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Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890.

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I. Die Schutzwaffen.
gefügt. Die ältesten Krägen wurden noch gleich dem Barte ausser-
halb am Bruststücke mit Kloben befestigt. (Fig. 56.) Bald aber
änderte man diese Anordnung derart, dass zuerst der Kragen, dann
erst Brust- und Rückenstück zum "Anlegen" kamen. Um 1630 kam
man wieder auf die ursprüngliche Einrichtung zurück und verlegte
den Kragen über Brust und Rücken.

Der Harnischkragen besteht aus dem Brust- und Rückenbleche,
das, auf Brust und im Nacken aufliegend, genau dem Körper ange-
passt sein muss; an diese schliesst sich gegen den Hals hinauf ein
3--4 faches Geschübe. Der vordere und rückwärtige Teil ist getrennt,
beide sind links nur mit Scharnieren in Verbindung; an der rechten
Seite werden sie mittelst Häspen geschlossen. (Fig. 57.)

Es wird sich gleich am Beginne empfehlen, zu erklären, was
man unter einem Geschübe am Plattenharnische überhaupt versteht
und wie dasselbe eingerichtet ist. Das Harnischblech ist eine steife
Platte, die so unnachgiebig ist, dass es unmöglich wäre, ohne eine
besondere Zusammensetzung der Teile dem von selbem bedeckten
Körper auch nur eine geringe Beweglichkeit zu gestatten. Man fügte
daher alle jene Harnischteile, welche Körperteile zu decken bestimmt
waren, denen die Beweglichkeit erhalten bleiben musste, aus einzelnen
Blechstreifen, sogenannten "Schienen", im Fachausdrucke auch
"Folgen" genannt, zusammen, die, horizontal angeordnet, etwas sich
übergreifend gelegt, im Inneren durch breite Streifen aus Alaunleder
verbunden wurden, die von innen mit platten Nieten befestigt waren.
Diese Verbindung durch Lederstreifen kommt nicht ausnahmslos vor,
im Gegenteil finden sich zahlreiche Beispiele, dass die Schienen
untereinander mit Nieten verbunden sind, welchen durch längliche
Öffnungen eine Spielung nach auf- oder abwärts gestattet ist. Dieser
Konstruktionsart wird an italienischen Harnischen häufig begegnet,
man nennt sie "eiserne Geschübe". Sie konnten ihrer geringen
Vorteile halber nirgends zu allgemeiner Verwendung gelangen. Je
nach der Richtung des Übergreifens der Schienen bezeichnet man
selbe nach auf- oder abwärts geschoben. So werden nach dem
Fachausdrucke gewöhnlich die Hals- und Nackenreifen, der Kragen,
zuweilen die Achseln mit den Flügen, geschlossene Armbeugen, die
Handschuhe, die Bauchreifen, Beintaschen, oder die Schösse, nicht
selten auch die Diechlinge und die unteren Teile der Beinröhren,
endlich auch die Schuhe an den Riststellen geschoben. Wie wir
später ersehen werden, wird, um die Beweglichkeit des Körpers mög-
lichst zu fördern, auch das Brust- und Rückenstück ganz oder nur
teilweise aus Geschüben gebildet, beim Rossharnische der Halsteil,
seltener andere Bestandteile desselben. Die übergreifenden Ränder
der Folgen, welche gemeiniglich scharf zugefeilt sind, heissen "Fürfeilen".

Wenn der Harnischkragen für einen burgundischen Helm dient,
dann ist sein Oberrand nach auswärts gebogen und dieser aufgebogene

I. Die Schutzwaffen.
gefügt. Die ältesten Krägen wurden noch gleich dem Barte auſser-
halb am Bruststücke mit Kloben befestigt. (Fig. 56.) Bald aber
änderte man diese Anordnung derart, daſs zuerst der Kragen, dann
erst Brust- und Rückenstück zum „Anlegen“ kamen. Um 1630 kam
man wieder auf die ursprüngliche Einrichtung zurück und verlegte
den Kragen über Brust und Rücken.

Der Harnischkragen besteht aus dem Brust- und Rückenbleche,
das, auf Brust und im Nacken aufliegend, genau dem Körper ange-
paſst sein muſs; an diese schlieſst sich gegen den Hals hinauf ein
3—4 faches Geschübe. Der vordere und rückwärtige Teil ist getrennt,
beide sind links nur mit Scharnieren in Verbindung; an der rechten
Seite werden sie mittelst Häspen geschlossen. (Fig. 57.)

Es wird sich gleich am Beginne empfehlen, zu erklären, was
man unter einem Geschübe am Plattenharnische überhaupt versteht
und wie dasselbe eingerichtet ist. Das Harnischblech ist eine steife
Platte, die so unnachgiebig ist, daſs es unmöglich wäre, ohne eine
besondere Zusammensetzung der Teile dem von selbem bedeckten
Körper auch nur eine geringe Beweglichkeit zu gestatten. Man fügte
daher alle jene Harnischteile, welche Körperteile zu decken bestimmt
waren, denen die Beweglichkeit erhalten bleiben muſste, aus einzelnen
Blechstreifen, sogenannten „Schienen“, im Fachausdrucke auch
Folgen“ genannt, zusammen, die, horizontal angeordnet, etwas sich
übergreifend gelegt, im Inneren durch breite Streifen aus Alaunleder
verbunden wurden, die von innen mit platten Nieten befestigt waren.
Diese Verbindung durch Lederstreifen kommt nicht ausnahmslos vor,
im Gegenteil finden sich zahlreiche Beispiele, daſs die Schienen
untereinander mit Nieten verbunden sind, welchen durch längliche
Öffnungen eine Spielung nach auf- oder abwärts gestattet ist. Dieser
Konstruktionsart wird an italienischen Harnischen häufig begegnet,
man nennt sie „eiserne Geschübe“. Sie konnten ihrer geringen
Vorteile halber nirgends zu allgemeiner Verwendung gelangen. Je
nach der Richtung des Übergreifens der Schienen bezeichnet man
selbe nach auf- oder abwärts geschoben. So werden nach dem
Fachausdrucke gewöhnlich die Hals- und Nackenreifen, der Kragen,
zuweilen die Achseln mit den Flügen, geschlossene Armbeugen, die
Handschuhe, die Bauchreifen, Beintaschen, oder die Schöſse, nicht
selten auch die Diechlinge und die unteren Teile der Beinröhren,
endlich auch die Schuhe an den Riststellen geschoben. Wie wir
später ersehen werden, wird, um die Beweglichkeit des Körpers mög-
lichst zu fördern, auch das Brust- und Rückenstück ganz oder nur
teilweise aus Geschüben gebildet, beim Roſsharnische der Halsteil,
seltener andere Bestandteile desselben. Die übergreifenden Ränder
der Folgen, welche gemeiniglich scharf zugefeilt sind, heiſsen „Fürfeilen“.

Wenn der Harnischkragen für einen burgundischen Helm dient,
dann ist sein Oberrand nach auswärts gebogen und dieser aufgebogene

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[62/0080] I. Die Schutzwaffen. gefügt. Die ältesten Krägen wurden noch gleich dem Barte auſser- halb am Bruststücke mit Kloben befestigt. (Fig. 56.) Bald aber änderte man diese Anordnung derart, daſs zuerst der Kragen, dann erst Brust- und Rückenstück zum „Anlegen“ kamen. Um 1630 kam man wieder auf die ursprüngliche Einrichtung zurück und verlegte den Kragen über Brust und Rücken. Der Harnischkragen besteht aus dem Brust- und Rückenbleche, das, auf Brust und im Nacken aufliegend, genau dem Körper ange- paſst sein muſs; an diese schlieſst sich gegen den Hals hinauf ein 3—4 faches Geschübe. Der vordere und rückwärtige Teil ist getrennt, beide sind links nur mit Scharnieren in Verbindung; an der rechten Seite werden sie mittelst Häspen geschlossen. (Fig. 57.) Es wird sich gleich am Beginne empfehlen, zu erklären, was man unter einem Geschübe am Plattenharnische überhaupt versteht und wie dasselbe eingerichtet ist. Das Harnischblech ist eine steife Platte, die so unnachgiebig ist, daſs es unmöglich wäre, ohne eine besondere Zusammensetzung der Teile dem von selbem bedeckten Körper auch nur eine geringe Beweglichkeit zu gestatten. Man fügte daher alle jene Harnischteile, welche Körperteile zu decken bestimmt waren, denen die Beweglichkeit erhalten bleiben muſste, aus einzelnen Blechstreifen, sogenannten „Schienen“, im Fachausdrucke auch „Folgen“ genannt, zusammen, die, horizontal angeordnet, etwas sich übergreifend gelegt, im Inneren durch breite Streifen aus Alaunleder verbunden wurden, die von innen mit platten Nieten befestigt waren. Diese Verbindung durch Lederstreifen kommt nicht ausnahmslos vor, im Gegenteil finden sich zahlreiche Beispiele, daſs die Schienen untereinander mit Nieten verbunden sind, welchen durch längliche Öffnungen eine Spielung nach auf- oder abwärts gestattet ist. Dieser Konstruktionsart wird an italienischen Harnischen häufig begegnet, man nennt sie „eiserne Geschübe“. Sie konnten ihrer geringen Vorteile halber nirgends zu allgemeiner Verwendung gelangen. Je nach der Richtung des Übergreifens der Schienen bezeichnet man selbe nach auf- oder abwärts geschoben. So werden nach dem Fachausdrucke gewöhnlich die Hals- und Nackenreifen, der Kragen, zuweilen die Achseln mit den Flügen, geschlossene Armbeugen, die Handschuhe, die Bauchreifen, Beintaschen, oder die Schöſse, nicht selten auch die Diechlinge und die unteren Teile der Beinröhren, endlich auch die Schuhe an den Riststellen geschoben. Wie wir später ersehen werden, wird, um die Beweglichkeit des Körpers mög- lichst zu fördern, auch das Brust- und Rückenstück ganz oder nur teilweise aus Geschüben gebildet, beim Roſsharnische der Halsteil, seltener andere Bestandteile desselben. Die übergreifenden Ränder der Folgen, welche gemeiniglich scharf zugefeilt sind, heiſsen „Fürfeilen“. Wenn der Harnischkragen für einen burgundischen Helm dient, dann ist sein Oberrand nach auswärts gebogen und dieser aufgebogene

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Zitationshilfe: Boeheim, Wendelin: Handbuch der Waffenkunde. Leipzig, 1890, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boeheim_waffenkunde_1890/80>, abgerufen am 24.11.2024.