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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Weißglut. Unsere Sonne, offenbar im Gesamtbau des Alls
nichts anderes als auch ein solcher Fixstern, ist dagegen ge¬
halten schon etwas weniger in Glut, man rechnet sie zum
Typus des gelben Sterns, und viele Astronomen sehen in den
Sonnenflecken die ersten Ansätze eines gerade beginnenden noch
relativ gemäßigteren Stadiums, das etwa als Rotglut zu be¬
zeichnen wäre. Von gewissen anderen Fixsternen da draußen
ist ziemlich sicher, daß sie schon bis zur schwachen Rotglut
wirklich herabgebrannt sind. Da der Weltraum eisigkalt ist,
so liegt die Erklärung, warum im Laufe ungezählter Jahres¬
folgen die Hitze überall heruntergeht, ja nahe genug. Aber
offenbar hat alles mit einem Maximum von Glut angefangen.
Warum soll es bei der Erde nicht auch so gewesen sein?
Winzig, wie sie ist, ist sie heute längst so erkaltet, daß sie kein
eigenes Licht und keine meßbare eigene Wärme mehr aus¬
strahlt. Es stärkt dabei die Analogie, daß der noch viel
kleinere Trabant der Erde, der Mond, gewisse Spuren weist,
die ihn vielleicht als noch weiter vorgeschritten, gleichsam noch
"erkalteter" als die Erde erscheinen lassen.

Zu diesem großen Analogieschluß kommen dann noch
andere mehr sekundäre Gründe. Man malt sich eine äußerste
Entwickelungsfolge aus, bei der die Erde -- als glühender
Ring -- von der Sonne einstmals abgeschleudert sein sollte.
Sie wäre gleichsam ein Sprößling der Sonne. Und der Mond
von ihr. Und natürlich die Sonne auch wieder von anderen
Fixsternen. Diese Betrachtungsweise, die im einzelnen viel
Schwieriges hat, besitzt den einen großen Wert, daß sie uns
immerzu im Atem von Entwickelungen hält. Auch die Erde,
auch die Sonne, schließlich alle Sternsysteme und Nebelflecke,
erscheinen als Sprossen eines einzigen kosmischen Riesenbaumes,
der seit Jahrmyriaden wächst und wächst. Die Urglut der
Erde aber ist selbst eine der logischen Folgerungen dieser An¬
schauung, und wenn das Ganze plausibel erscheint aus allgemein
logischen Gründen, so findet sie selbst dabei natürlich wieder

Weißglut. Unſere Sonne, offenbar im Geſamtbau des Alls
nichts anderes als auch ein ſolcher Fixſtern, iſt dagegen ge¬
halten ſchon etwas weniger in Glut, man rechnet ſie zum
Typus des gelben Sterns, und viele Aſtronomen ſehen in den
Sonnenflecken die erſten Anſätze eines gerade beginnenden noch
relativ gemäßigteren Stadiums, das etwa als Rotglut zu be¬
zeichnen wäre. Von gewiſſen anderen Fixſternen da draußen
iſt ziemlich ſicher, daß ſie ſchon bis zur ſchwachen Rotglut
wirklich herabgebrannt ſind. Da der Weltraum eiſigkalt iſt,
ſo liegt die Erklärung, warum im Laufe ungezählter Jahres¬
folgen die Hitze überall heruntergeht, ja nahe genug. Aber
offenbar hat alles mit einem Maximum von Glut angefangen.
Warum ſoll es bei der Erde nicht auch ſo geweſen ſein?
Winzig, wie ſie iſt, iſt ſie heute längſt ſo erkaltet, daß ſie kein
eigenes Licht und keine meßbare eigene Wärme mehr aus¬
ſtrahlt. Es ſtärkt dabei die Analogie, daß der noch viel
kleinere Trabant der Erde, der Mond, gewiſſe Spuren weiſt,
die ihn vielleicht als noch weiter vorgeſchritten, gleichſam noch
„erkalteter“ als die Erde erſcheinen laſſen.

