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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898.

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Gefüge eines "Liebesstaates" schließlich doch vor einer Mauer
stand .....

Eine schwermütige Melodie im Grunde. Aber mächtig
wie wenige. Du kennst sie kaum. Du hast von der Biene
wohl gehört und ihrem Staat. Von der Drohne, von der
Bienenkönigin. Flüchtig, wie man so heute von Tausenderlei
hört. Es ist ja das Charakteristische unserer modernen Bildung,
daß sie dir Unzähliges an den Kopf wirft, vom Orion bis
zum Infusorium -- als Wort. Und mit dem Worte scheint
dann alles abgethan, die Dinge selbst aber bleiben fremd, als
habe das Wort sie totgeschlagen. Vom eigentlichen Liebes¬
roman der Biene weißt du nichts. Weißt nicht, daß hier
wieder ein unendlich lehrreiches Kapitel anhebt, das auch ins
Herz deiner tiefsten Menschenfragen greift. Höre denn.

Dort geht sie hin, die kleine haarige Schöne, und dort
noch eine und noch eine. Von Blüte zu Blüte, -- die be¬
kannte Bienenweise, die als solche jedes Kind kennt. Es ist
nicht müßige Angewohnheit. Auch nicht bloß Tafelfreude. Sie
sammeln etwas, sie "arbeiten". Hier wird Blütenhonig ein¬
gesaugt, dort Wasser. Hier wird Blütenstaub (Samen) an die
eigens dazu gebauten Hinterbeine höschenartig festgeklebt und
so mit fortgetragen, dort Harz. Zunächst -- was ist nun
überhaupt eine solche Biene?

Ein Insekt.

Laufe rasch noch einmal die große Leiter ab. Vom ein¬
zelligen Urtier zur Gasträa, die den ersten Magen hatte. Von
da ging es links zum Polypen, rechts zum Wurm. Vom
Wurm gipfelten mehrere große Tierstämme aufwärts. Der
eine führte zum Wirbeltier, -- zu dir. Ein anderer aber lief
über den Regenwurm zum Krebs, zum Tausendfuß, zur Spinne.
Und schließlich ging's in dieser letzteren Linie dann auch zum
Insekt.

Es bildet den Gipfel seines Stammes, des sogenannten
Stammes der Gliedertiere. Wahrscheinlich ist's auch, wie

Gefüge eines „Liebesſtaates“ ſchließlich doch vor einer Mauer
ſtand .....

Eine ſchwermütige Melodie im Grunde. Aber mächtig
wie wenige. Du kennſt ſie kaum. Du haſt von der Biene
wohl gehört und ihrem Staat. Von der Drohne, von der
Bienenkönigin. Flüchtig, wie man ſo heute von Tauſenderlei
hört. Es iſt ja das Charakteriſtiſche unſerer modernen Bildung,
daß ſie dir Unzähliges an den Kopf wirft, vom Orion bis
zum Infuſorium — als Wort. Und mit dem Worte ſcheint
dann alles abgethan, die Dinge ſelbſt aber bleiben fremd, als
habe das Wort ſie totgeſchlagen. Vom eigentlichen Liebes¬
roman der Biene weißt du nichts. Weißt nicht, daß hier
wieder ein unendlich lehrreiches Kapitel anhebt, das auch ins
Herz deiner tiefſten Menſchenfragen greift. Höre denn.

Dort geht ſie hin, die kleine haarige Schöne, und dort
noch eine und noch eine. Von Blüte zu Blüte, — die be¬
kannte Bienenweiſe, die als ſolche jedes Kind kennt. Es iſt
nicht müßige Angewohnheit. Auch nicht bloß Tafelfreude. Sie
ſammeln etwas, ſie „arbeiten“. Hier wird Blütenhonig ein¬
geſaugt, dort Waſſer. Hier wird Blütenſtaub (Samen) an die
eigens dazu gebauten Hinterbeine höschenartig feſtgeklebt und
ſo mit fortgetragen, dort Harz. Zunächſt — was iſt nun
überhaupt eine ſolche Biene?

Ein Inſekt.

Laufe raſch noch einmal die große Leiter ab. Vom ein¬
zelligen Urtier zur Gaſträa, die den erſten Magen hatte. Von
da ging es links zum Polypen, rechts zum Wurm. Vom
Wurm gipfelten mehrere große Tierſtämme aufwärts. Der
eine führte zum Wirbeltier, — zu dir. Ein anderer aber lief
über den Regenwurm zum Krebs, zum Tauſendfuß, zur Spinne.
Und ſchließlich ging’s in dieſer letzteren Linie dann auch zum
Inſekt.

Es bildet den Gipfel ſeines Stammes, des ſogenannten
Stammes der Gliedertiere. Wahrſcheinlich iſt’s auch, wie

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[361/0377] Gefüge eines „Liebesſtaates“ ſchließlich doch vor einer Mauer ſtand ..... Eine ſchwermütige Melodie im Grunde. Aber mächtig wie wenige. Du kennſt ſie kaum. Du haſt von der Biene wohl gehört und ihrem Staat. Von der Drohne, von der Bienenkönigin. Flüchtig, wie man ſo heute von Tauſenderlei hört. Es iſt ja das Charakteriſtiſche unſerer modernen Bildung, daß ſie dir Unzähliges an den Kopf wirft, vom Orion bis zum Infuſorium — als Wort. Und mit dem Worte ſcheint dann alles abgethan, die Dinge ſelbſt aber bleiben fremd, als habe das Wort ſie totgeſchlagen. Vom eigentlichen Liebes¬ roman der Biene weißt du nichts. Weißt nicht, daß hier wieder ein unendlich lehrreiches Kapitel anhebt, das auch ins Herz deiner tiefſten Menſchenfragen greift. Höre denn. Dort geht ſie hin, die kleine haarige Schöne, und dort noch eine und noch eine. Von Blüte zu Blüte, — die be¬ kannte Bienenweiſe, die als ſolche jedes Kind kennt. Es iſt nicht müßige Angewohnheit. Auch nicht bloß Tafelfreude. Sie ſammeln etwas, ſie „arbeiten“. Hier wird Blütenhonig ein¬ geſaugt, dort Waſſer. Hier wird Blütenſtaub (Samen) an die eigens dazu gebauten Hinterbeine höschenartig feſtgeklebt und ſo mit fortgetragen, dort Harz. Zunächſt — was iſt nun überhaupt eine ſolche Biene? Ein Inſekt. Laufe raſch noch einmal die große Leiter ab. Vom ein¬ zelligen Urtier zur Gaſträa, die den erſten Magen hatte. Von da ging es links zum Polypen, rechts zum Wurm. Vom Wurm gipfelten mehrere große Tierſtämme aufwärts. Der eine führte zum Wirbeltier, — zu dir. Ein anderer aber lief über den Regenwurm zum Krebs, zum Tauſendfuß, zur Spinne. Und ſchließlich ging’s in dieſer letzteren Linie dann auch zum Inſekt. Es bildet den Gipfel ſeines Stammes, des ſogenannten Stammes der Gliedertiere. Wahrſcheinlich iſt’s auch, wie

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 1. Florenz u. a., 1898, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben01_1898/377>, abgerufen am 21.11.2024.