Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

Bild:
<< vorherige Seite

1. Der Helm.
sichtlich ist. Auf dem Scheitel zeigt sich das in Eisen geschnittene,
deutliche Bild eines Schweines. (Fig. 2.) Es ist damit das Original
eines "Eberhelmes" gefunden worden, der eine so bedeutende Rolle
in der heidnisch-christlichen Übergangszeit bei den Deutschen spielt
und der wiederholt im Beowulfliede erwähnt wird. Wir sehen damit
auch die ersten Anfänge des Zimiers, dessen deutscher Ursprung
sich hier deutlich erweist.*)

Vom 5. bis ins 9. Jahrhundert ist in den italischen Ländern in
dem Streben, das Haupt zu schützen, der orientalische Einfluss noch
gering, die Halsbrünne, in der Form einer Kapuze, die mit dem
Haubert in Verbindung kam, wird angenommen, der Helm aber,
besser gesagt: eine Art Eisenhaube, kann ihren klassisch antiken
Ursprung nicht verleugnen. In den Miniaturen des Psalterium
aureum von St. Gallen vom Ende des 8. Jahrhunderts tragen die
Krieger Helme mit weit ausladender Krempe und tiefem Nacken-
schirme. An der Stirne ist die erstere nach aufwärts geschnitten und
bildet vorn einen Knopf. Gemeine Krieger tragen den Helm ohne
Kamm, vornehme auch mit jenem blattartig geschnittenen Kamme,
wie er aus der Römerzeit her üblich war. Ganz ähnlich finden wir den
Helm in den Miniaturen der Bibel von San Paolo fuori le mura vom
9. Jahrhundert dargestellt, ebenso im Evangelium des Lothar und in
der Bibel Karls des Kahlen im Museum des Louvre. Im 10. Jahr-
hundert wird ersichtlich der antike Einfluss schwächer, die Helme
werden hoch und spitzig mit Nackenschirmen, welche beiderseits sich
bis über die Ohren verbreiten; diese kegelförmige Gestalt scheinen
sie, wie wir aus dem Manuskripte des Prudentius ersehen können,
um das Jahr 1000 erhalten zu haben. Bis in jene Zeit war der
Helm aus mehreren Stücken zusammengesetzt und vernietet und wohl
auch aus Leder gefertigt, nur der Stirnreif und die über das Scheitel-
stück laufenden Spangen waren aus Metall, eine Annahme, die sich
durch zwei in England gefundene derlei Helme auch bestätigt hat.

Es ist nun einleuchtend, dass eine derartige Kopfbedeckung einen
nur geringen Schutz gegen die damaligen Angriffswaffen gewähren
konnte; sie scheint auch unter dem Kriegsvolke in nicht besonderer
Schätzung gestanden zu haben, denn unter den Germanen war der
Helm nicht allgemein im Gebrauche gewesen und in Miniaturen des
10. Jahrhunderts finden wir häufig das Fussvolk ohne Helm, nur mit
dem Haubert ausgestattet. Wesentliche Verbesserungen des Helmes
lassen sich erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erweisen, und es ist
hier der orientalische Einfluss unverkennbar. Wir sehen im Teppich von
Bayeux die Angelsachsen wie die Normanen gleich ausgerüstet. Sie
tragen die mit eng anschliessender Kapuze ausgestattete Brünne aus

*) Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. -- Beck, Ge-
schichte des Eisens. -- Beowulf, v 305, 1464.

1. Der Helm.
sichtlich ist. Auf dem Scheitel zeigt sich das in Eisen geschnittene,
deutliche Bild eines Schweines. (Fig. 2.) Es ist damit das Original
eines „Eberhelmes“ gefunden worden, der eine so bedeutende Rolle
in der heidnisch-christlichen Übergangszeit bei den Deutschen spielt
und der wiederholt im Beowulfliede erwähnt wird. Wir sehen damit
auch die ersten Anfänge des Zimiers, dessen deutscher Ursprung
sich hier deutlich erweist.*)