Zu dieſem großen Analogieſchluß kommen dann noch
andere mehr ſekundäre Gründe. Man malt ſich eine äußerſte
Entwickelungsfolge aus, bei der die Erde — als glühender
Ring — von der Sonne einſtmals abgeſchleudert ſein ſollte.
Sie wäre gleichſam ein Sprößling der Sonne. Und der Mond
von ihr. Und natürlich die Sonne auch wieder von anderen
Fixſternen. Dieſe Betrachtungsweiſe, die im einzelnen viel
Schwieriges hat, beſitzt den einen großen Wert, daß ſie uns
immerzu im Atem von Entwickelungen hält. Auch die Erde,
auch die Sonne, ſchließlich alle Sternſyſteme und Nebelflecke,
erſcheinen als Sproſſen eines einzigen kosmiſchen Rieſenbaumes,
der ſeit Jahrmyriaden wächſt und wächſt. Die Urglut der
Erde aber iſt ſelbſt eine der logiſchen Folgerungen dieſer An¬
ſchauung, und wenn das Ganze plauſibel erſcheint aus allgemein
logiſchen Gründen, ſo findet ſie ſelbſt dabei natürlich wieder

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[102/0118] Weißglut. Unſere Sonne, offenbar im Geſamtbau des Alls nichts anderes als auch ein ſolcher Fixſtern, iſt dagegen ge¬ halten ſchon etwas weniger in Glut, man rechnet ſie zum Typus des gelben Sterns, und viele Aſtronomen ſehen in den Sonnenflecken die erſten Anſätze eines gerade beginnenden noch relativ gemäßigteren Stadiums, das etwa als Rotglut zu be¬ zeichnen wäre. Von gewiſſen anderen Fixſternen da draußen iſt ziemlich ſicher, daß ſie ſchon bis zur ſchwachen Rotglut wirklich herabgebrannt ſind. Da der Weltraum eiſigkalt iſt, ſo liegt die Erklärung, warum im Laufe ungezählter Jahres¬ folgen die Hitze überall heruntergeht, ja nahe genug. Aber offenbar hat alles mit einem Maximum von Glut angefangen. Warum ſoll es bei der Erde nicht auch ſo geweſen ſein? Winzig, wie ſie iſt, iſt ſie heute längſt ſo erkaltet, daß ſie kein eigenes Licht und keine meßbare eigene Wärme mehr aus¬ ſtrahlt. Es ſtärkt dabei die Analogie, daß der noch viel kleinere Trabant der Erde, der Mond, gewiſſe Spuren weiſt, die ihn vielleicht als noch weiter vorgeſchritten, gleichſam noch „erkalteter“ als die Erde erſcheinen laſſen. Zu dieſem großen Analogieſchluß kommen dann noch andere mehr ſekundäre Gründe. Man malt ſich eine äußerſte Entwickelungsfolge aus, bei der die Erde — als glühender Ring — von der Sonne einſtmals abgeſchleudert ſein ſollte. Sie wäre gleichſam ein Sprößling der Sonne. Und der Mond von ihr. Und natürlich die Sonne auch wieder von anderen Fixſternen. Dieſe Betrachtungsweiſe, die im einzelnen viel Schwieriges hat, beſitzt den einen großen Wert, daß ſie uns immerzu im Atem von Entwickelungen hält. Auch die Erde, auch die Sonne, ſchließlich alle Sternſyſteme und Nebelflecke, erſcheinen als Sproſſen eines einzigen kosmiſchen Rieſenbaumes, der ſeit Jahrmyriaden wächſt und wächſt. Die Urglut der Erde aber iſt ſelbſt eine der logiſchen Folgerungen dieſer An¬ ſchauung, und wenn das Ganze plauſibel erſcheint aus allgemein logiſchen Gründen, ſo findet ſie ſelbſt dabei natürlich wieder

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/118>, abgerufen am 25.11.2024.