[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.des deutschen Witzes. keit überführen kan, so mag er über Unbill, Un-höflichkeit und Grobheit schreyen, so lange er will; dieses wird ihm bey unparteyischen Lesern von gutem Geschmack, er mag auch so vornehm seyn als er will, wenig helffen. Jch mache aus diesem allem den Schluß, daß die in dem ge- meinen Leben übliche Höflichkeit, die sich nur nach dem äusserlichen Rang in der Welt richtet, und jedermann angenehm und gefällig zu seyn suchet, bey der gerechten Critick keinen Platz habe; sondern daß dasjenige, was man in der Critick Höflichkeit heißt, von der Gerechtigkeit, die ohne Ansehen der Person Lob und Tadel nach Verdienen austheilet, nicht unterschieden sey. Jch sehe darum auch die in dem vorigen Abschnitt eingeführten Exempel der critischen Unhöflichkeit einiger deutscher Kunstrichter an, als so viele Pro- ben der critischen Ungerechtigkeit in dem Aus- druck und Vortrage, angesehen selbige nicht nur an sich selbs betrachtet unbescheiden und schimpf- lich sind, sondern auch zu nichts dienen, als klei- ne Fehler grösser zu machen, als sie würcklich sind. Jch will demnach in gegenwärtigem Abschnitte mit einigen Exempeln darthun, daß eben diese hochdeutsche Kunstrichter in ihren Beurtheilungen nicht nur in Absicht auf den Vortrag, sondern auch in Absicht auf die Natur der Sache selbst neben der Wahrheit vorbeygehen, und sich der critischen Ungerechtigkeit schuldig machen. Jch habe in dem vorhergehenden Abschnitte beyläuf- tig drey Exempel von dieser Art berühret: Das erste ist das Beyspiel Hrn. Damms, den man in C 5
des deutſchen Witzes. keit uͤberfuͤhren kan, ſo mag er uͤber Unbill, Un-hoͤflichkeit und Grobheit ſchreyen, ſo lange er will; dieſes wird ihm bey unparteyiſchen Leſern von gutem Geſchmack, er mag auch ſo vornehm ſeyn als er will, wenig helffen. Jch mache aus dieſem allem den Schluß, daß die in dem ge- meinen Leben uͤbliche Hoͤflichkeit, die ſich nur nach dem aͤuſſerlichen Rang in der Welt richtet, und jedermann angenehm und gefaͤllig zu ſeyn ſuchet, bey der gerechten Critick keinen Platz habe; ſondern daß dasjenige, was man in der Critick Hoͤflichkeit heißt, von der Gerechtigkeit, die ohne Anſehen der Perſon Lob und Tadel nach Verdienen austheilet, nicht unterſchieden ſey. Jch ſehe darum auch die in dem vorigen Abſchnitt eingefuͤhrten Exempel der critiſchen Unhoͤflichkeit einiger deutſcher Kunſtrichter an, als ſo viele Pro- ben der critiſchen Ungerechtigkeit in dem Aus- druck und Vortrage, angeſehen ſelbige nicht nur an ſich ſelbs betrachtet unbeſcheiden und ſchimpf- lich ſind, ſondern auch zu nichts dienen, als klei- ne Fehler groͤſſer zu machen, als ſie wuͤrcklich ſind. Jch will demnach in gegenwaͤrtigem Abſchnitte mit einigen Exempeln darthun, daß eben dieſe hochdeutſche Kunſtrichter in ihren Beurtheilungen nicht nur in Abſicht auf den Vortrag, ſondern auch in Abſicht auf die Natur der Sache ſelbſt neben der Wahrheit vorbeygehen, und ſich der critiſchen Ungerechtigkeit ſchuldig machen. Jch habe in dem vorhergehenden Abſchnitte beylaͤuf- tig drey Exempel von dieſer Art beruͤhret: Das erſte iſt das Beyſpiel Hrn. Damms, den man in C 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0041" n="41"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des deutſchen Witzes.