Vom 5. bis ins 9. Jahrhundert ist in den italischen Ländern in
dem Streben, das Haupt zu schützen, der orientalische Einfluſs noch
gering, die Halsbrünne, in der Form einer Kapuze, die mit dem
Haubert in Verbindung kam, wird angenommen, der Helm aber,
besser gesagt: eine Art Eisenhaube, kann ihren klassisch antiken
Ursprung nicht verleugnen. In den Miniaturen des Psalterium
aureum von St. Gallen vom Ende des 8. Jahrhunderts tragen die
Krieger Helme mit weit ausladender Krempe und tiefem Nacken-
schirme. An der Stirne ist die erstere nach aufwärts geschnitten und
bildet vorn einen Knopf. Gemeine Krieger tragen den Helm ohne
Kamm, vornehme auch mit jenem blattartig geschnittenen Kamme,
wie er aus der Römerzeit her üblich war. Ganz ähnlich finden wir den
Helm in den Miniaturen der Bibel von San Paolo fuori le mura vom
9. Jahrhundert dargestellt, ebenso im Evangelium des Lothar und in
der Bibel Karls des Kahlen im Museum des Louvre. Im 10. Jahr-
hundert wird ersichtlich der antike Einfluſs schwächer, die Helme
werden hoch und spitzig mit Nackenschirmen, welche beiderseits sich
bis über die Ohren verbreiten; diese kegelförmige Gestalt scheinen
sie, wie wir aus dem Manuskripte des Prudentius ersehen können,
um das Jahr 1000 erhalten zu haben. Bis in jene Zeit war der
Helm aus mehreren Stücken zusammengesetzt und vernietet und wohl
auch aus Leder gefertigt, nur der Stirnreif und die über das Scheitel-
stück laufenden Spangen waren aus Metall, eine Annahme, die sich
durch zwei in England gefundene derlei Helme auch bestätigt hat.

Es ist nun einleuchtend, daſs eine derartige Kopfbedeckung einen
nur geringen Schutz gegen die damaligen Angriffswaffen gewähren
konnte; sie scheint auch unter dem Kriegsvolke in nicht besonderer
Schätzung gestanden zu haben, denn unter den Germanen war der
Helm nicht allgemein im Gebrauche gewesen und in Miniaturen des
10. Jahrhunderts finden wir häufig das Fuſsvolk ohne Helm, nur mit
dem Haubert ausgestattet. Wesentliche Verbesserungen des Helmes
lassen sich erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erweisen, und es ist
hier der orientalische Einfluſs unverkennbar. Wir sehen im Teppich von
Bayeux die Angelsachsen wie die Normanen gleich ausgerüstet. Sie
tragen die mit eng anschlieſsender Kapuze ausgestattete Brünne aus

*) Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. — Beck, Ge-
schichte des Eisens. — Beowulf, v 305, 1464.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0043" n="25"/><fw place="top" type="header">1. Der Helm.</fw><lb/>
sichtlich ist. Auf dem Scheitel zeigt sich das in Eisen geschnittene,<lb/>
deutliche Bild eines Schweines. (Fig. 2.) Es ist damit das Original<lb/>
eines &#x201E;Eberhelmes&#x201C; gefunden worden, der eine so bedeutende Rolle<lb/>
in der heidnisch-christlichen Übergangszeit bei den Deutschen spielt<lb/>
und der wiederholt im Beowulfliede erwähnt wird. Wir sehen damit<lb/>
auch die ersten Anfänge des Zimiers, dessen deutscher Ursprung<lb/>
sich hier deutlich erweist.<note place="foot" n="*)">Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. &#x2014; Beck, Ge-<lb/>
schichte des Eisens. &#x2014; Beowulf, v 305, 1464.</note></p><lb/>
          <p>Vom 5. bis ins 9. Jahrhundert ist in den italischen Ländern in<lb/>
dem Streben, das Haupt zu schützen, der orientalische Einflu&#x017F;s noch<lb/>
gering, die Halsbrünne, in der Form einer Kapuze, die mit dem<lb/>
Haubert in Verbindung kam, wird angenommen, der Helm aber,<lb/>
besser gesagt: eine Art Eisenhaube, kann ihren klassisch antiken<lb/>
Ursprung nicht verleugnen. In den Miniaturen des Psalterium<lb/>
aureum von St. Gallen vom Ende des 8. Jahrhunderts tragen die<lb/>
Krieger Helme mit weit ausladender Krempe und tiefem Nacken-<lb/>
schirme. An der Stirne ist die erstere nach aufwärts geschnitten und<lb/>
bildet vorn einen Knopf. Gemeine Krieger tragen den Helm ohne<lb/>
Kamm, vornehme auch mit jenem blattartig geschnittenen Kamme,<lb/>
wie er aus der Römerzeit her üblich war. Ganz ähnlich finden wir den<lb/>
Helm in den Miniaturen der Bibel von San Paolo fuori le mura vom<lb/>
9. Jahrhundert dargestellt, ebenso im Evangelium des Lothar und in<lb/>
der Bibel Karls des Kahlen im Museum des Louvre. Im 10. Jahr-<lb/>
hundert wird ersichtlich der antike Einflu&#x017F;s schwächer, die Helme<lb/>
werden hoch und spitzig mit Nackenschirmen, welche beiderseits sich<lb/>
bis über die Ohren verbreiten; diese kegelförmige Gestalt scheinen<lb/>
sie, wie wir aus dem Manuskripte des Prudentius ersehen können,<lb/>
um das Jahr 1000 erhalten zu haben. Bis in jene Zeit war der<lb/>
Helm aus mehreren Stücken zusammengesetzt und vernietet und wohl<lb/>
auch aus Leder gefertigt, nur der Stirnreif und die über das Scheitel-<lb/>
stück laufenden Spangen waren aus Metall, eine Annahme, die sich<lb/>
durch zwei in England gefundene derlei Helme auch bestätigt hat.</p><lb/>
          <p>Es ist nun einleuchtend, da&#x017F;s eine derartige Kopfbedeckung einen<lb/>
nur geringen Schutz gegen die damaligen Angriffswaffen gewähren<lb/>
konnte; sie scheint auch unter dem Kriegsvolke in nicht besonderer<lb/>
Schätzung gestanden zu haben, denn unter den Germanen war der<lb/>
Helm nicht allgemein im Gebrauche gewesen und in Miniaturen des<lb/>
10. Jahrhunderts finden wir häufig das Fu&#x017F;svolk ohne Helm, nur mit<lb/>
dem Haubert ausgestattet. Wesentliche Verbesserungen des Helmes<lb/>
lassen sich erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erweisen, und es ist<lb/>
hier der orientalische Einflu&#x017F;s unverkennbar. Wir sehen im Teppich von<lb/>
Bayeux die Angelsachsen wie die Normanen gleich ausgerüstet. Sie<lb/>
tragen die mit eng anschlie&#x017F;sender Kapuze ausgestattete Brünne aus<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0043] 1. Der Helm. sichtlich ist. Auf dem Scheitel zeigt sich das in Eisen geschnittene, deutliche Bild eines Schweines. (Fig. 2.) Es ist damit das Original eines „Eberhelmes“ gefunden worden, der eine so bedeutende Rolle in der heidnisch-christlichen Übergangszeit bei den Deutschen spielt und der wiederholt im Beowulfliede erwähnt wird. Wir sehen damit auch die ersten Anfänge des Zimiers, dessen deutscher Ursprung sich hier deutlich erweist. *) Vom 5. bis ins 9. Jahrhundert ist in den italischen Ländern in dem Streben, das Haupt zu schützen, der orientalische Einfluſs noch gering, die Halsbrünne, in der Form einer Kapuze, die mit dem Haubert in Verbindung kam, wird angenommen, der Helm aber, besser gesagt: eine Art Eisenhaube, kann ihren klassisch antiken Ursprung nicht verleugnen. In den Miniaturen des Psalterium aureum von St. Gallen vom Ende des 8. Jahrhunderts tragen die Krieger Helme mit weit ausladender Krempe und tiefem Nacken- schirme. An der Stirne ist die erstere nach aufwärts geschnitten und bildet vorn einen Knopf. Gemeine Krieger tragen den Helm ohne Kamm, vornehme auch mit jenem blattartig geschnittenen Kamme, wie er aus der Römerzeit her üblich war. Ganz ähnlich finden wir den Helm in den Miniaturen der Bibel von San Paolo fuori le mura vom 9. Jahrhundert dargestellt, ebenso im Evangelium des Lothar und in der Bibel Karls des Kahlen im Museum des Louvre. Im 10. Jahr- hundert wird ersichtlich der antike Einfluſs schwächer, die Helme werden hoch und spitzig mit Nackenschirmen, welche beiderseits sich bis über die Ohren verbreiten; diese kegelförmige Gestalt scheinen sie, wie wir aus dem Manuskripte des Prudentius ersehen können, um das Jahr 1000 erhalten zu haben. Bis in jene Zeit war der Helm aus mehreren Stücken zusammengesetzt und vernietet und wohl auch aus Leder gefertigt, nur der Stirnreif und die über das Scheitel- stück laufenden Spangen waren aus Metall, eine Annahme, die sich durch zwei in England gefundene derlei Helme auch bestätigt hat. Es ist nun einleuchtend, daſs eine derartige Kopfbedeckung einen nur geringen Schutz gegen die damaligen Angriffswaffen gewähren konnte; sie scheint auch unter dem Kriegsvolke in nicht besonderer Schätzung gestanden zu haben, denn unter den Germanen war der Helm nicht allgemein im Gebrauche gewesen und in Miniaturen des 10. Jahrhunderts finden wir häufig das Fuſsvolk ohne Helm, nur mit dem Haubert ausgestattet. Wesentliche Verbesserungen des Helmes lassen sich erst um die Mitte des 10. Jahrhunderts erweisen, und es ist hier der orientalische Einfluſs unverkennbar. Wir sehen im Teppich von Bayeux die Angelsachsen wie die Normanen gleich ausgerüstet. Sie tragen die mit eng anschlieſsender Kapuze ausgestattete Brünne aus *) Lindenschmit, Altertümer unserer heidnischen Vorzeit. — Beck, Ge- schichte des Eisens. — Beowulf, v 305, 1464.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/43
Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/43>, abgerufen am 21.11.2024.