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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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1. Der Helm.
kunst in jener Zeit, wenn man die hierbei erforderliche Fertigkeit in
Betracht zieht. Ein scheibenförmiges, entsprechend dickes Stück reinen
Eisens musste im glühenden Zustande mittelst schwerer Fallhämmer
vorerst in eine konkave Form gebracht und dann am Ambosse
mittelst des Handhammers ausgefertigt werden. Diese Kunst, wenn
wir sie so nennen wollen, wurde aber im Oriente weit vor dem
10. Jahrhundert geübt.

Der Verlauf des 12. Jahrhunderts ist von einem fieberhaften
Streben begleitet, die Helmform zu verbessern. Das Scheitelstück
erscheint in allen Formen sphärisch spitz zulaufend, kegelförmig, halb-
kugelförmig, selbst cylindrisch mit flacher Decke. Am längsten erhält
sich die erstere als "normanischer Helm", eine Bezeichnung, die, wie
wir oben gesehen haben, nicht ganz zutreffend ist. Allen diesen

[Abbildung] Fig. 5.

Helm Heinrichs des Löwen, Herzogs zu Sachsen
(gest. 1195). Sammlung des Herzogs von Cumberland in Gmunden.

[Abbildung] Fig. 6.

Helm aus Eisen, aus einem Stück getrieben, vom
Ende des 11. oder dem Anfange des 12. Jahrhunderts.

Formen ist das Naseneisen eigentümlich, das im Verlaufe immer
länger und breiter wird, ja in Deutschland tritt selbst die feste Ge-
sichtsblende, das Visier, auf. Am deutlichsten beobachten wir dieses
Herumtasten der Waffenschmiede in den Kopien der Miniaturen,
welche aus dem hortus deliciarum Herrads von Landsberg stammen.
Bemerkenswert in dieser Periode ist die allgemeiner werdende Sitte,
den Helm mit Gold und Edelsteinen zu verzieren.

Inzwischen aller dieser regellosen Versuche hatten die praktischen
Erfahrungen im ersten und zweiten Kreuzzuge in erstaunlich kurzer
Zeit eine Wandlung in der Helmform hervorgebracht, wie sie

1. Der Helm.
kunst in jener Zeit, wenn man die hierbei erforderliche Fertigkeit in
Betracht zieht. Ein scheibenförmiges, entsprechend dickes Stück reinen
Eisens muſste im glühenden Zustande mittelst schwerer Fallhämmer
vorerst in eine konkave Form gebracht und dann am Amboſse
mittelst des Handhammers ausgefertigt werden. Diese Kunst, wenn
wir sie so nennen wollen, wurde aber im Oriente weit vor dem
10. Jahrhundert geübt.

Der Verlauf des 12. Jahrhunderts ist von einem fieberhaften
Streben begleitet, die Helmform zu verbessern. Das Scheitelstück
erscheint in allen Formen sphärisch spitz zulaufend, kegelförmig, halb-
kugelförmig, selbst cylindrisch mit flacher Decke. Am längsten erhält
sich die erstere als „normanischer Helm“, eine Bezeichnung, die, wie
wir oben gesehen haben, nicht ganz zutreffend ist. Allen diesen

[Abbildung] Fig. 5.

Helm Heinrichs des Löwen, Herzogs zu Sachsen
(gest. 1195). Sammlung des Herzogs von Cumberland in Gmunden.

[Abbildung] Fig. 6.

Helm aus Eisen, aus einem Stück getrieben, vom
Ende des 11. oder dem Anfange des 12. Jahrhunderts.

Formen ist das Naseneisen eigentümlich, das im Verlaufe immer
länger und breiter wird, ja in Deutschland tritt selbst die feste Ge-
sichtsblende, das Visier, auf. Am deutlichsten beobachten wir dieses
Herumtasten der Waffenschmiede in den Kopien der Miniaturen,
welche aus dem hortus deliciarum Herrads von Landsberg stammen.
Bemerkenswert in dieser Periode ist die allgemeiner werdende Sitte,
den Helm mit Gold und Edelsteinen zu verzieren.

Inzwischen aller dieser regellosen Versuche hatten die praktischen
Erfahrungen im ersten und zweiten Kreuzzuge in erstaunlich kurzer
Zeit eine Wandlung in der Helmform hervorgebracht, wie sie

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[27/0045] 1. Der Helm. kunst in jener Zeit, wenn man die hierbei erforderliche Fertigkeit in Betracht zieht. Ein scheibenförmiges, entsprechend dickes Stück reinen Eisens muſste im glühenden Zustande mittelst schwerer Fallhämmer vorerst in eine konkave Form gebracht und dann am Amboſse mittelst des Handhammers ausgefertigt werden. Diese Kunst, wenn wir sie so nennen wollen, wurde aber im Oriente weit vor dem 10. Jahrhundert geübt. Der Verlauf des 12. Jahrhunderts ist von einem fieberhaften Streben begleitet, die Helmform zu verbessern. Das Scheitelstück erscheint in allen Formen sphärisch spitz zulaufend, kegelförmig, halb- kugelförmig, selbst cylindrisch mit flacher Decke. Am längsten erhält sich die erstere als „normanischer Helm“, eine Bezeichnung, die, wie wir oben gesehen haben, nicht ganz zutreffend ist. Allen diesen [Abbildung Fig. 5. Helm Heinrichs des Löwen, Herzogs zu Sachsen (gest. 1195). Sammlung des Herzogs von Cumberland in Gmunden.] [Abbildung Fig. 6. Helm aus Eisen, aus einem Stück getrieben, vom Ende des 11. oder dem Anfange des 12. Jahrhunderts.] Formen ist das Naseneisen eigentümlich, das im Verlaufe immer länger und breiter wird, ja in Deutschland tritt selbst die feste Ge- sichtsblende, das Visier, auf. Am deutlichsten beobachten wir dieses Herumtasten der Waffenschmiede in den Kopien der Miniaturen, welche aus dem hortus deliciarum Herrads von Landsberg stammen. Bemerkenswert in dieser Periode ist die allgemeiner werdende Sitte, den Helm mit Gold und Edelsteinen zu verzieren. Inzwischen aller dieser regellosen Versuche hatten die praktischen Erfahrungen im ersten und zweiten Kreuzzuge in erstaunlich kurzer Zeit eine Wandlung in der Helmform hervorgebracht, wie sie

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/45>, abgerufen am 23.11.2024.