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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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II. Die Angriffswaffen.
nur sehr kurzen Parierstangen ja die ältesten haben an dieser
Stelle nur Scheiben oder Knäufe. (Fig. 268.) Erst mit der Ent-
wickelung der Fechtkunst wurde bei der Form des Griffes auf den
Faustschutz Bedacht genommen. Die Fechtkunst kam aber erst in den
ersten Kreuzzügen in Aufnahme; auch sie ist orientalischen Ursprungs.

Die innere Festigung des germanisch-gallischen Staatswesens
unter Karl dem Grossen wirkte ungemein fördernd auf die Entwicke-
lung der Künste und Handwerke; dazu trug nicht wenig der stetig
zunehmende Verkehr mit dem Oriente bei. Dieser Einfluss macht
sich, wie überhaupt in der Kunsttechnik, auch in der Klingenfabri-
kation deutlich kennbar. Aus Syrien wanderten die ebenso geschickten
wie emsigen Kunsthandwerker, darunter die Klingenschmiede, nach
Europa und begannen anfänglich an den Küsten Siziliens und Spaniens
eine reich sich lohnende Thätigkeit. Dieser Thatsache ist es zuzu-
schreiben, dass wir bereits am Ende des 8. Jahrhunderts Klingen von
einer so kunstvollen Ausführung erblicken, wie sie in christlichen
Ländern selbst bis ins 15. Jahrhundert nicht übertroffen wurde. Wir
finden in der Miniatur einer Handschrift der Nationalbibliothek in
Paris aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts in den Händen eines
fränkischen Befehlshabers ein Schwert mit kelchförmigem Knaufe, ge-
rader Parierstange und einer sehr langen Klinge, welche einen bis
ans Ende reichenden Hohlschliff besitzt. Innerhalb dieses bemerkt
man Linien und Punkte angedeutet, welche vermuten lassen, dass
mit ihnen bereits Durchlöcherungen, sogenannte "Giftzüge" (alemelles
a fenetres) dargestellt sind; wie uns solche bisher nur in maurischen
Klingen des 14. Jahrhunderts vor Augen kommen. (Fig. 269.) Im

[Abbildung] Fig. 271.


Griff vom
Schwerte
eines Nor-
manen
aus
dem Teppich
von Bayeux.
Ende des
11. Jahrh.

Teppich von Bayeux erscheinen die Schwertklingen von
verschiedener Länge, übermässig lang bei Vornehmen,
etwa 60 cm. bei Geringeren und Fussstreitern, meist
spitz. Die Knäufe sind in Form einer halben Scheibe,
die Griffe besitzen kurze, gerade Parierstangen und ein
auffallend kurzes Griffholz. (Fig. 270 a und b, 271.)
Wenig später treffen wir schon mit dem scheibenförmigen
Knauf die etwas nach abwärts gebogene Parierstange.
(Fig. 272, 273, 274, 275.) Der Knauf in seiner scheiben-
förmigen Gestalt hatte nicht allein die Bestimmung, das
Ausgleiten der Hand zu verhindern, sondern auch dem
Gewichte der langen Klinge ein Gegengewicht zu bieten.
Aus dieser Ursache werden auch die Knäufe in späterer
Zeit immer massiver und schwerer. Im 12. Jahrhundert
macht sich eine strengere Scheidung des Reiter-
schwertes von jenem des Fussgängers merkbar, insoweit
man dem Fussknechte überhaupt das Führen eines
Schwertes, das nur als eine Waffe des Adligen, des[ ]Ritters angesehen
wurde, zugestand. Selbst in Italien, wo doch das Fussvolk überhaupt nicht

II. Die Angriffswaffen.
nur sehr kurzen Parierstangen ja die ältesten haben an dieser
Stelle nur Scheiben oder Knäufe. (Fig. 268.) Erst mit der Ent-
wickelung der Fechtkunst wurde bei der Form des Griffes auf den
Faustschutz Bedacht genommen. Die Fechtkunst kam aber erst in den
ersten Kreuzzügen in Aufnahme; auch sie ist orientalischen Ursprungs.

Die innere Festigung des germanisch-gallischen Staatswesens
unter Karl dem Groſsen wirkte ungemein fördernd auf die Entwicke-
lung der Künste und Handwerke; dazu trug nicht wenig der stetig
zunehmende Verkehr mit dem Oriente bei. Dieser Einfluſs macht
sich, wie überhaupt in der Kunsttechnik, auch in der Klingenfabri-
kation deutlich kennbar. Aus Syrien wanderten die ebenso geschickten
wie emsigen Kunsthandwerker, darunter die Klingenschmiede, nach
Europa und begannen anfänglich an den Küsten Siziliens und Spaniens
eine reich sich lohnende Thätigkeit. Dieser Thatsache ist es zuzu-
schreiben, daſs wir bereits am Ende des 8. Jahrhunderts Klingen von
einer so kunstvollen Ausführung erblicken, wie sie in christlichen
Ländern selbst bis ins 15. Jahrhundert nicht übertroffen wurde. Wir
finden in der Miniatur einer Handschrift der Nationalbibliothek in
Paris aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts in den Händen eines
fränkischen Befehlshabers ein Schwert mit kelchförmigem Knaufe, ge-
rader Parierstange und einer sehr langen Klinge, welche einen bis
ans Ende reichenden Hohlschliff besitzt. Innerhalb dieses bemerkt
man Linien und Punkte angedeutet, welche vermuten lassen, daſs
mit ihnen bereits Durchlöcherungen, sogenannte „Giftzüge“ (alemelles
à fenêtres) dargestellt sind; wie uns solche bisher nur in maurischen
Klingen des 14. Jahrhunderts vor Augen kommen. (Fig. 269.) Im

[Abbildung] Fig. 271.


Griff vom
Schwerte
eines Nor-
manen
aus
dem Teppich
von Bayeux.
Ende des
11. Jahrh.

Teppich von Bayeux erscheinen die Schwertklingen von
verschiedener Länge, übermäſsig lang bei Vornehmen,
etwa 60 cm. bei Geringeren und Fuſsstreitern, meist
spitz. Die Knäufe sind in Form einer halben Scheibe,
die Griffe besitzen kurze, gerade Parierstangen und ein
auffallend kurzes Griffholz. (Fig. 270 a und b, 271.)
Wenig später treffen wir schon mit dem scheibenförmigen
Knauf die etwas nach abwärts gebogene Parierstange.
(Fig. 272, 273, 274, 275.) Der Knauf in seiner scheiben-
förmigen Gestalt hatte nicht allein die Bestimmung, das
Ausgleiten der Hand zu verhindern, sondern auch dem
Gewichte der langen Klinge ein Gegengewicht zu bieten.
Aus dieser Ursache werden auch die Knäufe in späterer
Zeit immer massiver und schwerer. Im 12. Jahrhundert
macht sich eine strengere Scheidung des Reiter-
schwertes von jenem des Fuſsgängers merkbar, insoweit
man dem Fuſsknechte überhaupt das Führen eines
Schwertes, das nur als eine Waffe des Adligen, des[ ]Ritters angesehen
wurde, zugestand. Selbst in Italien, wo doch das Fuſsvolk überhaupt nicht

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[238/0256] II. Die Angriffswaffen. nur sehr kurzen Parierstangen ja die ältesten haben an dieser Stelle nur Scheiben oder Knäufe. (Fig. 268.) Erst mit der Ent- wickelung der Fechtkunst wurde bei der Form des Griffes auf den Faustschutz Bedacht genommen. Die Fechtkunst kam aber erst in den ersten Kreuzzügen in Aufnahme; auch sie ist orientalischen Ursprungs. Die innere Festigung des germanisch-gallischen Staatswesens unter Karl dem Groſsen wirkte ungemein fördernd auf die Entwicke- lung der Künste und Handwerke; dazu trug nicht wenig der stetig zunehmende Verkehr mit dem Oriente bei. Dieser Einfluſs macht sich, wie überhaupt in der Kunsttechnik, auch in der Klingenfabri- kation deutlich kennbar. Aus Syrien wanderten die ebenso geschickten wie emsigen Kunsthandwerker, darunter die Klingenschmiede, nach Europa und begannen anfänglich an den Küsten Siziliens und Spaniens eine reich sich lohnende Thätigkeit. Dieser Thatsache ist es zuzu- schreiben, daſs wir bereits am Ende des 8. Jahrhunderts Klingen von einer so kunstvollen Ausführung erblicken, wie sie in christlichen Ländern selbst bis ins 15. Jahrhundert nicht übertroffen wurde. Wir finden in der Miniatur einer Handschrift der Nationalbibliothek in Paris aus der 2. Hälfte des 11. Jahrhunderts in den Händen eines fränkischen Befehlshabers ein Schwert mit kelchförmigem Knaufe, ge- rader Parierstange und einer sehr langen Klinge, welche einen bis ans Ende reichenden Hohlschliff besitzt. Innerhalb dieses bemerkt man Linien und Punkte angedeutet, welche vermuten lassen, daſs mit ihnen bereits Durchlöcherungen, sogenannte „Giftzüge“ (alemelles à fenêtres) dargestellt sind; wie uns solche bisher nur in maurischen Klingen des 14. Jahrhunderts vor Augen kommen. (Fig. 269.) Im [Abbildung Fig. 271. Griff vom Schwerte eines Nor- manen aus dem Teppich von Bayeux. Ende des 11. Jahrh.] Teppich von Bayeux erscheinen die Schwertklingen von verschiedener Länge, übermäſsig lang bei Vornehmen, etwa 60 cm. bei Geringeren und Fuſsstreitern, meist spitz. Die Knäufe sind in Form einer halben Scheibe, die Griffe besitzen kurze, gerade Parierstangen und ein auffallend kurzes Griffholz. (Fig. 270 a und b, 271.) Wenig später treffen wir schon mit dem scheibenförmigen Knauf die etwas nach abwärts gebogene Parierstange. (Fig. 272, 273, 274, 275.) Der Knauf in seiner scheiben- förmigen Gestalt hatte nicht allein die Bestimmung, das Ausgleiten der Hand zu verhindern, sondern auch dem Gewichte der langen Klinge ein Gegengewicht zu bieten. Aus dieser Ursache werden auch die Knäufe in späterer Zeit immer massiver und schwerer. Im 12. Jahrhundert macht sich eine strengere Scheidung des Reiter- schwertes von jenem des Fuſsgängers merkbar, insoweit man dem Fuſsknechte überhaupt das Führen eines Schwertes, das nur als eine Waffe des Adligen, des Ritters angesehen wurde, zugestand. Selbst in Italien, wo doch das Fuſsvolk überhaupt nicht

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 238. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/256>, abgerufen am 22.11.2024.