Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite

des deutschen Cato.
ser ist überaus fruchtbar, und wiewohl er sich in
einer solchen Menge Schriften ergießt, nimmt er
doch niemahls ab.

Zu diesem allen kömmt jetzo noch, daß kein Poet
sich der alten und gewöhnlichen Hülffsmittel, des
Reimes und des Sylbenmasses, geschickter zu sei-
nem Vortheil und Entmüssigung zu bedienen ge-
wust hat; mit dem Reime weiß er, wie mit einer
Wünschelruthe Quellen von unbekannten und un-
erhörten Gedancken und Einfällen zu entdecken,
und mit dem Sylbenmasse kan er sie als mit einem
kunstreichen Canal in die dürresten Felder des Ge-
hirnes hinleiten, wo nichts als ein öder Sandbo-
den angetroffen wird. Die tragischen Gedancken
und Ausdrücke Catons und seiner Cameraden sind
grossentheils durch diese Baguette entdecket, und
durch diese Röhren und Leitungen in die Tragödie
gebracht worden; Zum Ex. der edle Ausdruck des
edeln Gedanckens Pharnazens:

Wie so, rückt Cäsar an? Jch gäbe was darum.

Ferner, wann Cäsar auf Arsenens Gestandniß,
daß sie ihn liebe, mit Entzückung ausbricht:

Du hassest Cäsar nicht, der dich verehrt und liebt;
Welch unverhoftes Wort! Nun bin ich nicht betrübt.

Und wann Cato selbst so heldenmüthig fluchet:

Da schlüge Jupiter mit Blitz und Donner drein!

Noch mehr, wann er sich in einem so wohl versehenen
Waffenplatze so ruhig und gelassen Spieß und
Schild wünschet:

O wären wir nur bald mit Spieß und Schild versehen,
Da sollt ihm schon sein Recht durch meine Faust geschehen.

des deutſchen Cato.
ſer iſt uͤberaus fruchtbar, und wiewohl er ſich in
einer ſolchen Menge Schriften ergießt, nimmt er
doch niemahls ab.

Zu dieſem allen koͤmmt jetzo noch, daß kein Poet
ſich der alten und gewoͤhnlichen Huͤlffsmittel, des
Reimes und des Sylbenmaſſes, geſchickter zu ſei-
nem Vortheil und Entmuͤſſigung zu bedienen ge-
wuſt hat; mit dem Reime weiß er, wie mit einer
Wuͤnſchelruthe Quellen von unbekannten und un-
erhoͤrten Gedancken und Einfaͤllen zu entdecken,
und mit dem Sylbenmaſſe kan er ſie als mit einem
kunſtreichen Canal in die duͤrreſten Felder des Ge-
hirnes hinleiten, wo nichts als ein oͤder Sandbo-
den angetroffen wird. Die tragiſchen Gedancken
und Ausdruͤcke Catons und ſeiner Cameraden ſind
groſſentheils durch dieſe Baguette entdecket, und
durch dieſe Roͤhren und Leitungen in die Tragoͤdie
gebracht worden; Zum Ex. der edle Ausdruck des
edeln Gedanckens Pharnazens:

Wie ſo, ruͤckt Caͤſar an? Jch gaͤbe was darum.

Ferner, wann Caͤſar auf Arſenens Geſtandniß,
daß ſie ihn liebe, mit Entzuͤckung ausbricht:

Du haſſeſt Caͤſar nicht, der dich verehrt und liebt;
Welch unverhoftes Wort! Nun bin ich nicht betruͤbt.

Und wann Cato ſelbſt ſo heldenmuͤthig fluchet:

Da ſchluͤge Jupiter mit Blitz und Donner drein!

Noch mehr, wann er ſich in einem ſo wohl verſehenen
Waffenplatze ſo ruhig und gelaſſen Spieß und
Schild wuͤnſchet:

