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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.

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Von dem Zustande der Poesie
Noch wolt ich nit lan ab;
Jch gunt mich weiter stecken
Jn Stauden und in Hecken:
Darinn mirs Wunden gab.

2.
O Dörner krumm und zacket,
Wie habt ihr mich zerschrunt?
Wer unter euch kommt nacket,
Der ist gar bald verwundt.
Sonst zwar könt ihr nichts mehr:
Jhr keiner Haut thut schonen,
Noch niedlicher Personen,
Wanns gleich ein Göttin wär.
3.
Sie hats wol selbs erfahren,
Die schöne Venus zart,
Als sie stuhnd in Gefahren,
Und so zerritzet ward.
Daher die Röslein weiß
Von Bluttrieffenden Nerben
Begunten sich zu ferben:
Den man verjeht den Preiß.
4.
Jch thu ein Rose loben,
Ein Rose Tugend voll.
Wolt mich mit ihr verloben,
Wanns ihr gefiele wol.
Jhrs gleichen findt man nicht
Jn Schwaben und in Francken:
Mich Schwachen und sehr Krancken
Sie Tag und Nacht anficht.
5.
Nach ihr steht mein Verlangen,
Mein sehnlich Hertzegird:
Am Creutz läßt sie mich hangen,
Meins Lebens nimmer wird.
Zwar bald ich todt muß seyn.
Je weiter sie mich meidet,
Je länger mein Hertz leidet.
Jst das nit schwere Pein?
6. Ach

Von dem Zuſtande der Poeſie
Noch wolt ich nit lan ab;
Jch gunt mich weiter ſtecken
Jn Stauden und in Hecken:
Darinn mirs Wunden gab.

2.
O Doͤrner krumm und zacket,
Wie habt ihr mich zerſchrunt?
Wer unter euch kommt nacket,
Der iſt gar bald verwundt.
Sonſt zwar koͤnt ihr nichts mehr:
Jhr keiner Haut thut ſchonen,
Noch niedlicher Perſonen,
Wanns gleich ein Goͤttin waͤr.
3.
Sie hats wol ſelbs erfahren,
Die ſchoͤne Venus zart,
Als ſie ſtuhnd in Gefahren,
Und ſo zerritzet ward.
Daher die Roͤslein weiß
Von Bluttrieffenden Nerben
Begunten ſich zu ferben:
Den man verjeht den Preiß.
4.
Jch thu ein Roſe loben,
Ein Roſe Tugend voll.
Wolt mich mit ihr verloben,
Wanns ihr gefiele wol.
Jhrs gleichen findt man nicht
Jn Schwaben und in Francken:
Mich Schwachen und ſehr Krancken
Sie Tag und Nacht anficht.
5.
Nach ihr ſteht mein Verlangen,
Mein ſehnlich Hertzegird:
Am Creutz laͤßt ſie mich hangen,
Meins Lebens nimmer wird.
Zwar bald ich todt muß ſeyn.
Je weiter ſie mich meidet,
Je laͤnger mein Hertz leidet.
Jſt das nit ſchwere Pein?
6. Ach
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[6/0006] Von dem Zuſtande der Poeſie Noch wolt ich nit lan ab; Jch gunt mich weiter ſtecken Jn Stauden und in Hecken: Darinn mirs Wunden gab. 2.O Doͤrner krumm und zacket, Wie habt ihr mich zerſchrunt? Wer unter euch kommt nacket, Der iſt gar bald verwundt. Sonſt zwar koͤnt ihr nichts mehr: Jhr keiner Haut thut ſchonen, Noch niedlicher Perſonen, Wanns gleich ein Goͤttin waͤr. 3.Sie hats wol ſelbs erfahren, Die ſchoͤne Venus zart, Als ſie ſtuhnd in Gefahren, Und ſo zerritzet ward. Daher die Roͤslein weiß Von Bluttrieffenden Nerben Begunten ſich zu ferben: Den man verjeht den Preiß. 4.Jch thu ein Roſe loben, Ein Roſe Tugend voll. Wolt mich mit ihr verloben, Wanns ihr gefiele wol. Jhrs gleichen findt man nicht Jn Schwaben und in Francken: Mich Schwachen und ſehr Krancken Sie Tag und Nacht anficht. 5.Nach ihr ſteht mein Verlangen, Mein ſehnlich Hertzegird: Am Creutz laͤßt ſie mich hangen, Meins Lebens nimmer wird. Zwar bald ich todt muß ſeyn. Je weiter ſie mich meidet, Je laͤnger mein Hertz leidet. Jſt das nit ſchwere Pein? 6. Ach

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung09_1743/6>, abgerufen am 03.12.2024.