So erscheinen die türkischen Helme schon am Anfange des 16. Jahrhunderts und bleiben in dieser Form, wie wir an zahlreichen Trophäenstücken ersehen, bis an das Ende des 17. Jahrhunderts, ja noch länger, nur merkt man später die Hinneigung, die Glocke niederer und halbkugelförmig zu gestalten. Die Russen, Polen und Ungarn, welche die türkische Sturmhaube angenommen hatten, bildeten die- selbe nach ihrem nationalen Geschmacke um. Die Unterschiede in den Formen sind in den verschiedenen Nationen gering, doch werden sie in der Regel deutlich als moskowitische, polnische und hussarische Sturmhauben unterschieden. Um 1590 erscheinen alle derlei orien- talische Sturmhauben unter der Benennung "Zischägge", welche sie vereinzelt noch bis ins 17. Jahrhundert beibehalten.
[Abbildung]
Fig. 42.
Offene Sturmhaube mit geschobenem Nackenschirm, aufschlächtigem Sonnenschirm und geschobenem Sturmband. Arbeit des Nürnberger Plattners Mert. Rotschmid (gest. 1597). 16. Jahr- hundert, Ende. Landeszeughaus in Graz.
[Abbildung]
Fig. 43.
Gemeine tartarische Sturmhaube mit aus zwei Stücken roh zusammengenieteter Glocke und Gesichtsschirm. 16. Jahr- hundert. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand.
Von Polen aus gelangen die Zischäggen nach Sachsen, von Ungarn nach Österreich und Bayern, und von da in alle Heere, nicht ohne in selben Umbildungen zu erfahren. So erhalten sie in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die Allongeperücken Mode wurden, diesen grossen Frisuren entsprechende umfangreiche Nackenschirme. Die polnischen Reiter fügten auch zu dieser Sturmhaube ein Zierstück, wie ein ähnliches sie schon auf Helmen des 15. Jahrhunderts ge-
4*
1. Der Helm.
So erscheinen die türkischen Helme schon am Anfange des 16. Jahrhunderts und bleiben in dieser Form, wie wir an zahlreichen Trophäenstücken ersehen, bis an das Ende des 17. Jahrhunderts, ja noch länger, nur merkt man später die Hinneigung, die Glocke niederer und halbkugelförmig zu gestalten. Die Russen, Polen und Ungarn, welche die türkische Sturmhaube angenommen hatten, bildeten die- selbe nach ihrem nationalen Geschmacke um. Die Unterschiede in den Formen sind in den verschiedenen Nationen gering, doch werden sie in der Regel deutlich als moskowitische, polnische und hussarische Sturmhauben unterschieden. Um 1590 erscheinen alle derlei orien- talische Sturmhauben unter der Benennung „Zischägge“, welche sie vereinzelt noch bis ins 17. Jahrhundert beibehalten.
[Abbildung]
Fig. 42.
Offene Sturmhaube mit geschobenem Nackenschirm, aufschlächtigem Sonnenschirm und geschobenem Sturmband. Arbeit des Nürnberger Plattners Mert. Rotschmid (gest. 1597). 16. Jahr- hundert, Ende. Landeszeughaus in Graz.
[Abbildung]
Fig. 43.
Gemeine tartarische Sturmhaube mit aus zwei Stücken roh zusammengenieteter Glocke und Gesichtsschirm. 16. Jahr- hundert. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand.