O waͤren wir nur bald mit Spieß und Schild verſehen,
Da ſollt ihm ſchon ſein Recht durch meine Fauſt geſchehen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="93"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des deut&#x017F;chen Cato.</hi></fw><lb/>
&#x017F;er i&#x017F;t u&#x0364;beraus fruchtbar, und wiewohl er &#x017F;ich in<lb/>
einer &#x017F;olchen Menge Schriften ergießt, nimmt er<lb/>
doch niemahls ab.</p><lb/>
        <p>Zu die&#x017F;em allen ko&#x0364;mmt jetzo noch, daß kein Poet<lb/>
&#x017F;ich der alten und gewo&#x0364;hnlichen Hu&#x0364;lffsmittel, des<lb/>
Reimes und des Sylbenma&#x017F;&#x017F;es, ge&#x017F;chickter zu &#x017F;ei-<lb/>
nem Vortheil und Entmu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igung zu bedienen ge-<lb/>
wu&#x017F;t hat; mit dem Reime weiß er, wie mit einer<lb/>
Wu&#x0364;n&#x017F;chelruthe Quellen von unbekannten und un-<lb/>
erho&#x0364;rten Gedancken und Einfa&#x0364;llen zu entdecken,<lb/>
und mit dem Sylbenma&#x017F;&#x017F;e kan er &#x017F;ie als mit einem<lb/>
kun&#x017F;treichen Canal in die du&#x0364;rre&#x017F;ten Felder des Ge-<lb/>
hirnes hinleiten, wo nichts als ein o&#x0364;der Sandbo-<lb/>
den angetroffen wird. Die tragi&#x017F;chen Gedancken<lb/>
und Ausdru&#x0364;cke Catons und &#x017F;einer Cameraden &#x017F;ind<lb/>
gro&#x017F;&#x017F;entheils durch die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Baguette</hi> entdecket, und<lb/>
durch die&#x017F;e Ro&#x0364;hren und Leitungen in die Trago&#x0364;die<lb/>
gebracht worden; Zum Ex. der edle Ausdruck des<lb/>
edeln Gedanckens Pharnazens:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Wie &#x017F;o, ru&#x0364;ckt Ca&#x0364;&#x017F;ar an? <hi rendition="#fr">Jch ga&#x0364;be was darum.</hi></quote>
        </cit><lb/>
        <p>Ferner, wann Ca&#x0364;&#x017F;ar auf Ar&#x017F;enens Ge&#x017F;tandniß,<lb/>
daß &#x017F;ie ihn liebe, mit Entzu&#x0364;ckung ausbricht:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Du ha&#x017F;&#x017F;e&#x017F;t Ca&#x0364;&#x017F;ar nicht, der dich verehrt und liebt;<lb/>
Welch unverhoftes Wort! <hi rendition="#fr">Nun bin ich nicht betru&#x0364;bt.</hi></quote>
        </cit><lb/>
        <p>Und wann Cato &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;o heldenmu&#x0364;thig fluchet:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>Da &#x017F;chlu&#x0364;ge Jupiter mit Blitz und Donner drein!</quote>
        </cit><lb/>
        <p>Noch mehr, wann er &#x017F;ich in einem &#x017F;o wohl ver&#x017F;ehenen<lb/>
Waffenplatze &#x017F;o ruhig und gela&#x017F;&#x017F;en Spieß und<lb/>
Schild wu&#x0364;n&#x017F;chet:</p><lb/>
        <cit>
          <quote>O wa&#x0364;ren wir nur bald mit Spieß und Schild ver&#x017F;ehen,<lb/>
Da &#x017F;ollt ihm &#x017F;chon &#x017F;ein Recht durch meine Fau&#x017F;t ge&#x017F;chehen.</quote>
        </cit><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0093] des deutſchen Cato. ſer iſt uͤberaus fruchtbar, und wiewohl er ſich in einer ſolchen Menge Schriften ergießt, nimmt er doch niemahls ab. Zu dieſem allen koͤmmt jetzo noch, daß kein Poet ſich der alten und gewoͤhnlichen Huͤlffsmittel, des Reimes und des Sylbenmaſſes, geſchickter zu ſei- nem Vortheil und Entmuͤſſigung zu bedienen ge- wuſt hat; mit dem Reime weiß er, wie mit einer Wuͤnſchelruthe Quellen von unbekannten und un- erhoͤrten Gedancken und Einfaͤllen zu entdecken, und mit dem Sylbenmaſſe kan er ſie als mit einem kunſtreichen Canal in die duͤrreſten Felder des Ge- hirnes hinleiten, wo nichts als ein oͤder Sandbo- den angetroffen wird. Die tragiſchen Gedancken und Ausdruͤcke Catons und ſeiner Cameraden ſind groſſentheils durch dieſe Baguette entdecket, und durch dieſe Roͤhren und Leitungen in die Tragoͤdie gebracht worden; Zum Ex. der edle Ausdruck des edeln Gedanckens Pharnazens: Wie ſo, ruͤckt Caͤſar an? Jch gaͤbe was darum. Ferner, wann Caͤſar auf Arſenens Geſtandniß, daß ſie ihn liebe, mit Entzuͤckung ausbricht: Du haſſeſt Caͤſar nicht, der dich verehrt und liebt; Welch unverhoftes Wort! Nun bin ich nicht betruͤbt. Und wann Cato ſelbſt ſo heldenmuͤthig fluchet: Da ſchluͤge Jupiter mit Blitz und Donner drein! Noch mehr, wann er ſich in einem ſo wohl verſehenen Waffenplatze ſo ruhig und gelaſſen Spieß und Schild wuͤnſchet: O waͤren wir nur bald mit Spieß und Schild verſehen, Da ſollt ihm ſchon ſein Recht durch meine Fauſt geſchehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/93
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/93>, abgerufen am 04.12.2024.