[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.Versuch eines Gedichtes Von Joel war ich frey, der mit dem RichterstandZugleich sein Leben ließ. Doch bliebe mir entwandt Die Ruhe wie zuvor. Jch lebt in steten Sorgen, Und da dieß Liebesfeur war aller Welt verborgen, So brannt es drum vielmehr in meinem innern Sinn. Jch bin nicht in mir selbst, was ich bey Leuten bin.1200. Jn solcher Trauerzeit ward unser Land geehret Mit deiner Gegenwart; Doch anfangs ward vermehret Mit dir mein quälend Hertz, weil Adriel mit kam, Und sich also erwieß, daß ich den Eifer nahm Für Liebe in den Sinn. Jch dacht ich bin verlassen, Thalmais liebet er, wohlan, ich will ihn hassen; Dieß hassen aber kam mir saurer an als ihm. Jch fühlte nur die Qual, empfande einen Grimm, Der mir mein Hertz abfraß. Und wie nun dein begehrte Mein Bruder Jonathan, ich ihn hiemit verfehrte,1210. Daß ich ihm bildte ein, dich liebte Adriel. Das macht die Eifersucht, die die verliebte Seel Von deinem Jonathan empfand mit solchem Wüten. Jch war allein geschickt dieß Unglück auszubrüten, Mir hastu nur den Danck zu geben für die Pein, Die meine Eifersucht dir Schwester schenckte ein. Doch als ich endlich sah daß ich mich hatt betrogen, Und deine Heurath mir die Decke abgezogen, Kam durch Beroa Fleiß die Sach in solchen Stand, Daß Adriel mein Hertz und ich das seine kannt.1220. Er sagt mir nach der Läng wie Bichri ihn betrübet, Und ich erzehlte ihm was Klagen ich verübet; Doch konnte unsre Lieb, die nun war neu erneut, Noch brechen nicht herfür, es war noch nicht die Zeit. Es mag der König ihn nicht eben gerne leiden, Weil sein gehabtes Gut er Abner wollt bescheiden. Und weil die Rede gieng, der Abner liebte mich, Jst er daher geheim, und muste bergen sich. Auch hat noch dieß den Groll des Königs viel vermehret, Daß er mit Gera sich, den Saul für andern ehret,1230. Geschlagen, als er kam hinwieder in das Land; Da, ob nun zwischen sie zwar wohl ein Freundschaftsband, Denckt
Verſuch eines Gedichtes Von Joel war ich frey, der mit dem RichterſtandZugleich ſein Leben ließ. Doch bliebe mir entwandt Die Ruhe wie zuvor. Jch lebt in ſteten Sorgen, Und da dieß Liebesfeur war aller Welt verborgen, So brannt es drum vielmehr in meinem innern Sinn. Jch bin nicht in mir ſelbſt, was ich bey Leuten bin.1200. Jn ſolcher Trauerzeit ward unſer Land geehret Mit deiner Gegenwart; Doch anfangs ward vermehret Mit dir mein quaͤlend Hertz, weil Adriel mit kam, Und ſich alſo erwieß, daß ich den Eifer nahm Fuͤr Liebe in den Sinn. Jch dacht ich bin verlaſſen, Thalmais liebet er, wohlan, ich will ihn haſſen; Dieß haſſen aber kam mir ſaurer an als ihm. Jch fuͤhlte nur die Qual, empfande einen Grimm, Der mir mein Hertz abfraß. Und wie nun dein begehrte Mein Bruder Jonathan, ich ihn hiemit verfehrte,1210. Daß ich ihm bildte ein, dich liebte Adriel. Das macht die Eiferſucht, die die verliebte Seel Von deinem Jonathan empfand mit ſolchem Wuͤten. Jch war allein geſchickt dieß Ungluͤck auszubruͤten, Mir haſtu nur den Danck zu geben fuͤr die Pein, Die meine Eiferſucht dir Schweſter ſchenckte ein. Doch als ich endlich ſah daß ich mich hatt betrogen, Und deine Heurath mir die Decke abgezogen, Kam durch Beroa Fleiß die Sach in ſolchen Stand, Daß Adriel mein Hertz und ich das ſeine kannt.1220. Er ſagt mir nach der Laͤng wie Bichri ihn betruͤbet, Und ich erzehlte ihm was Klagen ich veruͤbet; Doch konnte unſre Lieb, die nun war neu erneut, Noch brechen nicht herfuͤr, es war noch nicht die Zeit. Es mag der Koͤnig ihn nicht eben gerne leiden, Weil ſein gehabtes Gut er Abner wollt beſcheiden. Und weil die Rede gieng, der Abner liebte mich, Jſt er daher geheim, und muſte bergen ſich. Auch hat noch dieß den Groll des Koͤnigs viel vermehret, Daß er mit Gera ſich, den Saul fuͤr andern ehret,1230. Geſchlagen, als er kam hinwieder in das Land; Da, ob nun zwiſchen ſie zwar wohl ein Freundſchaftsband, Denckt