</hi></fw><lb/> keit uͤberfuͤhren kan, ſo mag er uͤber Unbill, Un-<lb/> hoͤflichkeit und Grobheit ſchreyen, ſo lange er<lb/> will; dieſes wird ihm bey unparteyiſchen Leſern<lb/> von gutem Geſchmack, er mag auch ſo vornehm<lb/> ſeyn als er will, wenig helffen. Jch mache aus<lb/> dieſem allem den Schluß, daß die in dem ge-<lb/> meinen Leben uͤbliche Hoͤflichkeit, die ſich nur<lb/> nach dem aͤuſſerlichen Rang in der Welt richtet,<lb/> und jedermann angenehm und gefaͤllig zu ſeyn<lb/> ſuchet, bey der gerechten Critick keinen Platz<lb/> habe; ſondern daß dasjenige, was man in der<lb/> Critick Hoͤflichkeit heißt, von der Gerechtigkeit,<lb/> die ohne Anſehen der Perſon Lob und Tadel nach<lb/> Verdienen austheilet, nicht unterſchieden ſey.<lb/> Jch ſehe darum auch die in dem vorigen Abſchnitt<lb/> eingefuͤhrten Exempel der critiſchen Unhoͤflichkeit<lb/> einiger deutſcher Kunſtrichter an, als ſo viele Pro-<lb/> ben der critiſchen Ungerechtigkeit in dem Aus-<lb/> druck und Vortrage, angeſehen ſelbige nicht nur<lb/> an ſich ſelbs betrachtet unbeſcheiden und ſchimpf-<lb/> lich ſind, ſondern auch zu nichts dienen, als klei-<lb/> ne Fehler groͤſſer zu machen, als ſie wuͤrcklich ſind.<lb/> Jch will demnach in gegenwaͤrtigem Abſchnitte<lb/> mit einigen Exempeln darthun, daß eben dieſe<lb/> hochdeutſche Kunſtrichter in ihren Beurtheilungen<lb/> nicht nur in Abſicht auf den Vortrag, ſondern<lb/> auch in Abſicht auf die Natur der Sache ſelbſt<lb/> neben der Wahrheit vorbeygehen, und ſich der<lb/> critiſchen Ungerechtigkeit ſchuldig machen. Jch<lb/> habe in dem vorhergehenden Abſchnitte beylaͤuf-<lb/> tig drey Exempel von dieſer Art beruͤhret: Das<lb/> erſte iſt das Beyſpiel Hrn. <hi rendition="#fr">Damms,</hi> den man<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 5</fw><fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0041]
des deutſchen Witzes.
keit uͤberfuͤhren kan, ſo mag er uͤber Unbill, Un-
hoͤflichkeit und Grobheit ſchreyen, ſo lange er
will; dieſes wird ihm bey unparteyiſchen Leſern
von gutem Geſchmack, er mag auch ſo vornehm
ſeyn als er will, wenig helffen. Jch mache aus
dieſem allem den Schluß, daß die in dem ge-
meinen Leben uͤbliche Hoͤflichkeit, die ſich nur
nach dem aͤuſſerlichen Rang in der Welt richtet,
und jedermann angenehm und gefaͤllig zu ſeyn
ſuchet, bey der gerechten Critick keinen Platz
habe; ſondern daß dasjenige, was man in der
Critick Hoͤflichkeit heißt, von der Gerechtigkeit,
die ohne Anſehen der Perſon Lob und Tadel nach
Verdienen austheilet, nicht unterſchieden ſey.
Jch ſehe darum auch die in dem vorigen Abſchnitt
eingefuͤhrten Exempel der critiſchen Unhoͤflichkeit
einiger deutſcher Kunſtrichter an, als ſo viele Pro-
ben der critiſchen Ungerechtigkeit in dem Aus-
druck und Vortrage, angeſehen ſelbige nicht nur
an ſich ſelbs betrachtet unbeſcheiden und ſchimpf-
lich ſind, ſondern auch zu nichts dienen, als klei-
ne Fehler groͤſſer zu machen, als ſie wuͤrcklich ſind.
Jch will demnach in gegenwaͤrtigem Abſchnitte
mit einigen Exempeln darthun, daß eben dieſe
hochdeutſche Kunſtrichter in ihren Beurtheilungen
nicht nur in Abſicht auf den Vortrag, ſondern
auch in Abſicht auf die Natur der Sache ſelbſt
neben der Wahrheit vorbeygehen, und ſich der
critiſchen Ungerechtigkeit ſchuldig machen. Jch
habe in dem vorhergehenden Abſchnitte beylaͤuf-
tig drey Exempel von dieſer Art beruͤhret: Das
erſte iſt das Beyſpiel Hrn. Damms, den man
in
C 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |