Hochofen nicht duldete, -- als sie also auch gewiß noch keine dickflüssige Zellmasse eines "lebenden Bazillus" in sich trug, -- da wäre in jenem Sinne der frei in jener Glutatmosphäre schwebende reine Kohlenstoff das vordeutende Entwickelungsglied des "Lebens" gewesen, in dem der Möglichkeit nach damals dann allerdings auch schon der Bazillus ebenso lag, wie später im Bazillus der Mensch. Kaum ging die Temperatur herunter und ermöglichte ausreichende chemische Verbindungen auf Erden, so wurde alsogleich ein Teil des irdischen Kohlenstoffs zu Zellen, zu Bazillen, zu "Leben" im engeren Sinn.
Schon diese einfachste Ansicht, der sich aus den wenigen Anhaltspunkten heraus, die wir überhaupt haben, schwerlich stark widersprechen läßt, führt dich aber ganz von selbst noch ein Riesenstück weiter.
Gewiß: der Kohlenstoff unterscheidet sich von den anderen Grundstoffen der Natur offenbar ganz individuell durch be¬ stimmte Eigenschaften. Und trotzdem zählst du ihn zu diesen Grundstoffen, wie du ja auch eine Ameise und einen Affen beide unter die gleiche Rubrik "Tier" bringst. Ameise und Affe stehen sich in vielem sehr fern, aber sie stehen dennoch in einem gewissen Verwandtschaftsverhältnis hinsichtlich ihrer Eigen¬ schaften miteinander. Darwin sagt dir sogar direkt: sie stehen in einem Stammbaumverhältnis miteinander, das sie geschicht¬ lich verknüpft, wenn auch heute beide wie sehr entfernte Vettern an zwei recht extremen Ecken des Stammbaumes stehen mögen. Und so geht's geradeso mit den Grundstoffen, mit Gold und Eisen und Schwefel und Kohlenstoff. Man sagt von gewissen, daß sie sich näher, von anderen, daß sie sich ferner stehen. Sicherlich giebt es da Verwandtschaften, Verwandtschafsgrade, schließlich etwas überall Gemeinsames. Darwinistische Ent¬ wickelungsideen, mit besonnener Kritik in die moderne Chemie übertragen, legen dir dann nahe, daß auch hier die allgemeine systematische Verwandtschaft höchstwahrscheinlich eine echte Stammesverwandtschaft sei. Man ahnt, daß die Elemente, wie
Hochofen nicht duldete, — als ſie alſo auch gewiß noch keine dickflüſſige Zellmaſſe eines „lebenden Bazillus“ in ſich trug, — da wäre in jenem Sinne der frei in jener Glutatmoſphäre ſchwebende reine Kohlenſtoff das vordeutende Entwickelungsglied des „Lebens“ geweſen, in dem der Möglichkeit nach damals dann allerdings auch ſchon der Bazillus ebenſo lag, wie ſpäter im Bazillus der Menſch. Kaum ging die Temperatur herunter und ermöglichte ausreichende chemiſche Verbindungen auf Erden, ſo wurde alſogleich ein Teil des irdiſchen Kohlenſtoffs zu Zellen, zu Bazillen, zu „Leben“ im engeren Sinn.
Schon dieſe einfachſte Anſicht, der ſich aus den wenigen Anhaltspunkten heraus, die wir überhaupt haben, ſchwerlich ſtark widerſprechen läßt, führt dich aber ganz von ſelbſt noch ein Rieſenſtück weiter.
Gewiß: der Kohlenſtoff unterſcheidet ſich von den anderen Grundſtoffen der Natur offenbar ganz individuell durch be¬ ſtimmte Eigenſchaften. Und trotzdem zählſt du ihn zu dieſen Grundſtoffen, wie du ja auch eine Ameiſe und einen Affen beide unter die gleiche Rubrik „Tier“ bringſt. Ameiſe und Affe ſtehen ſich in vielem ſehr fern, aber ſie ſtehen dennoch in einem gewiſſen Verwandtſchaftsverhältnis hinſichtlich ihrer Eigen¬ ſchaften miteinander. Darwin ſagt dir ſogar direkt: ſie ſtehen in einem Stammbaumverhältnis miteinander, das ſie geſchicht¬ lich verknüpft, wenn auch heute beide wie ſehr entfernte Vettern an zwei recht extremen Ecken des Stammbaumes ſtehen mögen. Und ſo geht's geradeſo mit den Grundſtoffen, mit Gold und Eiſen und Schwefel und Kohlenſtoff. Man ſagt von gewiſſen, daß ſie ſich näher, von anderen, daß ſie ſich ferner ſtehen. Sicherlich giebt es da Verwandtſchaften, Verwandtſchafsgrade, ſchließlich etwas überall Gemeinſames. Darwiniſtiſche Ent¬ wickelungsideen, mit beſonnener Kritik in die moderne Chemie übertragen, legen dir dann nahe, daß auch hier die allgemeine ſyſtematiſche Verwandtſchaft höchſtwahrſcheinlich eine echte Stammesverwandtſchaft ſei. Man ahnt, daß die Elemente, wie
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Hochofen nicht duldete, — als ſie alſo auch gewiß noch keine
dickflüſſige Zellmaſſe eines „lebenden Bazillus“ in ſich trug, —
da wäre in jenem Sinne der frei in jener Glutatmoſphäre
ſchwebende reine Kohlenſtoff das vordeutende Entwickelungsglied
des „Lebens“ geweſen, in dem der Möglichkeit nach damals
dann allerdings auch ſchon der Bazillus ebenſo lag, wie ſpäter
im Bazillus der Menſch. Kaum ging die Temperatur herunter
und ermöglichte ausreichende chemiſche Verbindungen auf Erden,
ſo wurde alſogleich ein Teil des irdiſchen Kohlenſtoffs zu
Zellen, zu Bazillen, zu „Leben“ im engeren Sinn.
Schon dieſe einfachſte Anſicht, der ſich aus den wenigen
Anhaltspunkten heraus, die wir überhaupt haben, ſchwerlich
ſtark widerſprechen läßt, führt dich aber ganz von ſelbſt noch
ein Rieſenſtück weiter.
Gewiß: der Kohlenſtoff unterſcheidet ſich von den anderen
Grundſtoffen der Natur offenbar ganz individuell durch be¬
ſtimmte Eigenſchaften. Und trotzdem zählſt du ihn zu dieſen
Grundſtoffen, wie du ja auch eine Ameiſe und einen Affen
beide unter die gleiche Rubrik „Tier“ bringſt. Ameiſe und
Affe ſtehen ſich in vielem ſehr fern, aber ſie ſtehen dennoch in
einem gewiſſen Verwandtſchaftsverhältnis hinſichtlich ihrer Eigen¬
ſchaften miteinander. Darwin ſagt dir ſogar direkt: ſie ſtehen
in einem Stammbaumverhältnis miteinander, das ſie geſchicht¬
lich verknüpft, wenn auch heute beide wie ſehr entfernte Vettern
an zwei recht extremen Ecken des Stammbaumes ſtehen mögen.
Und ſo geht's geradeſo mit den Grundſtoffen, mit Gold und
Eiſen und Schwefel und Kohlenſtoff. Man ſagt von gewiſſen,
daß ſie ſich näher, von anderen, daß ſie ſich ferner ſtehen.
Sicherlich giebt es da Verwandtſchaften, Verwandtſchafsgrade,
ſchließlich etwas überall Gemeinſames. Darwiniſtiſche Ent¬
wickelungsideen, mit beſonnener Kritik in die moderne Chemie
übertragen, legen dir dann nahe, daß auch hier die allgemeine
ſyſtematiſche Verwandtſchaft höchſtwahrſcheinlich eine echte
Stammesverwandtſchaft ſei. Man ahnt, daß die Elemente, wie
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/127>, abgerufen am 24.11.2024.
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