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0056" n="56"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verſuch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/> <l>Von Joel war ich frey, der mit dem Richterſtand</l><lb/> <l>Zugleich ſein Leben ließ. Doch bliebe mir entwandt</l><lb/> <l>Die Ruhe wie zuvor. Jch lebt in ſteten Sorgen,</l><lb/> <l>Und da dieß Liebesfeur war aller Welt verborgen,</l><lb/> <l>So brannt es drum vielmehr in meinem innern Sinn.</l><lb/> <l>Jch bin nicht in mir ſelbſt, was ich bey Leuten bin.<note place="right">1200.</note></l><lb/> <l>Jn ſolcher Trauerzeit ward unſer Land geehret</l><lb/> <l>Mit deiner Gegenwart; Doch anfangs ward vermehret</l><lb/> <l>Mit dir mein quaͤlend Hertz, weil Adriel mit kam,</l><lb/> <l>Und ſich alſo erwieß, daß ich den Eifer nahm</l><lb/> <l>Fuͤr Liebe in den Sinn. Jch dacht ich bin verlaſſen,</l><lb/> <l>Thalmais liebet er, wohlan, ich will ihn haſſen;</l><lb/> <l>Dieß haſſen aber kam mir ſaurer an als ihm.</l><lb/> <l>Jch fuͤhlte nur die Qual, empfande einen Grimm,</l><lb/> <l>Der mir mein Hertz abfraß. Und wie nun dein begehrte</l><lb/> <l>Mein Bruder Jonathan, ich ihn hiemit verfehrte,<note place="right">1210.</note></l><lb/> <l>Daß ich ihm bildte ein, dich liebte Adriel.</l><lb/> <l>Das macht die Eiferſucht, die die verliebte Seel</l><lb/> <l>Von deinem Jonathan empfand mit ſolchem Wuͤten.</l><lb/> <l>Jch war allein geſchickt dieß Ungluͤck auszubruͤten,</l><lb/> <l>Mir haſtu nur den Danck zu geben fuͤr die Pein,</l><lb/> <l>Die meine Eiferſucht dir Schweſter ſchenckte ein.</l><lb/> <l>Doch als ich endlich ſah daß ich mich hatt betrogen,</l><lb/> <l>Und deine Heurath mir die Decke abgezogen,</l><lb/> <l>Kam durch Beroa Fleiß die Sach in ſolchen Stand,</l><lb/> <l>Daß Adriel mein Hertz und ich das ſeine kannt.<note place="right">1220.</note></l><lb/> <l>Er ſagt mir nach der Laͤng wie Bichri ihn betruͤbet,</l><lb/> <l>Und ich erzehlte ihm was Klagen ich veruͤbet;</l><lb/> <l>Doch konnte unſre Lieb, die nun war neu erneut,</l><lb/> <l>Noch brechen nicht herfuͤr, es war noch nicht die Zeit.</l><lb/> <l>Es mag der Koͤnig ihn nicht eben gerne leiden,</l><lb/> <l>Weil ſein gehabtes Gut er Abner wollt beſcheiden.</l><lb/> <l>Und weil die Rede gieng, der Abner liebte mich,</l><lb/> <l>Jſt er daher geheim, und muſte bergen ſich.</l><lb/> <l>Auch hat noch dieß den Groll des Koͤnigs viel vermehret,</l><lb/> <l>Daß er mit Gera ſich, den Saul fuͤr andern ehret,<note place="right">1230.</note></l><lb/> <l>Geſchlagen, als er kam hinwieder in das Land;</l><lb/> <l>Da, ob nun zwiſchen ſie zwar wohl ein Freundſchaftsband,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Denckt</fw><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [56/0056]
Verſuch eines Gedichtes
Von Joel war ich frey, der mit dem Richterſtand
Zugleich ſein Leben ließ. Doch bliebe mir entwandt
Die Ruhe wie zuvor. Jch lebt in ſteten Sorgen,
Und da dieß Liebesfeur war aller Welt verborgen,
So brannt es drum vielmehr in meinem innern Sinn.
Jch bin nicht in mir ſelbſt, was ich bey Leuten bin.
Jn ſolcher Trauerzeit ward unſer Land geehret
Mit deiner Gegenwart; Doch anfangs ward vermehret
Mit dir mein quaͤlend Hertz, weil Adriel mit kam,
Und ſich alſo erwieß, daß ich den Eifer nahm
Fuͤr Liebe in den Sinn. Jch dacht ich bin verlaſſen,
Thalmais liebet er, wohlan, ich will ihn haſſen;
Dieß haſſen aber kam mir ſaurer an als ihm.
Jch fuͤhlte nur die Qual, empfande einen Grimm,
Der mir mein Hertz abfraß. Und wie nun dein begehrte
Mein Bruder Jonathan, ich ihn hiemit verfehrte,
Daß ich ihm bildte ein, dich liebte Adriel.
Das macht die Eiferſucht, die die verliebte Seel
Von deinem Jonathan empfand mit ſolchem Wuͤten.
Jch war allein geſchickt dieß Ungluͤck auszubruͤten,
Mir haſtu nur den Danck zu geben fuͤr die Pein,
Die meine Eiferſucht dir Schweſter ſchenckte ein.
Doch als ich endlich ſah daß ich mich hatt betrogen,
Und deine Heurath mir die Decke abgezogen,
Kam durch Beroa Fleiß die Sach in ſolchen Stand,
Daß Adriel mein Hertz und ich das ſeine kannt.
Er ſagt mir nach der Laͤng wie Bichri ihn betruͤbet,
Und ich erzehlte ihm was Klagen ich veruͤbet;
Doch konnte unſre Lieb, die nun war neu erneut,
Noch brechen nicht herfuͤr, es war noch nicht die Zeit.
Es mag der Koͤnig ihn nicht eben gerne leiden,
Weil ſein gehabtes Gut er Abner wollt beſcheiden.
Und weil die Rede gieng, der Abner liebte mich,
Jſt er daher geheim, und muſte bergen ſich.
Auch hat noch dieß den Groll des Koͤnigs viel vermehret,
Daß er mit Gera ſich, den Saul fuͤr andern ehret,
Geſchlagen, als er kam hinwieder in das Land;
Da, ob nun zwiſchen ſie zwar wohl ein Freundſchaftsband,
Denckt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |