Wasser und Land und vielleicht auch, was allgemeine Tem¬ peratur anbetrifft: immerhin ähnlich den heutigen Verhält¬ nissen muß sie schon gewesen sein. Nun giebt es aber eine gangbare geologische Hypothese, nach der in einer sehr alten Zeit die ganze Erdkugel glühend gewesen sein soll, -- eine Sonne im kleinen, um die glühende Metalldämpfe wogten und aus der der heiße Wasserstoff in Säulen spritzte. In einer Atmosphäre von Metalldämpfen, wo das Eisen als eine Wolke schwebt und vor ungeheuerlicher Hitze schließlich keine einzige chemische Verbindung mehr zwischen den Grundelementen glückt, kann auch der zäheste Bazillus nicht mehr ausdauern. Er besteht ja nur aus einer Zelle, -- aber diese eine Zelle führt in sich eben doch jene chemische Substanz, an der für unsere gangbaren Be¬ griffe das "Leben" haftet, und die "stirbt", wenn man sie so er¬ hitzt, daß ihre chemische Zusammensetzung in die Brüche geht ....
In jener Epoche der allgemeinen Erdenglut können also Bazillen in unserem Sinne noch nicht existiert haben. Es muß, wenn die Hypothese richtig ist, irgendwo erst innerhalb der Erdentwickelung ein Punkt liegen, wo die Bazillen zuerst auf¬ getreten sind, nachdem sie vorher noch nicht vorhanden waren. Und zwar lag der Punkt, wenn die Sache so zu recht besteht, augenscheinlich da, wo die Erdenglut zuerst so weit nachgelassen hatte, daß eine für das Bazillenleben annehmbare Temperatur eingetreten war.
Du darfst mit unseren Erkenntnismitteln von einer solchen Hypothese wie der von der Urglut der Erde natürlich nicht ohne weiteres sagen, daß sie unerschütterlich fest stehe. Ihre beste Stütze ist ein Analogieschluß. Wohin wir von unserer irdischen Sternwarte aus im All blicken, scheinen Phasen eines fortlaufenden Erkaltungsprozesses zu schweben, dem die Welt¬ körper unterliegen. In den Nebelflecken scheinen kosmische Ge¬ bilde vor uns zu stehen, die noch rein gasförmig sind, -- so, wie die Erde werden müßte, wenn man sie ins denkbar Äußerste erhitzte. Eine Anzahl Fixsterne verraten dann höchste
Waſſer und Land und vielleicht auch, was allgemeine Tem¬ peratur anbetrifft: immerhin ähnlich den heutigen Verhält¬ niſſen muß ſie ſchon geweſen ſein. Nun giebt es aber eine gangbare geologiſche Hypotheſe, nach der in einer ſehr alten Zeit die ganze Erdkugel glühend geweſen ſein ſoll, — eine Sonne im kleinen, um die glühende Metalldämpfe wogten und aus der der heiße Waſſerſtoff in Säulen ſpritzte. In einer Atmoſphäre von Metalldämpfen, wo das Eiſen als eine Wolke ſchwebt und vor ungeheuerlicher Hitze ſchließlich keine einzige chemiſche Verbindung mehr zwiſchen den Grundelementen glückt, kann auch der zäheſte Bazillus nicht mehr ausdauern. Er beſteht ja nur aus einer Zelle, — aber dieſe eine Zelle führt in ſich eben doch jene chemiſche Subſtanz, an der für unſere gangbaren Be¬ griffe das „Leben“ haftet, und die „ſtirbt“, wenn man ſie ſo er¬ hitzt, daß ihre chemiſche Zuſammenſetzung in die Brüche geht ....
