[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief liche Männer, sie sind groß, wohlgestaltet, undvon starcken Gliedmassen; aber mit ihrer Ver- günstiguug zu sagen, das Sprüchwort lüget sie noch nicht an, homo longus, raro sapiens. Die Natur hat sie mit den Vortheilen des Cör- pers zum Ueberflusse begabet, es wäre zuviel ge- wesen, wenn sie ihnen auch noch Witz und Geist eben so reichlich zugetheilt hätte. Sie ist zu klug, als daß sie so viele treffliche Sachen zusammen nur bey einer Nation anwende, welche ohne das zum Hochmuth gar zusehr geneigt ist. Rüh- be besser gepfleget und angebauet würde: Fast auf die
Weise, wie es geschehen kan, daß in einem Garten, wenn er nicht mehr gebauet wird, das Unkraut in kurtzer Zeit so mächtig wird und überhand nimmt, daß auch das äusser- liche Ansehen eines nach gewissen Regeln eingetheilten Gar- tens gäntzlich verlohren geht, obgleich noch hier und dar mit- ten unter dem Unkraut eine und andere zierliche Bluhme her- vorsprießt. Jst im übrigen dem Herrn von Mauvillon in die- sem Paragraphus die Sprache nicht sanft genug geflossen, so will ich zu seiner Entschuldigung, und der deutschen Nation, d. i. denjenigen, die sich das Ansehen derselben eigenmäch- tig anmassen, zum Trost erinnerlich zu Gemüthe führen, was in dem III. St. der Critischen Beyträge in der Zu- schrift an Hrn. Abt Mosheim gelesen wird: "Wie gute Scimus & hanc veniani petimusque damusque vicissim. Mauvillons Brief liche Maͤnner, ſie ſind groß, wohlgeſtaltet, undvon ſtarcken Gliedmaſſen; aber mit ihrer Ver- guͤnſtiguug zu ſagen, das Spruͤchwort luͤget ſie noch nicht an, homo longus, raro ſapiens. Die Natur hat ſie mit den Vortheilen des Coͤr- pers zum Ueberfluſſe begabet, es waͤre zuviel ge- weſen, wenn ſie ihnen auch noch Witz und Geiſt eben ſo reichlich zugetheilt haͤtte. Sie iſt zu klug, als daß ſie ſo viele treffliche Sachen zuſammen nur bey einer Nation anwende, welche ohne das zum Hochmuth gar zuſehr geneigt iſt. Ruͤh- be beſſer gepfleget und angebauet wuͤrde: Faſt auf die
Weiſe, wie es geſchehen kan, daß in einem Garten, wenn er nicht mehr gebauet wird, das Unkraut in kurtzer Zeit ſo maͤchtig wird und uͤberhand nimmt, daß auch das aͤuſſer- liche Anſehen eines nach gewiſſen Regeln eingetheilten Gar- tens gaͤntzlich verlohren geht, obgleich noch hier und dar mit- ten unter dem Unkraut eine und andere zierliche Bluhme her- vorſprießt. Jſt im uͤbrigen dem Herrn von Mauvillon in die- ſem Paragraphus die Sprache nicht ſanft genug gefloſſen, ſo will ich zu ſeiner Entſchuldigung, und der deutſchen Nation, d. i. denjenigen, die ſich das Anſehen derſelben eigenmaͤch- tig anmaſſen, zum Troſt erinnerlich zu Gemuͤthe fuͤhren, was in dem III. St. der Critiſchen Beytraͤge in der Zu- ſchrift an Hrn. Abt Mosheim geleſen wird: „Wie gute Scimus & hanc veniani petimusque damusque viciſſim. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="32"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> liche Maͤnner, ſie ſind groß, wohlgeſtaltet, und<lb/> von ſtarcken Gliedmaſſen; aber mit ihrer Ver-<lb/> guͤnſtiguug zu ſagen, das Spruͤchwort luͤget ſie<lb/> noch nicht an, <hi rendition="#aq">homo longus, raro ſapiens.</hi><lb/> Die Natur hat ſie mit den Vortheilen des Coͤr-<lb/> pers zum Ueberfluſſe begabet, es waͤre zuviel ge-<lb/> weſen, wenn ſie ihnen auch noch Witz und Geiſt<lb/> eben ſo reichlich zugetheilt haͤtte. Sie iſt zu klug,<lb/> als daß ſie ſo viele treffliche Sachen zuſammen<lb/> nur bey einer Nation anwende, welche ohne das<lb/> zum Hochmuth gar zuſehr geneigt iſt.