mit unendlich verwickeltem Harmonie- und Disharmonie-Spiel ins myriadenhaft Proteische hinein. Sondern sie hat eine bestimmte Luststimmung, die in der Taste schon allgemein lag, bloß als solche ins Heroische vergrößert.
Im leichten, feinen Kitzeln liegt überall eine unverkenn¬ bare Lustwirkung. Die ist nun in der Wollustecke ins Un¬ geheure, Orkanartige heraufgeschraubt, ohne dabei doch innerlich jemals feiner gegliedert zu werden. Gegen das Gesicht, das Gehör ist die Wollust ein Ungetüm, ein klotziger Riese, der alle seine Kraft nicht aus der Verfeinerung ins Detailleben hinein, sondern einzig aus der kolossalen Übertreibung einer einzigen konkreten Lustwirkung schöpft, -- allerdings eine Goliathskraft.
Der Zusammenhang mit dem einfachen angenehmen Hautkitzel in deiner Wollust ist ein überaus deutlicher -- so weit auf diesem verwickelten Empfindungsgebiet überhaupt etwas deutlich sein kann, wo wir immerzu mit Analogien schon beim nächsten Mitmenschen rechnen müssen und in uns selber nur auf einer dünnen Planke über der schwarzen See des eigenen Unbekannten hängen.
Es ist vielleicht gar kein so übler Vergleich, wenn du dir einmal einen typischen Kitzelakt sonst mit dem, sagen wir mal hier bloß männlichen, Geschlechtsakt in Parallele bringst. Ich meine das Niesen. Irgend etwas kitzelt leicht die Schleim¬ haut deiner Nase. Es entsteht ein prickelnder Reiz mit rascher Steigerung. Endlich erfolgt eine Auslösung mit inpul¬ sivem, von deinem Willen unabhängigen Ausstoßen. Der Kitzel samt Erlösung dabei hat einen unverkennbaren Lust- Inhalt, ich brauche nur an seine Ausbeutung bei uns unent¬ wegten Lustsuchern im Schnupfen zu erinnern. Der ganze Akt aber hat thatsächlich eine frappante Ähnlichkeit wenigstens mit dem männlichen Geschlechtsakt.
Auch hier fällt der höchste Lustmoment mit einer unwillkür¬ lichen Ejakulation, einer Herausschleuderung zusammen.
mit unendlich verwickeltem Harmonie- und Disharmonie-Spiel ins myriadenhaft Proteiſche hinein. Sondern ſie hat eine beſtimmte Luſtſtimmung, die in der Taſte ſchon allgemein lag, bloß als ſolche ins Heroiſche vergrößert.
Im leichten, feinen Kitzeln liegt überall eine unverkenn¬ bare Luſtwirkung. Die iſt nun in der Wolluſtecke ins Un¬ geheure, Orkanartige heraufgeſchraubt, ohne dabei doch innerlich jemals feiner gegliedert zu werden. Gegen das Geſicht, das Gehör iſt die Wolluſt ein Ungetüm, ein klotziger Rieſe, der alle ſeine Kraft nicht aus der Verfeinerung ins Detailleben hinein, ſondern einzig aus der koloſſalen Übertreibung einer einzigen konkreten Luſtwirkung ſchöpft, — allerdings eine Goliathskraft.
Der Zuſammenhang mit dem einfachen angenehmen Hautkitzel in deiner Wolluſt iſt ein überaus deutlicher — ſo weit auf dieſem verwickelten Empfindungsgebiet überhaupt etwas deutlich ſein kann, wo wir immerzu mit Analogien ſchon beim nächſten Mitmenſchen rechnen müſſen und in uns ſelber nur auf einer dünnen Planke über der ſchwarzen See des eigenen Unbekannten hängen.
Es iſt vielleicht gar kein ſo übler Vergleich, wenn du dir einmal einen typiſchen Kitzelakt ſonſt mit dem, ſagen wir mal hier bloß männlichen, Geſchlechtsakt in Parallele bringſt. Ich meine das Nieſen. Irgend etwas kitzelt leicht die Schleim¬ haut deiner Naſe. Es entſteht ein prickelnder Reiz mit raſcher Steigerung. Endlich erfolgt eine Auslöſung mit inpul¬ ſivem, von deinem Willen unabhängigen Ausſtoßen. Der Kitzel ſamt Erlöſung dabei hat einen unverkennbaren Luſt- Inhalt, ich brauche nur an ſeine Ausbeutung bei uns unent¬ wegten Luſtſuchern im Schnupfen zu erinnern. Der ganze Akt aber hat thatſächlich eine frappante Ähnlichkeit wenigſtens mit dem männlichen Geſchlechtsakt.
