagt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Neben</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [24/0024]
Mauvillons Brief
che ſagen; denn es ſind nicht alles Maͤngel in
derſelben. (p) Das Deutſche hat die Freyheit,
wie das Lateiniſche, daß es ſeine Wortfuͤgun-
gen aͤndern kan. Jch habe davon in meinem
Briefe von der franzoͤſiſchen Sprache ein Paar
Worte geſagt.
Neben
(p) Hr. M. Schwabe hat noch erſt neulich in ſeiner
Ueberſetzung von Rollins Anweiſung in dem eilften Ab-
ſchnitte des Hauptſtuͤcks, welches von Erlernung der deut-
ſchen Sprache handelt, von den Maͤngeln der deutſchen
Sprache alſo geurtheilet: „Es fehlt dieſer Sprache die
Kraft kurtz und nachdruͤcklich zu reden; ſie weiß gemei-
nen Woͤrtern keine erhabene Bedeutung zu geben; ſie hat
fuͤr die gebundene und ungebundene Rede nur einerley
Woͤrter, ſie iſt gar zu ſehr gebunden, und laͤßt ſelten die
Freyheit zu, die Woͤrter zu verſetzen; ſie muß ſich in ih-
ren Zeitwoͤrtern ſo vieler Huͤlfswoͤrter bedienen; ſie muß
die Schoͤnheiten entbehren, welche die Participia und Ge-
rundia in eine Sprache bringen koͤnnen, und deswegen
iſt ſie vieler Vortheile beraubt, welche die Hauptſchoͤnheit
der griechiſchen und lateiniſchen Sprache ausmacheten.„
Siehe das XVIII. Stuͤck der cririſchen Beytraͤge. Von die-
ſem letzten Mangel muß ich noch ein par Zeugniſſe anfuͤh-
ren. Jn dem XIX. Stuͤcke der critiſchen Beytraͤge, wo
Hofmanns Buͤcher von der Zufriedenheit nach der neuen
und verbeſſerten Auflage angeprieſen werden, heißt es un-
ter anderm Bl. 511. „Es iſt bey ihm nichts ungewoͤhn-
liches, daß er durch die Mittelwoͤrter kuͤrtzer zu ſchreiben,
und zween Saͤtze in eins zu ziehen ſuchet. Wie aber die-
ſes im Dentſchen noch nicht recht klingen will, ob ſich
gleich unterſchiedene, ſonderlich in Verſen, bemuͤhet ha-
ben, ſolches einzufuͤhren: So hat auch der Herausgeber
dieſes geaͤndert, anſtatt, daß es alſo in den alten Aus-
gaben auf der 20ſten Seite heißt: Die Fantaſey, durch
die Sinne gereitzt, und durch die heftigen Begierden be-
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