Von Polen aus gelangen die Zischäggen nach Sachsen, von Ungarn nach Österreich und Bayern, und von da in alle Heere, nicht ohne in selben Umbildungen zu erfahren. So erhalten sie in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts, als die Allongeperücken Mode wurden, diesen groſsen Frisuren entsprechende umfangreiche Nackenschirme. Die polnischen Reiter fügten auch zu dieser Sturmhaube ein Zierstück, wie ein ähnliches sie schon auf Helmen des 15. Jahrhunderts ge-
4*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0069"n="51"/><fwplace="top"type="header">1. Der Helm.</fw><lb/><p>So erscheinen die türkischen Helme schon am Anfange des<lb/>
16. Jahrhunderts und bleiben in dieser Form, wie wir an zahlreichen<lb/>
Trophäenstücken ersehen, bis an das Ende des 17. Jahrhunderts, ja<lb/>
noch länger, nur merkt man später die Hinneigung, die Glocke niederer<lb/>
und halbkugelförmig zu gestalten. Die Russen, Polen und Ungarn,<lb/>
welche die türkische Sturmhaube angenommen hatten, bildeten die-<lb/>
selbe nach ihrem nationalen Geschmacke um. Die Unterschiede in<lb/>
den Formen sind in den verschiedenen Nationen gering, doch werden<lb/>
sie in der Regel deutlich als moskowitische, polnische und hussarische<lb/>
Sturmhauben unterschieden. Um 1590 erscheinen alle derlei orien-<lb/>
talische Sturmhauben unter der Benennung „<hirendition="#g">Zischägge</hi>“, welche sie<lb/>
vereinzelt noch bis ins 17. Jahrhundert beibehalten.</p><lb/><figure><head><hirendition="#g">Fig</hi>. 42.</head><p><hirendition="#g">Offene Sturmhaube</hi> mit geschobenem Nackenschirm,<lb/>
aufschlächtigem Sonnenschirm und geschobenem Sturmband. Arbeit<lb/>
des Nürnberger Plattners <hirendition="#i">Mert. Rotschmid</hi> (gest. 1597). 16. Jahr-<lb/>
hundert, Ende. Landeszeughaus in Graz.</p></figure><lb/><figure><head><hirendition="#g">Fig</hi>. 43.</head><p><hirendition="#g">Gemeine tartarische Sturmhaube</hi> mit aus zwei<lb/>
Stücken roh zusammengenieteter Glocke und Gesichtsschirm. 16. Jahr-<lb/>
hundert. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand.</p></figure><lb/><p>Von Polen aus gelangen die Zischäggen nach Sachsen, von Ungarn<lb/>
nach Österreich und Bayern, und von da in alle Heere, nicht ohne<lb/>
in selben Umbildungen zu erfahren. So erhalten sie in der 2. Hälfte<lb/>
des 17. Jahrhunderts, als die Allongeperücken Mode wurden, diesen<lb/>
groſsen Frisuren entsprechende umfangreiche Nackenschirme. Die<lb/>
polnischen Reiter fügten auch zu dieser Sturmhaube ein Zierstück,<lb/>
wie ein ähnliches sie schon auf Helmen des 15. Jahrhunderts ge-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">4*</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[51/0069]
1. Der Helm.
So erscheinen die türkischen Helme schon am Anfange des
16. Jahrhunderts und bleiben in dieser Form, wie wir an zahlreichen
Trophäenstücken ersehen, bis an das Ende des 17. Jahrhunderts, ja
noch länger, nur merkt man später die Hinneigung, die Glocke niederer
und halbkugelförmig zu gestalten. Die Russen, Polen und Ungarn,
welche die türkische Sturmhaube angenommen hatten, bildeten die-
selbe nach ihrem nationalen Geschmacke um. Die Unterschiede in
den Formen sind in den verschiedenen Nationen gering, doch werden
sie in der Regel deutlich als moskowitische, polnische und hussarische
Sturmhauben unterschieden. Um 1590 erscheinen alle derlei orien-
talische Sturmhauben unter der Benennung „Zischägge“, welche sie
vereinzelt noch bis ins 17. Jahrhundert beibehalten.
[Abbildung Fig. 42. Offene Sturmhaube mit geschobenem Nackenschirm,
aufschlächtigem Sonnenschirm und geschobenem Sturmband. Arbeit
des Nürnberger Plattners Mert. Rotschmid (gest. 1597). 16. Jahr-
hundert, Ende. Landeszeughaus in Graz. ]
[Abbildung Fig. 43. Gemeine tartarische Sturmhaube mit aus zwei
Stücken roh zusammengenieteter Glocke und Gesichtsschirm. 16. Jahr-
hundert. Museo Poldi-Pezzoli in Mailand. ]
Von Polen aus gelangen die Zischäggen nach Sachsen, von Ungarn
nach Österreich und Bayern, und von da in alle Heere, nicht ohne
in selben Umbildungen zu erfahren. So erhalten sie in der 2. Hälfte
des 17. Jahrhunderts, als die Allongeperücken Mode wurden, diesen
groſsen Frisuren entsprechende umfangreiche Nackenschirme. Die
polnischen Reiter fügten auch zu dieser Sturmhaube ein Zierstück,
wie ein ähnliches sie schon auf Helmen des 15. Jahrhunderts ge-
4*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/69>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.