Auch hier fällt der höchſte Luſtmoment mit einer unwillkür¬ lichen Ejakulation, einer Herausſchleuderung zuſammen.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0330"n="314"/>
mit unendlich verwickeltem Harmonie- und Disharmonie-Spiel<lb/>
ins myriadenhaft Proteiſche hinein. Sondern ſie hat eine<lb/>
beſtimmte Luſtſtimmung, die in der Taſte ſchon allgemein lag,<lb/>
bloß als ſolche <hirendition="#g">ins Heroiſche vergrößert</hi>.</p><lb/><p>Im leichten, feinen Kitzeln liegt überall eine unverkenn¬<lb/>
bare Luſtwirkung. Die iſt nun in der Wolluſtecke ins Un¬<lb/>
geheure, Orkanartige heraufgeſchraubt, ohne dabei doch innerlich<lb/>
jemals feiner gegliedert zu werden. Gegen das Geſicht, das<lb/>
Gehör iſt die Wolluſt ein Ungetüm, ein klotziger Rieſe, der<lb/>
alle ſeine Kraft nicht aus der Verfeinerung ins Detailleben<lb/>
hinein, ſondern einzig aus der koloſſalen Übertreibung einer<lb/>
einzigen konkreten Luſtwirkung ſchöpft, — allerdings eine<lb/>
Goliathskraft.</p><lb/><p>Der Zuſammenhang mit dem einfachen angenehmen<lb/>
Hautkitzel in deiner Wolluſt iſt ein überaus deutlicher —ſo<lb/>
weit auf dieſem verwickelten Empfindungsgebiet überhaupt<lb/>
etwas deutlich ſein kann, wo wir immerzu mit Analogien<lb/>ſchon beim nächſten Mitmenſchen rechnen müſſen und in uns<lb/>ſelber nur auf einer dünnen Planke über der ſchwarzen See<lb/>
des eigenen Unbekannten hängen.</p><lb/><p>Es iſt vielleicht gar kein ſo übler Vergleich, wenn du<lb/>
dir einmal einen typiſchen Kitzelakt ſonſt mit dem, ſagen wir<lb/>
mal hier bloß männlichen, Geſchlechtsakt in Parallele bringſt.<lb/>
Ich meine das Nieſen. Irgend etwas kitzelt leicht die Schleim¬<lb/>
haut deiner Naſe. Es entſteht ein prickelnder Reiz mit<lb/>
raſcher Steigerung. Endlich erfolgt eine Auslöſung mit inpul¬<lb/>ſivem, von deinem Willen unabhängigen Ausſtoßen. Der<lb/>
Kitzel ſamt Erlöſung dabei hat einen unverkennbaren Luſt-<lb/>
Inhalt, ich brauche nur an ſeine Ausbeutung bei uns unent¬<lb/>
wegten Luſtſuchern im Schnupfen zu erinnern. Der ganze<lb/>
Akt aber hat thatſächlich eine frappante Ähnlichkeit wenigſtens<lb/>
mit dem männlichen Geſchlechtsakt.</p><lb/><p>Auch hier fällt der höchſte Luſtmoment mit einer unwillkür¬<lb/>
lichen Ejakulation, einer Herausſchleuderung zuſammen.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[314/0330]
mit unendlich verwickeltem Harmonie- und Disharmonie-Spiel
ins myriadenhaft Proteiſche hinein. Sondern ſie hat eine
beſtimmte Luſtſtimmung, die in der Taſte ſchon allgemein lag,
bloß als ſolche ins Heroiſche vergrößert.
Im leichten, feinen Kitzeln liegt überall eine unverkenn¬
bare Luſtwirkung. Die iſt nun in der Wolluſtecke ins Un¬
geheure, Orkanartige heraufgeſchraubt, ohne dabei doch innerlich
jemals feiner gegliedert zu werden. Gegen das Geſicht, das
Gehör iſt die Wolluſt ein Ungetüm, ein klotziger Rieſe, der
alle ſeine Kraft nicht aus der Verfeinerung ins Detailleben
hinein, ſondern einzig aus der koloſſalen Übertreibung einer
einzigen konkreten Luſtwirkung ſchöpft, — allerdings eine
Goliathskraft.
Der Zuſammenhang mit dem einfachen angenehmen
Hautkitzel in deiner Wolluſt iſt ein überaus deutlicher — ſo
weit auf dieſem verwickelten Empfindungsgebiet überhaupt
etwas deutlich ſein kann, wo wir immerzu mit Analogien
ſchon beim nächſten Mitmenſchen rechnen müſſen und in uns
ſelber nur auf einer dünnen Planke über der ſchwarzen See
des eigenen Unbekannten hängen.
Es iſt vielleicht gar kein ſo übler Vergleich, wenn du
dir einmal einen typiſchen Kitzelakt ſonſt mit dem, ſagen wir
mal hier bloß männlichen, Geſchlechtsakt in Parallele bringſt.
Ich meine das Nieſen. Irgend etwas kitzelt leicht die Schleim¬
haut deiner Naſe. Es entſteht ein prickelnder Reiz mit
raſcher Steigerung. Endlich erfolgt eine Auslöſung mit inpul¬
ſivem, von deinem Willen unabhängigen Ausſtoßen. Der
Kitzel ſamt Erlöſung dabei hat einen unverkennbaren Luſt-
Inhalt, ich brauche nur an ſeine Ausbeutung bei uns unent¬
wegten Luſtſuchern im Schnupfen zu erinnern. Der ganze
Akt aber hat thatſächlich eine frappante Ähnlichkeit wenigſtens
mit dem männlichen Geſchlechtsakt.
Auch hier fällt der höchſte Luſtmoment mit einer unwillkür¬
lichen Ejakulation, einer Herausſchleuderung zuſammen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/330>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.