[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 12. Zürich, 1744.Strukaras, als ein Kunstlehrer und als ein Poet begangenhatte; hernach forderte er einen Schreibzeug und Papier, und verfassete davon mit eigener Hand folgendes summarisches Register: I. Jch bekenne, daß ich meine Nation schändlich verunehret habe, indem ich mich vor ihren Sachwalter ausgegeben, und die Uneh- re, die ich mit meinen elenden Schriften er- holet, auf sie geschoben habe. II. Jch bekenne, daß ich mein Lehrgebäu- de von der Dichtkunst auf meinen Eigendün- kel aufgeführt, und mich bestrebet habe, mei- nen Aberwitz unter dem Nahmen des Ge- schmackes zu einem unbetrüglichen Sinn zu erheben. III. Jch bekenne, daß ich die Dichtkunst habe organisiren und das Gedencken so mecha- nisch machen wollen, daß man ohne einen Kopf voll Hirnes schreiben könnte. IV. Jch bekenne, daß ich die Demonstra- tion in das Gedichte, und die Dichtung in die Weltweisheit habe bringen wollen, und bey- demahl gleich thöricht gethan habe. V. Jch bekenne, daß ich einen Anschlag gemacht habe, die platte Schreibart vor die natürliche einzuführen, und die gedanckenrei- che, unter dem Vorwande, daß sie schwül- stig, dunkel und unergründlich wäre, zu ver- bannen. VI. Jch
Strukaras, als ein Kunſtlehrer und als ein Poet begangenhatte; hernach forderte er einen Schreibzeug und Papier, und verfaſſete davon mit eigener Hand folgendes ſummariſches Regiſter: I. Jch bekenne, daß ich meine Nation ſchaͤndlich verunehret habe, indem ich mich vor ihren Sachwalter ausgegeben, und die Uneh- re, die ich mit meinen elenden Schriften er- holet, auf ſie geſchoben habe. II. Jch bekenne, daß ich mein Lehrgebaͤu- de von der Dichtkunſt auf meinen Eigenduͤn- kel aufgefuͤhrt, und mich beſtrebet habe, mei- nen Aberwitz unter dem Nahmen des Ge- ſchmackes zu einem unbetruͤglichen Sinn zu erheben. III. Jch bekenne, daß ich die Dichtkunſt habe organiſiren und das Gedencken ſo mecha- niſch machen wollen, daß man ohne einen Kopf voll Hirnes ſchreiben koͤnnte. IV. Jch bekenne, daß ich die Demonſtra- tion in das Gedichte, und die Dichtung in die Weltweisheit habe bringen wollen, und bey- demahl gleich thoͤricht gethan habe. V. Jch bekenne, daß ich einen Anſchlag gemacht habe, die platte Schreibart vor die natuͤrliche einzufuͤhren, und die gedanckenrei- che, unter dem Vorwande, daß ſie ſchwuͤl- ſtig, dunkel und unergruͤndlich waͤre, zu ver- bannen. VI. Jch
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Strukaras,
als ein Kunſtlehrer und als ein Poet begangen
hatte; hernach forderte er einen Schreibzeug und
Papier, und verfaſſete davon mit eigener Hand
folgendes ſummariſches Regiſter:
I. Jch bekenne, daß ich meine Nation
ſchaͤndlich verunehret habe, indem ich mich vor
ihren Sachwalter ausgegeben, und die Uneh-
re, die ich mit meinen elenden Schriften er-
holet, auf ſie geſchoben habe.
II. Jch bekenne, daß ich mein Lehrgebaͤu-
de von der Dichtkunſt auf meinen Eigenduͤn-
kel aufgefuͤhrt, und mich beſtrebet habe, mei-
nen Aberwitz unter dem Nahmen des Ge-
ſchmackes zu einem unbetruͤglichen Sinn zu
erheben.
III. Jch bekenne, daß ich die Dichtkunſt
habe organiſiren und das Gedencken ſo mecha-
niſch machen wollen, daß man ohne einen Kopf
voll Hirnes ſchreiben koͤnnte.
IV. Jch bekenne, daß ich die Demonſtra-
tion in das Gedichte, und die Dichtung in die
Weltweisheit habe bringen wollen, und bey-
demahl gleich thoͤricht gethan habe.
V. Jch bekenne, daß ich einen Anſchlag
gemacht habe, die platte Schreibart vor die
natuͤrliche einzufuͤhren, und die gedanckenrei-
che, unter dem Vorwande, daß ſie ſchwuͤl-
ſtig, dunkel und unergruͤndlich waͤre, zu ver-
bannen.
VI. Jch
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