Vier Jahre Flug. Die Lichtkraft, die dich in noch nicht anderthalb Sekunden von der Erde auf den Mond warf, braucht vier Jahre, um die vier Billionen Meilen bis zum nächsten Fixstern zurückzulegen. Auf einem Planeten der roten Doppelsonne Alpha im Sternbild des Centauren machst du Halt. Und wieder ist Nacht und dein Auge sinkt erschauernd in das Sternenmeer. Ein Lichtpünktchen dort, im silbernen Staube zwischen den tausenden wirbelnd: die Sonne. Sie selber ist jetzt nur noch ein kleiner Stern. In dieses Stern¬ leins Licht zugleich aber stecken jetzt alle die Planeten unsicht¬ bar mit, die weiße Venus, der rote Mars, der riesige Saturn mit seinen Ringen, der endlos ferne Neptun. Und deine Erde selbst. Alles in allem nur noch ein Pünktchen. Ein Silber¬ stäubchen, das in Wirklichkeit die Größe der Neptunbahn, also mehr als neuntausend Millionen Kilometer Durchmesser, um¬ schließt.
Doch auch das ist dir noch nicht fern genug. Du nimmst größere Geschwindigkeit, als das Licht besitzt.
Du durchquerst die ganze Fixsternwelt. Bunte Doppel¬ sonnen und Triosonnen kreuzen deinen Weg. Planeten solcher Systeme, die heute eine blaue Sonne am Himmel haben, daß alles wie in die blaue Grotte von Capri eintaucht, morgen eine grüne, daß die Landschaft im smaragdenen Kristall des Vierwaldstätter Sees versinkt, und nächstens eine rote, daß es wie Höllenfeuer über Meer und Gebirge stammt. Und jeder Planet mit fühlenden Wesen, ähnlich dir. Die Sternbilder zerbrechen vor dir zu solchen Blütengärten, die Milchstraße fließt auseinander zu buntem Schaum. Dein Sonnensternchen aber ist längst untergegangen im Weltenmeer.
Doch du fliegst und fliegst.
Und du Ahasverus des Alls wirst eines Jahres alles überflogen haben, was wir Menschen von der Erde aus an Sternen kannten. Die ganze, ganze Fixsterninsel, zu der unsere Sonne im Engeren gehört, das ganze System von
Vier Jahre Flug. Die Lichtkraft, die dich in noch nicht anderthalb Sekunden von der Erde auf den Mond warf, braucht vier Jahre, um die vier Billionen Meilen bis zum nächſten Fixſtern zurückzulegen. Auf einem Planeten der roten Doppelſonne Alpha im Sternbild des Centauren machſt du Halt. Und wieder iſt Nacht und dein Auge ſinkt erſchauernd in das Sternenmeer. Ein Lichtpünktchen dort, im ſilbernen Staube zwiſchen den tauſenden wirbelnd: die Sonne. Sie ſelber iſt jetzt nur noch ein kleiner Stern. In dieſes Stern¬ leins Licht zugleich aber ſtecken jetzt alle die Planeten unſicht¬ bar mit, die weiße Venus, der rote Mars, der rieſige Saturn mit ſeinen Ringen, der endlos ferne Neptun. Und deine Erde ſelbſt. Alles in allem nur noch ein Pünktchen. Ein Silber¬ ſtäubchen, das in Wirklichkeit die Größe der Neptunbahn, alſo mehr als neuntauſend Millionen Kilometer Durchmeſſer, um¬ ſchließt.
Doch auch das iſt dir noch nicht fern genug. Du nimmſt größere Geſchwindigkeit, als das Licht beſitzt.
Du durchquerſt die ganze Fixſternwelt. Bunte Doppel¬ ſonnen und Trioſonnen kreuzen deinen Weg. Planeten ſolcher Syſteme, die heute eine blaue Sonne am Himmel haben, daß alles wie in die blaue Grotte von Capri eintaucht, morgen eine grüne, daß die Landſchaft im ſmaragdenen Kriſtall des Vierwaldſtätter Sees verſinkt, und nächſtens eine rote, daß es wie Höllenfeuer über Meer und Gebirge ſtammt. Und jeder Planet mit fühlenden Weſen, ähnlich dir. Die Sternbilder zerbrechen vor dir zu ſolchen Blütengärten, die Milchſtraße fließt auseinander zu buntem Schaum. Dein Sonnenſternchen aber iſt längſt untergegangen im Weltenmeer.
Doch du fliegſt und fliegſt.
Und du Ahasverus des Alls wirſt eines Jahres alles überflogen haben, was wir Menſchen von der Erde aus an Sternen kannten. Die ganze, ganze Fixſterninſel, zu der unſere Sonne im Engeren gehört, das ganze Syſtem von
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Vier Jahre Flug. Die Lichtkraft, die dich in noch nicht
anderthalb Sekunden von der Erde auf den Mond warf,
braucht vier Jahre, um die vier Billionen Meilen bis zum
nächſten Fixſtern zurückzulegen. Auf einem Planeten der roten
Doppelſonne Alpha im Sternbild des Centauren machſt du
Halt. Und wieder iſt Nacht und dein Auge ſinkt erſchauernd
in das Sternenmeer. Ein Lichtpünktchen dort, im ſilbernen
Staube zwiſchen den tauſenden wirbelnd: die Sonne. Sie
ſelber iſt jetzt nur noch ein kleiner Stern. In dieſes Stern¬
leins Licht zugleich aber ſtecken jetzt alle die Planeten unſicht¬
bar mit, die weiße Venus, der rote Mars, der rieſige Saturn
mit ſeinen Ringen, der endlos ferne Neptun. Und deine Erde
ſelbſt. Alles in allem nur noch ein Pünktchen. Ein Silber¬
ſtäubchen, das in Wirklichkeit die Größe der Neptunbahn, alſo
mehr als neuntauſend Millionen Kilometer Durchmeſſer, um¬
ſchließt.
Doch auch das iſt dir noch nicht fern genug. Du nimmſt
größere Geſchwindigkeit, als das Licht beſitzt.
Du durchquerſt die ganze Fixſternwelt. Bunte Doppel¬
ſonnen und Trioſonnen kreuzen deinen Weg. Planeten ſolcher
Syſteme, die heute eine blaue Sonne am Himmel haben, daß
alles wie in die blaue Grotte von Capri eintaucht, morgen
eine grüne, daß die Landſchaft im ſmaragdenen Kriſtall des
Vierwaldſtätter Sees verſinkt, und nächſtens eine rote, daß es
wie Höllenfeuer über Meer und Gebirge ſtammt. Und jeder
Planet mit fühlenden Weſen, ähnlich dir. Die Sternbilder
zerbrechen vor dir zu ſolchen Blütengärten, die Milchſtraße
fließt auseinander zu buntem Schaum. Dein Sonnenſternchen
aber iſt längſt untergegangen im Weltenmeer.
Doch du fliegſt und fliegſt.
Und du Ahasverus des Alls wirſt eines Jahres alles
überflogen haben, was wir Menſchen von der Erde aus an
Sternen kannten. Die ganze, ganze Fixſterninſel, zu der
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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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