In jener Epoche der allgemeinen Erdenglut können alſo Bazillen in unſerem Sinne noch nicht exiſtiert haben. Es muß, wenn die Hypotheſe richtig iſt, irgendwo erſt innerhalb der Erdentwickelung ein Punkt liegen, wo die Bazillen zuerſt auf¬ getreten ſind, nachdem ſie vorher noch nicht vorhanden waren. Und zwar lag der Punkt, wenn die Sache ſo zu recht beſteht, augenſcheinlich da, wo die Erdenglut zuerſt ſo weit nachgelaſſen hatte, daß eine für das Bazillenleben annehmbare Temperatur eingetreten war.
Du darfſt mit unſeren Erkenntnismitteln von einer ſolchen Hypotheſe wie der von der Urglut der Erde natürlich nicht ohne weiteres ſagen, daß ſie unerſchütterlich feſt ſtehe. Ihre beſte Stütze iſt ein Analogieſchluß. Wohin wir von unſerer irdiſchen Sternwarte aus im All blicken, ſcheinen Phaſen eines fortlaufenden Erkaltungsprozeſſes zu ſchweben, dem die Welt¬ körper unterliegen. In den Nebelflecken ſcheinen kosmiſche Ge¬ bilde vor uns zu ſtehen, die noch rein gasförmig ſind, — ſo, wie die Erde werden müßte, wenn man ſie ins denkbar Äußerſte erhitzte. Eine Anzahl Fixſterne verraten dann höchſte
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Waſſer und Land und vielleicht auch, was allgemeine Tem¬
peratur anbetrifft: immerhin ähnlich den heutigen Verhält¬
niſſen muß ſie ſchon geweſen ſein. Nun giebt es aber eine
gangbare geologiſche Hypotheſe, nach der in einer ſehr alten
Zeit die ganze Erdkugel glühend geweſen ſein ſoll, — eine
Sonne im kleinen, um die glühende Metalldämpfe wogten und
aus der der heiße Waſſerſtoff in Säulen ſpritzte. In einer
Atmoſphäre von Metalldämpfen, wo das Eiſen als eine Wolke
ſchwebt und vor ungeheuerlicher Hitze ſchließlich keine einzige
chemiſche Verbindung mehr zwiſchen den Grundelementen glückt,
kann auch der zäheſte Bazillus nicht mehr ausdauern. Er beſteht
ja nur aus einer Zelle, — aber dieſe eine Zelle führt in ſich eben
doch jene chemiſche Subſtanz, an der für unſere gangbaren Be¬
griffe das „Leben“ haftet, und die „ſtirbt“, wenn man ſie ſo er¬
hitzt, daß ihre chemiſche Zuſammenſetzung in die Brüche geht ....
In jener Epoche der allgemeinen Erdenglut können alſo
Bazillen in unſerem Sinne noch nicht exiſtiert haben. Es muß,
wenn die Hypotheſe richtig iſt, irgendwo erſt innerhalb der
Erdentwickelung ein Punkt liegen, wo die Bazillen zuerſt auf¬
getreten ſind, nachdem ſie vorher noch nicht vorhanden waren.
Und zwar lag der Punkt, wenn die Sache ſo zu recht beſteht,
augenſcheinlich da, wo die Erdenglut zuerſt ſo weit nachgelaſſen
hatte, daß eine für das Bazillenleben annehmbare Temperatur
eingetreten war.
Du darfſt mit unſeren Erkenntnismitteln von einer ſolchen
Hypotheſe wie der von der Urglut der Erde natürlich nicht
ohne weiteres ſagen, daß ſie unerſchütterlich feſt ſtehe. Ihre
beſte Stütze iſt ein Analogieſchluß. Wohin wir von unſerer
irdiſchen Sternwarte aus im All blicken, ſcheinen Phaſen eines
fortlaufenden Erkaltungsprozeſſes zu ſchweben, dem die Welt¬
körper unterliegen. In den Nebelflecken ſcheinen kosmiſche Ge¬
bilde vor uns zu ſtehen, die noch rein gasförmig ſind, — ſo,
wie die Erde werden müßte, wenn man ſie ins denkbar
Äußerſte erhitzte. Eine Anzahl Fixſterne verraten dann höchſte
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/117>, abgerufen am 25.11.2024.
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