[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.des Wahnes bedienen könne. möglich sey, sondern auch einen gewissen Gradder Wahrscheinlichkeit an sich habe; welches ja eben so viel gesagt ist, als, der mögliche Wahn müsse nicht unmöglich seyn; weil alles was mög- lich ist, schon einen gewissen Grad der Wahrschein- lichkeit an sich hat. Er hat aber sagen sollen, ein solcher Wahn, der den Grund zu einer Erdich- tung hergeben soll, müsse nicht nur möglich und schlechterdings wahrscheinlich seyn, sondern auch mit dem gegenwärtigen Zusammenhang der Dinge nicht streiten. Es würde demnach eine auf den Grund der Meynung von der Wanderung der Seelen geschickt aufgeführte Erdichtung Wahr- scheinlichkeit genug haben, und bey den Pythago- räern noch gar für eine Wahrheit gelten: Aber zu einer solchen Ausführung brauchte es in der That nicht einen so ungehirnten Kopf als des J. A. K. ist, in welchem es wie in dem chaotischen und anarchischen Reiche gantz finster, dunckel und wild aussiehet. Auf der 270. Seite berühret J. A. K. noch ei- "Ueberhaupt möchte es zu erleiden seyn, Jch will mich bey der seltsamen Art Wahn B 4
des Wahnes bedienen koͤnne. moͤglich ſey, ſondern auch einen gewiſſen Gradder Wahrſcheinlichkeit an ſich habe; welches ja eben ſo viel geſagt iſt, als, der moͤgliche Wahn muͤſſe nicht unmoͤglich ſeyn; weil alles was moͤg- lich iſt, ſchon einen gewiſſen Grad der Wahrſchein- lichkeit an ſich hat. Er hat aber ſagen ſollen, ein ſolcher Wahn, der den Grund zu einer Erdich- tung hergeben ſoll, muͤſſe nicht nur moͤglich und ſchlechterdings wahrſcheinlich ſeyn, ſondern auch mit dem gegenwaͤrtigen Zuſammenhang der Dinge nicht ſtreiten. Es wuͤrde demnach eine auf den Grund der Meynung von der Wanderung der Seelen geſchickt aufgefuͤhrte Erdichtung Wahr- ſcheinlichkeit genug haben, und bey den Pythago- raͤern noch gar fuͤr eine Wahrheit gelten: Aber zu einer ſolchen Ausfuͤhrung brauchte es in der That nicht einen ſo ungehirnten Kopf als des J. A. K. iſt, in welchem es wie in dem chaotiſchen und anarchiſchen Reiche gantz finſter, dunckel und wild ausſiehet. Auf der 270. Seite beruͤhret J. A. K. noch ei- „Ueberhaupt moͤchte es zu erleiden ſeyn, Jch will mich bey der ſeltſamen Art Wahn B 4
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des Wahnes bedienen koͤnne.
moͤglich ſey, ſondern auch einen gewiſſen Grad
der Wahrſcheinlichkeit an ſich habe; welches ja
eben ſo viel geſagt iſt, als, der moͤgliche Wahn
muͤſſe nicht unmoͤglich ſeyn; weil alles was moͤg-
lich iſt, ſchon einen gewiſſen Grad der Wahrſchein-
lichkeit an ſich hat. Er hat aber ſagen ſollen, ein
ſolcher Wahn, der den Grund zu einer Erdich-
tung hergeben ſoll, muͤſſe nicht nur moͤglich und
ſchlechterdings wahrſcheinlich ſeyn, ſondern auch
mit dem gegenwaͤrtigen Zuſammenhang der Dinge
nicht ſtreiten. Es wuͤrde demnach eine auf den
Grund der Meynung von der Wanderung der
Seelen geſchickt aufgefuͤhrte Erdichtung Wahr-
ſcheinlichkeit genug haben, und bey den Pythago-
raͤern noch gar fuͤr eine Wahrheit gelten: Aber
zu einer ſolchen Ausfuͤhrung brauchte es in der
That nicht einen ſo ungehirnten Kopf als des J.
A. K. iſt, in welchem es wie in dem chaotiſchen
und anarchiſchen Reiche gantz finſter, dunckel und
wild ausſiehet.
Auf der 270. Seite beruͤhret J. A. K. noch ei-
nen doppelten Gebrauch des Wahnes, nemlich
daß er einestheils dienen koͤnne, eine Wahrheit da-
mit zu erlaͤutern, anderntheils aber ihre Urſache dar-
aus anzugeben. Was den erſtern Gebrauch an-
gehet, ſo erklaͤrt er ſich daruͤber auf der 271. Seite
alſo:
„Ueberhaupt moͤchte es zu erleiden ſeyn,
„ſich des Wahnes, um etwas damit zu erlaͤutern,
„zu bemaͤchtigen: weil es wohl angehet, wirckli-
„che Dinge mit moͤglichen in Vergleichung zu
„bringen.„
Jch will mich bey der ſeltſamen Art
des Erweiſes, in ſo fern er auf den moͤglichen
Wahn
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