[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Prüffung der Uebersetzung Wenn man das Wichtigste von vorne zwar verschweigt,Doch räthselhaft entdeckt; und klug im Unterscheiden Die schönsten Sachen wehlt, die schlechten weis zu meiden. Jn V. 56. Wenn man das wichtigste von vorne zwar ver-
schweigt, doch räthselhaft entdeckt) Es ist so ferne, daß man aus diesem Stücke der so ge- nannten deutschen Uebersetzung sollte errathen können, wel- che Lateinische Verse dadurch sollten erklärt worden seyn; daß man nicht einmahl wissen kan, was der Uebersetzer habe sagen wollen. Es läßt in der That nicht bloß räthselhaft, sondern gantz wiedersinnig, dasjenige was man ver- schweigt räthselhaft entdecken. Jn der beygefügten An- merckung, wo er ohne Grund diese Horazische Stelle auf das Epische Gedichte und die Tragödie insbesondere ziehen will, (da doch offenbar ist, daß Horaz von der Ordnung überhaupt redet) stößt er seine Uebersetzung wieder völlig über einen Hauffen, wenn er anmercket, daß man in ei- nem Epischen und theatralischen Stücke gleich von vorne, obgleich nur dunckel melden müsse, wovon es handle; da inzwischen die völlige Auflösung der ganzen Verwirrung ganz aufs letzte bleiben müsse. Es wäre denn Sache, daß etwas verschweigen, und es wiewohl nicht ausführlich melden gleichgültige Redens- arten wären. Zwar kan man endlich noch aus der abson- derlichen Zueignung dieser Stelle auf das Epische und Thea- tralische Gedichte wohl mercken, wohin Hr. Gottsched mit seinem räthselhaften Ausdruck zielet; er will nemlich eben das zu verstehen geben, was Horaz unten von Homers Gedichte allen Epischen Dichtern zum Beyspiel angemercket hat: Nec gemino bellum Trojanum orditur ab ovo: Allein so gehts, wo man sich einmahl dergleichen seltsameSemper ad eventum festinat, & in medias res. Non secus ac notas, auditorem rapit: & quae Desperat tractata nitescere posse, relinquit. Träume in den Kopf gesetzet hat, als wir von Hr. Gottsched angemercket haben, da er nemlich in dem Vorbericht zu die- Pruͤffung der Ueberſetzung Wenn man das Wichtigſte von vorne zwar verſchweigt,Doch raͤthſelhaft entdeckt; und klug im Unterſcheiden Die ſchoͤnſten Sachen wehlt, die ſchlechten weis zu meiden. Jn V. 56. Wenn man das wichtigſte von vorne zwar ver-
ſchweigt, doch raͤthſelhaft entdeckt) Es iſt ſo ferne, daß man aus dieſem Stuͤcke der ſo ge- nannten deutſchen Ueberſetzung ſollte errathen koͤnnen, wel- che Lateiniſche Verſe dadurch ſollten erklaͤrt worden ſeyn; daß man nicht einmahl wiſſen kan, was der Ueberſetzer habe ſagen wollen. Es laͤßt in der That nicht bloß raͤthſelhaft, ſondern gantz wiederſinnig, dasjenige was man ver- ſchweigt raͤthſelhaft entdecken. Jn der beygefuͤgten An- merckung, wo er ohne Grund dieſe Horaziſche Stelle auf das Epiſche Gedichte und die Tragoͤdie insbeſondere ziehen will, (da doch offenbar iſt, daß Horaz von der Ordnung uͤberhaupt redet) ſtoͤßt er ſeine Ueberſetzung wieder voͤllig uͤber einen Hauffen, wenn er anmercket, daß man in ei- nem Epiſchen und theatraliſchen Stuͤcke gleich von vorne, obgleich nur dunckel melden muͤſſe, wovon es handle; da inzwiſchen die voͤllige Aufloͤſung der ganzen Verwirrung ganz aufs letzte bleiben muͤſſe. Es waͤre denn Sache, daß etwas verſchweigen, und es wiewohl nicht ausfuͤhrlich melden gleichguͤltige Redens- arten waͤren. Zwar kan man endlich noch aus der abſon- derlichen Zueignung dieſer Stelle auf das Epiſche und Thea- traliſche Gedichte wohl mercken, wohin Hr. Gottſched mit ſeinem raͤthſelhaften Ausdruck zielet; er will nemlich eben das zu verſtehen geben, was Horaz unten von Homers Gedichte allen Epiſchen Dichtern zum Beyſpiel angemercket hat: Nec gemino bellum Trojanum orditur ab ovo: Allein ſo gehts, wo man ſich einmahl dergleichen ſeltſameSemper ad eventum feſtinat, & in medias res. Non ſecus ac notas, auditorem rapit: & quæ Deſperat tractata niteſcere poſſe, relinquit. Traͤume in den Kopf geſetzet hat, als wir von Hr. Gottſched angemercket haben, da er nemlich in dem Vorbericht zu die- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0100" n="100"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Pruͤffung der Ueberſetzung</hi> </fw><lb/> <l>Wenn man das Wichtigſte von vorne zwar verſchweigt,</l><lb/> <l>Doch raͤthſelhaft entdeckt<note xml:id="a019" place="foot" next="#a019b"><hi rendition="#fr">V. 56. Wenn man das wichtigſte von vorne zwar ver-<lb/> ſchweigt, doch raͤthſelhaft entdeckt)</hi><lb/> Es iſt ſo ferne, daß man aus dieſem Stuͤcke der ſo ge-<lb/> nannten deutſchen Ueberſetzung ſollte errathen koͤnnen, wel-<lb/> che Lateiniſche Verſe dadurch ſollten erklaͤrt worden ſeyn;<lb/> daß man nicht einmahl wiſſen kan, was der Ueberſetzer habe<lb/> ſagen wollen. Es laͤßt in der That nicht bloß raͤthſelhaft,<lb/> ſondern gantz wiederſinnig, <hi rendition="#fr">dasjenige was man ver-<lb/> ſchweigt raͤthſelhaft entdecken.</hi> Jn der beygefuͤgten An-<lb/> merckung, wo er ohne Grund dieſe Horaziſche Stelle auf<lb/> das Epiſche Gedichte und die Tragoͤdie insbeſondere ziehen<lb/> will, (da doch offenbar iſt, daß Horaz von der Ordnung<lb/> uͤberhaupt redet) ſtoͤßt er ſeine Ueberſetzung wieder voͤllig<lb/> uͤber einen Hauffen, wenn er anmercket, <hi rendition="#fr">daß man in ei-<lb/> nem Epiſchen und theatraliſchen Stuͤcke gleich von<lb/> vorne, obgleich nur dunckel melden muͤſſe, wovon<lb/> es handle; da inzwiſchen die voͤllige Aufloͤſung der<lb/> ganzen Verwirrung ganz aufs letzte bleiben muͤſſe.</hi><lb/> Es waͤre denn Sache, daß <hi rendition="#fr">etwas verſchweigen,</hi> und es<lb/><hi rendition="#fr">wiewohl nicht ausfuͤhrlich melden</hi> gleichguͤltige Redens-<lb/> arten waͤren. Zwar kan man endlich noch aus der abſon-<lb/> derlichen Zueignung dieſer Stelle auf das Epiſche und Thea-<lb/> traliſche Gedichte wohl mercken, wohin Hr. Gottſched mit<lb/> ſeinem raͤthſelhaften Ausdruck zielet; er will nemlich eben das<lb/> zu verſtehen geben, was Horaz unten von Homers Gedichte<lb/> allen Epiſchen Dichtern zum Beyſpiel angemercket hat:<lb/><lg type="poem"><l><hi rendition="#aq">Nec gemino bellum Trojanum orditur ab ovo:</hi></l><lb/><l><hi rendition="#aq">Semper ad eventum feſtinat, & in medias res.</hi></l><lb/><l><hi rendition="#aq">Non ſecus ac notas, auditorem rapit: & quæ</hi></l><lb/><l><hi rendition="#aq">Deſperat tractata niteſcere poſſe, relinquit.</hi></l></lg><lb/> Allein ſo gehts, wo man ſich einmahl dergleichen ſeltſame<lb/> Traͤume in den Kopf geſetzet hat, als wir von Hr. Gottſched<lb/> angemercket haben, da er nemlich in dem Vorbericht zu die-</note>; und klug im Unterſcheiden</l><lb/> <l>Die ſchoͤnſten Sachen wehlt, die ſchlechten weis zu meiden.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw><lb/><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0100]
Pruͤffung der Ueberſetzung
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Die ſchoͤnſten Sachen wehlt, die ſchlechten weis zu meiden.
Jn
V. 56. Wenn man das wichtigſte von vorne zwar ver-
ſchweigt, doch raͤthſelhaft entdeckt)
Es iſt ſo ferne, daß man aus dieſem Stuͤcke der ſo ge-
nannten deutſchen Ueberſetzung ſollte errathen koͤnnen, wel-
che Lateiniſche Verſe dadurch ſollten erklaͤrt worden ſeyn;
daß man nicht einmahl wiſſen kan, was der Ueberſetzer habe
ſagen wollen. Es laͤßt in der That nicht bloß raͤthſelhaft,
ſondern gantz wiederſinnig, dasjenige was man ver-
ſchweigt raͤthſelhaft entdecken. Jn der beygefuͤgten An-
merckung, wo er ohne Grund dieſe Horaziſche Stelle auf
das Epiſche Gedichte und die Tragoͤdie insbeſondere ziehen
will, (da doch offenbar iſt, daß Horaz von der Ordnung
uͤberhaupt redet) ſtoͤßt er ſeine Ueberſetzung wieder voͤllig
uͤber einen Hauffen, wenn er anmercket, daß man in ei-
nem Epiſchen und theatraliſchen Stuͤcke gleich von
vorne, obgleich nur dunckel melden muͤſſe, wovon
es handle; da inzwiſchen die voͤllige Aufloͤſung der
ganzen Verwirrung ganz aufs letzte bleiben muͤſſe.
Es waͤre denn Sache, daß etwas verſchweigen, und es
wiewohl nicht ausfuͤhrlich melden gleichguͤltige Redens-
arten waͤren. Zwar kan man endlich noch aus der abſon-
derlichen Zueignung dieſer Stelle auf das Epiſche und Thea-
traliſche Gedichte wohl mercken, wohin Hr. Gottſched mit
ſeinem raͤthſelhaften Ausdruck zielet; er will nemlich eben das
zu verſtehen geben, was Horaz unten von Homers Gedichte
allen Epiſchen Dichtern zum Beyſpiel angemercket hat:
Nec gemino bellum Trojanum orditur ab ovo:
Semper ad eventum feſtinat, & in medias res.
Non ſecus ac notas, auditorem rapit: & quæ
Deſperat tractata niteſcere poſſe, relinquit.
Allein ſo gehts, wo man ſich einmahl dergleichen ſeltſame
Traͤume in den Kopf geſetzet hat, als wir von Hr. Gottſched
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