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Ruͤh-</fw><lb/> <p> <note xml:id="a014b" prev="#a014" place="foot">be beſſer gepfleget und angebauet wuͤrde: Faſt auf die<lb/> Weiſe, wie es geſchehen kan, daß in einem Garten, wenn<lb/> er nicht mehr gebauet wird, das Unkraut in kurtzer Zeit ſo<lb/> maͤchtig wird und uͤberhand nimmt, daß auch das aͤuſſer-<lb/> liche Anſehen eines nach gewiſſen Regeln eingetheilten Gar-<lb/> tens gaͤntzlich verlohren geht, obgleich noch hier und dar mit-<lb/> ten unter dem Unkraut eine und andere zierliche Bluhme her-<lb/> vorſprießt. Jſt im uͤbrigen dem Herrn von Mauvillon in die-<lb/> ſem Paragraphus die Sprache nicht ſanft genug gefloſſen, ſo<lb/> will ich zu ſeiner Entſchuldigung, und der deutſchen Nation,<lb/> d. i. denjenigen, die ſich das Anſehen derſelben eigenmaͤch-<lb/> tig anmaſſen, zum Troſt erinnerlich zu Gemuͤthe fuͤhren,<lb/> was in dem <hi rendition="#aq">III.</hi> St. der <hi rendition="#fr">Critiſchen Beytraͤge</hi> in der Zu-<lb/> ſchrift an Hrn. <hi rendition="#fr">Abt Mosheim</hi> geleſen wird: <cit><quote>„Wie gute<lb/> „Aerzte nicht allezeit die gelindeſten Wege in ihren Curen<lb/> „gehen; ſondern auch zuweilen mit Feuer und Eiſen dem<lb/> „Uebel ſteuren muͤſſen: So muß auch ein tiefgewurzeltes<lb/> „Uebel in der Schreibart, Poeſie, und Beredſamkeit oft-<lb/> „mahls durch eine ſatiriſche Lauge angegriffen, und da-<lb/> „durch auf das nachdruͤcklichſte ausgerottet werden. ‒ ‒ ‒<lb/> „Und wie ſehr waͤre es zu wuͤnſchen, daß ſchon unſre<lb/> „Vorfahren uns dergeſtalt aufgeraͤumt haͤtten.„</quote></cit><lb/><cit><quote><hi rendition="#aq">Scimus & hanc veniani petimusque damusque viciſſim.</hi></quote></cit></note> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0032]
Mauvillons Brief
liche Maͤnner, ſie ſind groß, wohlgeſtaltet, und
von ſtarcken Gliedmaſſen; aber mit ihrer Ver-
guͤnſtiguug zu ſagen, das Spruͤchwort luͤget ſie
noch nicht an, homo longus, raro ſapiens.
Die Natur hat ſie mit den Vortheilen des Coͤr-
pers zum Ueberfluſſe begabet, es waͤre zuviel ge-
weſen, wenn ſie ihnen auch noch Witz und Geiſt
eben ſo reichlich zugetheilt haͤtte. Sie iſt zu klug,
als daß ſie ſo viele treffliche Sachen zuſammen
nur bey einer Nation anwende, welche ohne das
zum Hochmuth gar zuſehr geneigt iſt.
Ruͤh-
be beſſer gepfleget und angebauet wuͤrde: Faſt auf die
Weiſe, wie es geſchehen kan, daß in einem Garten, wenn
er nicht mehr gebauet wird, das Unkraut in kurtzer Zeit ſo
maͤchtig wird und uͤberhand nimmt, daß auch das aͤuſſer-
liche Anſehen eines nach gewiſſen Regeln eingetheilten Gar-
tens gaͤntzlich verlohren geht, obgleich noch hier und dar mit-
ten unter dem Unkraut eine und andere zierliche Bluhme her-
vorſprießt. Jſt im uͤbrigen dem Herrn von Mauvillon in die-
ſem Paragraphus die Sprache nicht ſanft genug gefloſſen, ſo
will ich zu ſeiner Entſchuldigung, und der deutſchen Nation,
d. i. denjenigen, die ſich das Anſehen derſelben eigenmaͤch-
tig anmaſſen, zum Troſt erinnerlich zu Gemuͤthe fuͤhren,
was in dem III. St. der Critiſchen Beytraͤge in der Zu-
ſchrift an Hrn. Abt Mosheim geleſen wird: „Wie gute
„Aerzte nicht allezeit die gelindeſten Wege in ihren Curen
„gehen; ſondern auch zuweilen mit Feuer und Eiſen dem
„Uebel ſteuren muͤſſen: So muß auch ein tiefgewurzeltes
„Uebel in der Schreibart, Poeſie, und Beredſamkeit oft-
„mahls durch eine ſatiriſche Lauge angegriffen, und da-
„durch auf das nachdruͤcklichſte ausgerottet werden. ‒ ‒ ‒
„Und wie ſehr waͤre es zu wuͤnſchen, daß ſchon unſre
„Vorfahren uns dergeſtalt aufgeraͤumt haͤtten.„
Scimus & hanc veniani petimusque damusque viciſſim.
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